Wassersport auf Fuerteventura

Von Manuel Meyer

Kilometerweit ist nichts anderes zu sehen als goldgelber Sand. Kein Restaurant, keine Häuser. Nur das Surfcenter von René Egli steht dezent am Rande des Strandes von Sotavento. Der weite Streifen Sand auf der sichelförmigen Halbinsel Jandia im Süden Fuerteventuras gehört nicht nur zu den schönsten Stränden der Kanaren, sondern im gesamten Mittelmeer. Doch es sind nicht die Sonnenschirme und Sandburgen, die das Bild prägen. Sotavento ist das Reich der Windsurfer und Kiter.

Im Norden der weitläufigen Bucht gleiten und springen die Kite-Surfer über die Wellen der rund drei Kilometer langen Lagune, am südlichen Ende des Strandes leuchten die bunten Segel der Windsurfer in der Sonne. «Sotavento ist einfach der perfekte Platz zum Kiten und Surfen», sagt Surflehrer Enrico D'Incecco vom René Egli Center. Der weite Strand biete viel Platz zum Starten und Landen. Keine Felsen oder Riffs können den Surfern gefährlich werden. Und die Windbedingungen hier am äußeren Südzipfel Fuerteventuras seien unübertrefflich, behauptet der 25 Jahre alte Italiener.

Er zeigt auf die Gebirgszüge hinter dem Strand, die den Nord-Ost-Passatwind enorm beschleunigen. Zusätzlich muss sich der etwas kühlere Passatwind unter den warmen Luftmassen hindurchzwängen, die von der Sonne aufgeheizt im Inselinneren aufsteigen. Sobald der Wind dann auf das Meer trifft, löst sich die Kompression auf, und der Wind wird nochmals beschleunigt. «Es handelt sich um eine Art doppelten Düseneffekt», erklärt Enrico.

Ein Düseneffekt, der die wenigen Badenden und die vielen Surfanfänger neidisch aufs Meer hinausschauen lässt, wo Kiter und Windsurfer mit atemberaubender Geschwindigkeit über das Wasser fegen. Immer wieder springen Könner über die bis zu zwei Meter hohen Wellen, die sich weiter draußen an einer vorgelagerten Sandbank brechen. Die Bedingungen sind so vorzüglich, dass seit Jahren Weltmeisterschaften im Windsurfen und Kiten in Sotavento ausgefahren werden.

Sotavento sei aber auch ein idealer Ort, um das Windsurfen zu lernen, sagt Enrico: Die Winde bliesen konstant, es gebe genug Platz für alle, und das Meer sowie die Lagune seien in weiten Bereichen seicht genug, um darin zu stehen. Nicht ohne Grund eröffnete der Schweizer René Egli hier mit seinen beiden Filialen am Strand das größte Surf- und Kite-Center der Welt. Insgesamt 600 Bretter stehen zur Verfügung. Rund 50 000 Schüler lernen in Sotavento jedes Jahr das Spiel mit Wind und Wellen.

Auch Carolin aus Ulm und ihr Freund Björn aus Hannover sind nach Fuerteventura gekommen, um einen Windsurf-Kurs zu machen. «Ein Fuß am Mast, der andere leicht nach hinten versetzt auf der anderen Seite des Bretts», ruft Enrico. «Sonst könnt Ihr mit den Wellen das Gleichgewicht nicht halten.» Seine Schüler balancieren mit wackeligen Knien auf den Brettern. Immer wieder muss Enrico einigen aufs Bord helfen, meist steht er bis zur Brust im Wasser, um die Technik zu erklären.

Mit etwas Gleichgewicht ist Windsurfen aber gar nicht so schwer, sagt Carolin später. Wie die anderen kann auch sie bereits nach zwei Stunden längere Strecken zurücklegen, ohne ins Wasser zu fallen. Schüler, die zu weit aufs offene Meer hinausfahren, sammeln Enricos Kollegen mit Jet-Ski wieder ein. Der Kampf mit Wind und Wellen ist aufregend, aber auch anstrengend. In manchen Momenten empfindet man den Wind als Feind, der versucht, einem das Segel aus den Händen zu reißen. Sobald man jedoch an Fahrt gewinnt, ist er der beste Freund.

Costa Calma bedeutet ruhige Küste, doch den Windsurfschülern erscheint der Wellengang alles andere als ruhig. Für Isabel jedoch können die Wellen an der westlichen Küste der Jandia-Halbinsel gar nicht groß genug sein. Die französische Studentin liegt flach auf ihrem Surfbrett und wartet auf die perfekten Wellen. Zusammen mit ihrem Freund macht sie am Strand von El Viejo Rey ganz in der Nähe des schönen Örtchens La Pared einen Kurs im Wellenreiten. Dank der einzigartigen Lage gehört der Strand des alten Königs zu den besten Surfgebieten auf den Kanarischen Inseln. Die offene Bucht, umrahmt von weißem Kalk- und schwarzem Lavagestein, und die sanft abfallenden Sandbänke sorgen das ganze Jahr über für Wellen, die sich auch hervorragend für Anfänger eignen.

Mit einem gewaltigen Tosen kommt eine Serie größerer Welle auf Isabel zu. «Warte noch etwas, noch ein wenig, jetzt aufs Brett», ruft ihr Surflehrer Francis Suber zu. Die Surfschule des Franzosen heißt Adrenalin Surf School, und Isabel bekommt in diesem Moment zu spüren, dass der Name Programm ist. Die Kraft des Wassers ist gewaltig. Fast verliert sie das Gleichgewicht. «Verlagere Dein Gewicht etwas nach links und geh ein wenig mehr in die Knie», schreit Fancis seiner Schülerin zu. Isabel fängt sich wieder und beginnt, mit der Welle zu spielen, auf ihr zu balancieren, bis sie schließlich ins Wasser fällt. Nach wenigen Sekunden taucht sie wieder aus dem schäumenden Meer auf, strahlt von Ohr zu Ohr und paddelt gleich wieder hinaus, um einen neuen Versuch zu starten.

«Wer einmal die Faszination gespürt hat, die von der Kraft einer Welle ausgeht, und es erleben durfte, auf ihr mit einem Surfbrett zu gleiten, kann es einfach nicht mehr sein lassen», sagt Francis. Isabel ist der lebende Beweis, sie würde am liebsten stundenlang weitermachen. Mit 21 Grad kommt ihr das Wasser bei der Anstrengung geradezu warm vor. «Das ist der große Vorteil Fuerteventuras gegenüber anderen europäischen Surfspots. Wir haben Dank unseres Klimas das ganze Jahr über Surfsaison», sagt Francis.

«Inseln des ewigen Frühlings» werden die Kanaren genannt. Die heißen Luftmassen der Sahara werden durch den stetigen Passatwind ferngehalten, so dass sich die Tagestemperaturen zwischen durchschnittlich 20 Grad im Januar und 28 Grad im August bewegen. Die Wassertemperaturen sind mit 19 Grad in den Wintermonaten und 23 Grad im Spätsommer angenehm warm. Der dicke Neoprenanzug kann zu Hause bleiben.

Am Strand des alten Königs tummeln sich an diesem ruhigen Tag vor allem Surfschulen, fortgeschrittene Wellenreiter zieht es an den Strand von Cofete weiter im Süden, wo die Wellen mächtiger brechen. Es ist einer der schönsten und unberührtesten Strände Fuerteventuras, hinter ihm ragen steile Berge auf. Abgesehen von ein paar Bauernhäusern und Ziegenställen wurde hier wenig gebaut. Gänsedisteln, mächtige Säulenkakteen und endemische kanarische Wilddotterblumen zieren das Bild. Urlaubermassen nehmen nur selten den abenteuerlichen Sandpistenweg in den äußersten Südwesten der Insel auf sich. So genießen Surfer den Strand fast alleine.

Ein weiterer Top-Surfspot ist die Nordspitze Fuerteventuras, wo eine Meerenge zwischen Corralejo mit seinem schönen Sanddünen-Naturschutzpark und der vorgelagerten Isla de Lobos gigantische Wellen formt. Hier könne man bis zu 150 Meter auf einer einzigen Welle reiten, versichert Surflehrer Francis - wenn alles perfekt läuft.

Die meisten Surfer tauchen eher unfreiwillig ab, andere dagegen wollen gar nicht mehr auftauchen. Allein rund um den Naturschutzpark Isla de Lobos gibt es 18 Tauchplätze, die in einer Viertelstunde mit dem Boot erreicht werden. An der Carrera, einer von Lavagestein eingekreisten Sandfläche auf rund 18 Metern Tiefe, verstecken sich in kleinen Höhlen und Überhängen Tintenfische und Moränen. Auf der Sandfläche kann man auch Stachelrochen antreffen.

Die starke Strömung zwischen der Wolfsinsel und der Nordspitze Fuerteventuras ließ an Tauchplätzen wie Agujas, Becerro und El Puente eine faszinierende Unterwasserwelt mit Lavaformationen, kleinen Canyons und Überhängen entstehen. Hier sind bereits in Tiefen von 7 bis 15 Metern große Barracuda-Schwärme, Adlerrochen und riesige Zackenbarsche zu sehen. Am Faro gleiten Thunfische, Engelshaie, Bernsteinmakrelen und Schmetterlingsrochen durchs Blau. Und mit etwas Glück sehen Taucher am Bocayna, einer Riffkante, von der es auf 30 Meter Tiefe heruntergeht, sowie am Anclas-Tauchplatz große Sardinenschwärme und Schildkröten. Eindrucksvoll ist auch der Bajon del Rio, wo Lavasteine wie Pilze aus dem Sandboden ragen.

Nicht weniger interessant sind die 17 Tauchreviere vor der Caleta de Fustes bei Castillo. Bei Sichtweiten von bis zu 20 Metern erblicken Taucher an Orten wie Barranco, Anfiteatro sowie bei den weiter südlich liegenden Riff vor Salinas regelmäßig Barracuda-Schwärme, Trompetenfische, Meerbrassen, Schweins- und Drückerfische. «Zwischen September und November kann man vor der Ostküste bei Castillo sogar Pilotwale sehen», erklärt Miguel Gonzalez vom Deep Blue Dive-Center. Das sei die beste Zeit zum Tauchen, sagt Miguel.

Wem Tauchen zu abenteuerlich ist, der kann sich in Castillo einfach auch ins Glasboot setzen, mit dem Boot zu Wal- und Delfinbeobachtungen aufs Meer fahren oder mit abgerichteten Seelöwen im Hafenbecken schwimmen. Das Meer hat auf Fuerteventura jedem etwas zu bieten. dpa

Reise nach Fuerteventura

Anreise: Mehrere Airlines fliegen von verschiedenen deutschen Flughäfen den internationalen Airport von Puerto del Rosario an. Der Flug dauert rund vier Stunden.

Reisezeit: Das Klima auf Fuerteventura ist das ganze Jahr über gleichermaßen angenehm. Im Sommer blasen die Passatwinde in der Regel am stärksten, dann finden Surfer die besten Bedingungen.

Informationen: Fremdenverkehrsamt Fuerteventura, Tel: +34 928/53 08 44, fuerteventuraturismo.com

Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel: 030/88 26 543