Wellness mit Bier und Schokolade

Von Ilse Tschernikow

Ricardo hat Rosenblätter ausgestreut, Kerzen angezündet und Wasser in die Kupferwanne eingelassen. Er nimmt einen Tonkrug und kippt eine braune Flüssigkeit in die Wanne: Bier. Dann lässt er mich alleine, und ich steige in die warme Brühe. Ricardo ist mein Wellnessbetreuer im Spa-Hotel in einem Kurort in Brandenburg. Das Bierbad ist der erste Teil meiner zweitägigen Bier-Entspannungskur.

Ricardo sagt, Frauen buchten das Bierbad selten. Denn das Hotel hat sich das Programm «Unter Klosterbrüdern» ausgedacht, damit sich Männer massieren und gesichtspflegen lassen, ohne um ihr Testosteron zu bangen. «Reine Männersache» nennt das Hotel sein Massageöl aus schwarzem Pfeffer und Rapsöl. Wer sich mit Bier und Pfeffer einreiben lässt, muss ein echter Kerl sein - so die Idee des Hotels.

Mehr als 40 000 Kosmetikinstitute, Spas und Day Spas buhlen in Deutschland um Kunden. Alle versprechen Schönheit und Entspannung in kurzer Zeit. Um aus der Masse herauszustechen, übertrumpfen sich Wellnesshotels gegenseitig mit außergewöhnlichen Angeboten: In der Weinregion Nahetal gibt es ein Peeling mit Traubenkernen und anschließendem «Vino Body Wrap». In einem Kloster auf den Hunsrückhöhen kann man sich mit Edelsteinen wie Rosenquarz und Bergkristallen den Rücken massieren lassen. Und Bad Brambach in Sachsen lockt mit einem Bad in Schokolade.

Das Bier, das Ricardo in meine Wanne kippt, hat allerdings wenig mit dem Getränk zu tun, das man in der Kneipe serviert bekommt. Es schmeckt nach einer Mischung aus Aromaöl und Malzbier: bitter, ölig, seifig. Zum Glück riecht es aber auch kein bisschen nach Kneipe. Das Badewasser duftet nach Malz und Rosenöl. Während ich 20 Minuten im Biergemisch plansche, beschallt mich aus den Lautsprechern ein Wellness-Best-of aus Wassergeplätscher und Vogelgezwitscher.

Das Hotel verspricht, dass meine Haut nach den Bierbädern «mineralisiert» ist. Tatsächlich fühlt sie sich weich an. Alles Einbildung, meint dagegen Rainer Bubenzer vom Deutschen Medical Wellnessverband: «Wellness-Bieranwendungen sind medizinisch betrachtet pure Scharlatanerei», urteilt der Arzt und Heilpraktiker.

Die nächste Station meines Bierprogramms ist das Fußbad. Eine Kosmetikerin badet meine Füße in Biertreber. Er sieht aus wie Kaffeesatz und ist ein Abfallprodukt des Brauvorgangs. Normalerweise futtern die Kühe den Treber. Ich denke: Was der Kuh gut tut, kann meinen Füßen nicht schaden. Aber was bringt es? «So richtig viel bringt es nicht», gesteht die Kosmetikerin. Heilpflanzen-Experte Rainer Bubenzer sagt, wenn man überhaupt eine Wirkung verspüre, sei das ein Placebo-Effekt. Das einzige, was wirke, sei die Aufmerksamkeit, die Kosmetiker und Saunameister einem widmen.

Viele der außergewöhnlichen Wellnessprogramme sind aus medizinischer Sicht fragwürdig. Beim Traubenkern-Body-Wrap sollen die Fettsäuren im Traubenkernöl die Feuchtigkeit der Haut bewahren und die Haut so langsamer altern lassen. Wissenschaftliche Beweise dafür gibt es nicht. Beim Schokoladenbad wirkt allenfalls die Kakaobutter. Sie macht die Haut geschmeidig - aber das machen alle anderen Fette auch. Da Schokolade die natürliche Schutzbarriere der Haut nicht überwinden könne, schreibt der Deutsche Wellnessverband auf seiner Homepage, habe das Schokobad keinen weiteren Effekt.

Statt exotischen Bädern empfiehlt Bubenzer die Klassiker: Massagen, Sauna-Gänge und Kneipp-Kuren im kalten Wasser. Nur eine der exaltierten Wellness-Methoden findet seinen Wohlgefallen: das Wollebad. Im Mittenwald in Oberbayern wickelt eine Heilpraktikerin Heilwolle um den Körper und lässt sie eine Stunde einwirken. «Die Wickel entspannen und wirken auf das Immunsystem. Die Haut wird durchblutet, und das Wollfett lindert gereizte und juckende Haut», sagt Bubenzer. Nur bei Allergien solle man aufpassen.

Für mein Bier-Programm mit zweieinhalb Stunden Bad, Fußbad, Fuß-, Rückenmassage und Gesichtsbehandlung zahle ich 169 Euro. Ein angemessener Preis laut dem Deutschen Wellnessverband: Zwischen 1,00 und 1,20 Euro pro Minute seien für Spa-Behandlungen die Regel.

Kostenlos gibt es noch eine Flasche Klosterbräu dazu. Die Brauerei verspricht auf ihrer Homepage, das Bier rege meine Durchblutung an, verhindere graue Haare und steigere meine Gehirntätigkeit. Nun gut, es schmeckt, und so will ich alles glauben. Ich streiche über meine Haut und entscheide, sie weiter für besonders weich zu halten. Wellness ist eben nur eine Frage der Einstellung. dpa