Von Andrea Löbbecke
Im Weinberg der Hochschule Geisenheim im Rheingau haben Wissenschaftler die Zukunft aufgebaut. Zumindest, was den Kohlendioxid-Gehalt der Luft angeht. Um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau zu erforschen, werden Reben auf dem kreisrunden Versuchsfeld mit einem ausgeklügelten System begast. Innerhalb des Kreises entsteht ein rund 20 Prozent höherer CO2-Gehalt in der Luft als außerhalb der Anlage - den Prognosen nach wird dieser Wert im Jahr 2050 erreicht sein.
Der Klimawandel hat schon jetzt den Weinanbau in Hessen und Deutschland maßgeblich verändert. «Früher galt der 50. Breitengrad als nördlichste Grenze», erklärt der Präsident der Hochschule Geisenheim, Hans Reiner Schultz. Der 50. Breitengrad verläuft auf der Höhe von Wiesbaden. Das bedeutete, schon im Rheingau oder an der Mosel hatten die Winzer in vielen Jahren Mühe, reifen Wein zu ernten. Dieses Problem gibt es nicht mehr. «Der Wein ist grundsätzlich ein Klimagewinner», meint Schultz.
Aber die Winzer stehen vor neuen Herausforderungen - etwa großen Wetter-Schwankungen, mehr Unwettern mit Hagel oder lange andauernder Trockenheit. «Viele Dinge, die wir früher im Weinbau gemacht haben, die drehen wir jetzt um», sagt der Wissenschaftler und nennt ein Beispiel: Statt mit großen Mühen die Beeren reif zu bekommen, geht es inzwischen oft mehr darum, die Reife zu verzögern.
Dafür gibt es unterschiedliche Methoden. Beispielsweise können Reben so geschnitten werden, dass die Knospen erst ein paar Wochen später austreiben und die Reifeperiode damit zeitlich nach hinten verschoben wird. Außerdem experimentieren die Wissenschaftler in Geisenheim damit, die Beeren mit kalkähnlichen Lösungen zu besprühen und so vor der Sonne zu schützen.
Mit den höheren Durchschnittstemperaturen können inzwischen Rebsorten in Deutschland angepflanzt werden, die viele nur aus dem Urlaub im Süden kennen, etwa die roten Sorten Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah. Andere Sorten wie Frühburgunder, Ortega oder Huxelrebe, die einst wegen ihrer kurzen Reifezeit beliebt waren, seien inzwischen in vielen Regionen fehl am Platz, erklärt Schultz.
«Die Wasserknappheit wird das größte Problem sein», sagt der Rheingauer Weinbaupräsident Peter Seyffardt. «Die Frage wäre dann auch, woher nehmen wir das Wasser.» Es einfach aus dem Rhein in die Weinberge pumpen, das gehe nicht. Vor allem für die Berglagen werde Wasser der entscheidende Faktor sein.
Auch für den Winzer Matthias Corvers aus Oestrich-Winkel im Rheingau ist der Klimawandel «ein ernsthaftes Thema». Sein Weingut setze derzeit noch auf den traditionellen Riesling, allerdings müsse man im Anbau auf die veränderten Bedingungen reagieren. Konkret fordert Corvers eine Tröpfchenbewässerung für Weinberge bei Rüdesheim. Die Anlage sei Bestandteil einer Flurbereinigung, die derzeit im Gange ist.
Nach den Worten von Seyffardt gewinnen inzwischen Weinlagen an Bedeutung, die höher liegen oder an der Grenze zu einem Wald. Solche Flächen galten früher als eher zwei- oder drittklassig, weil die Trauben dort nur schlecht reiften. Inzwischen seien die Stücke dagegen attraktiv. Dort sei es tendenziell kühler, und die Trauben könnten länger am Stock hängen bleiben. «Der Weinbau geht in die Höhe», sagt Seyffardt.
Die Weinberge der Hochschule Geisenheim mit den CO2-Kreisen stehen nur wenige Kilometer vom Rhein entfernt. An heißen Sommertagen brennt die Sonne auf das ebene Stück, auf dem der Langzeitversuch für Wein und Gemüse aufgebaut ist. Nur 19 solcher sogenannter FACE-Anlagen gibt es weltweit, wie Hochschul-Präsident Schultz erläutert. Wissenschaftler untersuchen damit verschiedene Kulturpflanzen und Ökosysteme, etwa Weizen, Reis oder Wälder. FACE steht für Free Air Carbondioxid Enrichment (Anreicherung mit CO2 unter freiem Himmel).
Die Geisenheimer Weinforscher haben schon erste Ergebnisse, etwa, dass es höhere Erträge geben könnte. Aber sie haben auch herausgefunden, dass die Larven des Traubenwicklers - ein Schädling - rund ein Viertel größer sind, wenn der CO2-Gehalt der Luft steigt. Außerdem gibt es zusätzliche Insekten-Generationen pro Jahr. dpa
Bundesweit Sonnenbrand-Schäden bei Trauben nach Hitze
Die jüngsten Rekord-Hitzen haben in deutschen Weinregionen stellenweise an Trauben Schäden durch Sonnenbrand verursacht. «Bei Temperaturen um die 40 Grad war es dann irgendwann einfach zu viel des Guten», sagte der Sprecher des Deutschen Weininstituts, Ernst Büscher. Bei Sonnenbrand trockneten die Beeren ein - und fielen meist später ab.
Bundesweit hätten Winzer von Sonnenbrand-Schäden berichtet, aber nicht «in einem dramatischen Ausmaß», sagte Büscher. Einzelne Weinberge seien stärker in Mitleidenschaft gezogen worden, andere dafür aber auch gar nicht. «Man kann es nicht vereinheitlichen.» Es hänge unter anderem von der Lage und den Böden ab.
Manche Rebsorten wie Riesling und Bacchus seien anfälliger für Sonnenbrand. Aber auch andere Sorten wie Burgunder und Dornfelder habe es dieses Mal stärker getroffen, sagte er. Denn die Hitze sei zu einem Zeitpunkt gekommen, als die Reben eher empfindlicher waren: kurz vor dem Verfärben und dem Weichwerden der Trauben.
«Es war gerade ein unglücklicher Zeitpunkt.» Eine Gefahr für die Rebe stelle Sonnenbrand nicht dar. Es sei aber eine Ertragseinbuße. «Die Trauben sind dann ja weg.» dpa