Visit Berlin Tourismuschef Kieker im Interview

Die typische «Berliner Schnauze» ist längst nicht mehr so ruppig. Tourismuschef Burkhard Kieker lobt im Interview die Gastfreundschaft, die den Hauptstädtern von ihren aus der ganzen Welt kommenden Besuchern auch ernsthaft abgenommen werde.

Die Rekordzahlen bestätigen: Mit erstmals mehr als 20 Millionen Übernachtungen in diesem Jahr ist Berlin international so gefragt wie noch nie zuvor. Der oberste Tourismus-Werber sagt, die Besucher aus der ganzen Welt seien neugierig auf eine taktgebende Metropole, die den Lebensstil von morgen präge.

Sie haben um die 100 Flüge als Berlin-Werber in der ganzen Welt hinter sich. Wie sieht die Welt Berlin?

Kieker: «Das ist ein guter Blick, wobei es schon Unterschiede in der Eigenwahrnehmung der Berliner und der Fremdwahrnehmung gibt. In vielen Teilen der Welt werden wir als taktgebende Metropole betrachtet, voller Ideen, Kreativität. Viele Ausländer entdecken bei uns den Lebensstil von morgen, nach dem viele noch suchen. Die Welt ist einfach sehr neugierig darauf, zu erleben, wie hier einiges chaotisch vorwärts getrieben wird und zu erleben, was die Berliner nach der Wende aus ihrer Stadt gemacht haben.

Sind Sie als oberster Berlin-Werber eigentlich mit «ihren» Berlinern als Gastgeber zufrieden?

Kieker: «Über die Deutschen heißt es ja oft, ihr geht den ganzen Tag arbeiten, und zum Lachen geht ihr in den Keller. Aber spätestens seit der Fußball-WM 2006 und den Fan-Partys ist das im weltweiten Eindruck klar widerlegt. Wissen Sie, uns begegnen hier viele verzweifelte Touristen, die uns fragen, wo ist denn nun die berühmte Berliner Schnauze? Gut, wir haben vielleicht keinen so geschmeidigen Charme wie die Wiener, aber so ruppig, wie es früher immer hieß, sind die Berliner ihren Gästen gegenüber keineswegs. Es ist vielmehr so, dass die internationalen Besucher den Berlinern ihre Gastfreundschaft wirklich abnehmen. Dazu haben wir auch Glück gehabt. Vieles von dem, was wir heute in den Bilanzen ernten, ist auf wunderbare Weise einfach selbst passiert.

Wie kann Berlin den Touristenboom bewahren oder sogar noch ausbauen?

Kieker: «Wir dürfen auf keinen Fall an unseren Erfolgrezepten rühren. So ist die Flugsteuer ab Januar eine echte Katastrophe und wird uns Hunderttausende Touristen kosten. Wir müssen mit unserem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis das bleiben, was wir sind mit einem breiten Angebot für alle, auch für alle Geldbeutel. Wir haben zunehmenden Kiez-Tourismus, wir haben eine extreme historische Verdichtung mit Faszination und Grusel, das Gute und das Böse in unserer Geschichte dicht beieinander. In Zukunft werden wir noch mehr ein international beobachtetes Laboratorium sein zur Klärung der Frage, wie wir in Zukunft in dieser Welt zusammenleben wollen. Eine digitale Bohème wird sich bei uns wohlfühlen können. Es kommt Berlin seit jehr zugute, dass viele unterschiedliche Einflüsse auf wunderbare Weise das Klima dieser Stadt prägen. (Hans-Rüdiger Bein, dpa)