Was guten Parmesan ausmacht

Von Michael Ritter

Sorgsam gießt der Arbeiter die Molke aus den weißen Kunststoffformen ab. Schwerstarbeit, denn in den Formen liegt in ein Leinentuch gewickelt das, was einmal Grana Padano werden soll: ein guter Zentner Käsemasse. Früh am Morgen hat ein Tanklaster gekühlte Rohmilch in die Käserei im italienischen Brescia geliefert, die in Kupferkesseln mit Kälberlab auf 36 Grad erwärmt wird, um die Dicklegung in Gang zu setzen.

Grana Padano wird meist von Großbetrieben in der gesamten Poebene produziert, deren Kühe auch mit Silage gefüttert werden können. Bei seinem nahen Verwandten, dem Parmesan, wie der Parmigiano Reggiano schon früh eingedeutscht wurde, steht für das Milchvieh nur Gras, Heu und Luzerne auf dem Speiseplan.

Der Käse hat eine lange Geschichte. Schon Boccaccio beschrieb Mitte des 14. Jahrhunderts in seinem Decamerone eine Szene als höchstes Glück, auf einem Berg von geriebenem Parmesankäse zu stehen und Makkaroni und Ravioli herzustellen. Auch heute würde es wohl kein italienisches Restaurant wagen, Pasta ohne das traditionelle Schälchen mit geriebenem Hartkäse zu servieren. Die Ursprünge gehen ins 12. Jahrhundert zurück, als Mönche ihn erfanden. Heute sind sowohl Grana Padano wie auch Parmigiano Reggiano EU-weit geschützte Ursprungsbezeichnungen, die nur für Käse aus bestimmten Regionen Norditaliens verwendet werden dürfen. Darüber wachen Konsortien, in denen sich die Hersteller des jeweiligen Käses zusammengeschlossen haben.

Sobald sich eine feste Masse bildet, brechen Arbeiter diese mit dem «spino», einer kugligen Käseharfe, in reiskorngroße Stücke. Nach stärkerem Erhitzen schieben sie die Käsemasse auf Leinentücher und hieven sie an Stangen aus dem Kessel in die bereitstehende Form. Wenn die Molke abgeflossen ist, wird der Käse mit einer Plakette versehen, die ihn eindeutig identifiziert: am Rand durch eine Matrize mit Herkunftsschriftzug, Betriebsnummer und Produktionsjahr.

Dann wird er in einen Metallring gepresst. Bevor der Grana Padano für mindestens neun Monate - und der Parmigiano Reggiano noch mindestens drei Monate länger - zum Reifen ins Holzregal wandert, nimmt er ein konservierendes dreiwöchiges Bad in Salzwasser, das ihm den typisch salzigen Geschmack verleiht. Damit er nicht schimmelt, schrubbt ihn einmal pro Woche ein Waschroboter mit Bürsten ab. Am Ende kommen die Prüfer des Konsortiums. Sie beklopfen jeden Käse und brennen fehlerfreien Laiben das begehrte Siegel auf. Danach darf er in den Handel.

600 Liter Milch sind nötig, um einen 39 Kilogramm schweren Laib herzustellen. Da sind viele Produzenten nicht wählerisch, was die Milch angeht. Der Wechsel der Bauern zu milchstarken Rinderrassen war so programmiert. «Es macht geschmacklich schon einen Unterschied, ob eine Kuh 20 oder 67 Liter Milch gibt», sagt Susanne Hofmann. Die Maître Fromage vom «Tölzer Kasladen» am Münchner Viktualienmarkt gerät förmlich ins Schwärmen, wenn sie an die «Vacche Rosse» denkt, eine alte rote Rinderrasse, die bis 1960 weit verbreitet war.

Heute gibt es eine Handvoll Betriebe, die sich an die schmackhaftere Milch erinnern und wieder Vacche Rosse züchten. Rund 4000 Laibe produziert zum Beispiel Parmigiano Reggiano di Vacche Rosse DOP, nur gut ein Promille der Gesamtproduktion des Käses aus den namensgebenden Provinzen Parma und Reggio Emilia sowie Teilen von Modena, Bologna und Mantua. «Für den Parmesan und den Grana gibt es keine Festlegung der Rinderrasse», bedauert Hofmann.

Auch wenn die Kühe, die die Milch für den Parmesan geben, nur Gras, Heu und Luzerne bekommen, möchte die 48-Jährige ihm nicht den Vorzug geben. Sie rät daher zum Geschmackstest: «Das bietet jeder gute Käsehändler an. Die Vielfalt ist sehr groß. Da gibt es ausgezeichneten Grana Padano und grenzwertigen Parmigiano Reggiano.»

Einen Aufschwung nahm der Parmesan besonders in den vergangenen Jahren. «Früher wurde oft jeder geriebene Hartkäse als Parmesan bezeichnet», erinnert sich Hofmann. Der Europäische Gerichtshof machte dem ein Ende. Ein Riesenerfolg für das Konsortium, dessen Interessen in Deutschland Bettina Meetz vertritt. «Knapp 500 Betriebe produzieren den Parmigiano-Reggiano, meist Kooperativen.»

Bis zu 38 Euro pro Kilogramm zahlt man bei Susanne Hofmann. «Für Nudeln oder ein Parmesannest reicht allerdings auch ein einfacher, junger Käse», sagt sie. Für einen Soloauftritt bevorzugt sie allerdings die würzigen alten Käse, die bis zu sechs Jahre reifen und dann mit dem Parmesanmesser gebrochen werden. «Ein Vacche Rosse mit seinem intensiven Aroma ist ideal im Duett mit einem guten Condimento del Balsamico aus der Emilia-Romagna.» Italiener halten eben zusammen. dpa