Wein-Schatz im Baggersee

Von Imke Hendrich

Noch lagern die edlen Tropfen in fast 20 Metern Tiefe. Sicher verpackt in Stahlkisten, aneinandergekettet und mit einem 250 Kilogramm schweren Käfig geschützt. Seit zweieinhalb Jahren reifen eine Zwölf-Liter-Flasche und 18 Magnumflaschen Weißwein auf dem Grund des Diezer Baggersees in Rheinland-Pfalz, sind sogar zum Ausflugsziel der örtlichen Taucherbasis geworden.

Ein PR-Gag des traditionsreichen Weingutes Balthasar Ress in Eltville (Hessen) - aber auch irgendwie ein Experiment. «Wir sind gespannt, was diese Bedingungen mit dem Wein gemacht haben», sagt Christian Ress, Geschäftsführer des Weingutes im Rheingau.

Sicher ist: Durch die konstanten Temperaturen von sechs bis acht Grad, die unterbundene Sauerstoffzufuhr und die Dunkelheit verzögert sich der Reifeprozess. «Wie genau der Wein aber nun schmeckt, das werden wir erst erfahren, wenn wir ihn aus der Tiefe holen», erklärt Hobby-Taucher Ress. Und das soll in diesem Sommer geschehen - nach drei Jahren am Baggersee-Grund.

Auch für Johann Seckler von der Hochschule Geisenheim sind Geschmacks-Vorhersagen nicht möglich. Nur so viel: «Je tiefer die Temperaturen, desto länger bleibt der Wein frisch - und die Fruchtaromen bleiben länger erhalten.» Zudem sei eines auch klar: «Rein aus Qualitätsgründen gilt: Je tiefer und gleichmäßiger die Temperatur, desto besser.

Aber man muss sich den Energieaufwand genau anschauen», betont der Experte für Getränketechnologie. Auch deswegen - und weil ohnehin 70 Prozent der Weine in Deutschland über Discounter und Supermärkte vertrieben werden - halte er eine Lagerung am Meeres- oder Seegrund in großem Stil doch eher für ungeeignet.

Das aber hat Ress auch gar nicht vor. «Da unten herrschen zwar perfekte Lagerbedingungen, aber es ist zu aufwendig und zu teuer, das in größerem Maße zu machen.» Allerdings gibt es nach seinen Angaben zumindest ein Champagnerhaus, das in der Bucht von Mont-Saint-Michel edle Schaumweine lagert oder zumindest mal testweise gelagert hat. Die Idee stammte von einem Küfer, der feststellte, dass die Wassertemperatur in der Bucht konstant bei zehn Grad liegt - ideal für Wein.

Wie wertvoll am Meeresgrund gelagerter Champagner sein kann, zeigte sich bei Versteigerungen von fast 200 Jahre alten Flaschen: Diese hatte allerdings kein Winzer «zwischengelagert», sie waren in einem Schiffswrack in etwa 50 Metern Tiefe vor den Åland-Inseln in der Ostsee entdeckt worden. Höchstpreis bei einer Auktion: Ganze 30 000 Euro war einem Bieter eine Flasche Veuve Clicquot wert.

Insgesamt hatten im Jahr 2010 Taucher 145 Flaschen bestens erhaltenen Champagners vor den halbautonom zu Finnland gehörenden Inseln an die Meeresoberfläche geholt. Das Schiff, das den Schaumwein einst transportierte, sank wahrscheinlich zwischen 1825 und 1830. Und wie schmeckte der vielleicht älteste Champagner der Welt?

Wein-Experte François Hautekur vom Champagnerhaus Veuve Clicquot jedenfalls war nach dem Fund ganz außer sich: «Ein derartiges Aromen-Feuerwerk habe ich noch nie erlebt: Blumen, Zitronen, mitunter eine Prise Mandarine - und vor allem ein wahnsinnig langer Abgang.»

Ob auch der Weißwein-Cuvée vom Diezer Baggersee-Grund solche Begeisterung auslösen wird? Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz meint: «Interessant wäre es, diese Weine aus dem See mit gleichen, nur im Keller gelagerten, zu vergleichen.» Auch er sieht das «Versenken» in See oder Meer als «energetisch gesehen sehr praktisch» an - aber ungeeignet für ein größeres Experiment. dpa