Winzer in der Krise Ernte so gering wie lange nicht

Steigende Kosten, weniger Konsum und Überproduktion: Der Weinbau in Deutschland steckt in der Krise. Dazu kommt 2024 aufgrund extremer Wetterlagen ein deutlicher Rückgang der Erntemenge, der den Osten und die Ahr besonders trifft. Das Deutsche Weininstitut rechnet mit einer Ernte von rund 7,9 Millionen Hektolitern Weinmost bundesweit, etwa zehn Prozent weniger als im Mittel der vergangenen zehn Jahre. Einen ähnlich niedrigen Ertrag habe es zuletzt 2017 mit 7,5 Millionen Hektolitern gegeben.

Der Fassweinpreis liegt bei 70 Cent und weniger 

«Trotz eines kleineren Jahrgangs 2024 bleibt der Preisdruck auf dem deutschen Markt hoch, da vielerorts noch große Weinbestände vorhanden sind», sagt Professorin Simone Loose von der Hochschule Geisenheim University im Rheingau. Der Preis für Fasswein in der Pfalz liege aktuell bei etwa 70 Cent pro Liter - je nach Rebsorte ist er sogar noch niedriger. Die Produktionskosten der Winzer seien mit mindestens 1,20 Euro aber etwa doppelt so hoch. 

Auch bei den Betrieben, die ihre Weine direkt an Endverbraucher und den Handel verkauften, sinke die Nachfrage, sagt die Betriebswirtin. An den Weingütern des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) geht die aktuelle Situation trotz starker Marktposition auch nicht ganz spurlos vorbei. Dies sei gerade im Inland zu merken und dabei auch auf die Gastronomie zurückzuführen, sagt der Sprecher des VDP, Max Rohde. 

«Rotationsbrachen» könnten schnell Entspannung bringen 

Um einen weiteren Preisverfall zu verhindern, müsse die Produktionsmenge in Deutschland «angepasst werden», sagt Loose. Dabei müsse es auch darum gehen, welche Anbauflächen unter dem fortschreitenden Klimawandel keine Zukunft mehr hätten und welche für den Tourismus unverzichtbar seien. 

Der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands, Christian Schwörer, hält das Konzept der «Rotationsbrachen» für ein Mittel, um relativ schnell Entspannung im Markt zu erreichen. Dabei blieben nach der Rodung eines Weinbergs die Pflanzrechte noch sechs Jahre bestehen und die Winzer könnten diese Zeit nutzen, um Blühflächen für die Biodiversität anzulegen. Bisher gebe es für Blühstreifen von Winzern von der EU eine Förderung von rund 200 Euro pro Hektar, notwendig seien aber etwa 3000 Euro, allein um die Fixkosten der Winzer zu decken. 

Betriebe müssen Kosten senken 

Die Betriebe müssten aber auch genau schauen, wo sie Kosten sparen können, sagt Schwörer. «Gemeinsam mit Beratern und Steuerexperten gilt es, eine klare Zukunftsstrategie zu entwickeln», mahnt Loose. Dabei müssten alle Produkte unter die Lupe genommen und auch die Frage der Nachfolge im Betrieb bedacht werden. Die Politik sei zudem mit einigen Steuererleichterungen gefragt, ergänzt Schwörer. «Jeder einzelne Baustein hilft nicht viel weiter, aber eine Vielzahl von Maßnahmen hilft doch dem ein oder anderen die Situation zu entspannen.» 

Loose: Auf eine gut gepflegte digitale Kundendatenbank kommt es an 

«Der Winzer von heute und morgen muss nicht nur ein guter Weinmacher sein – er muss auch Unternehmerqualitäten mitbringen», betont Loose. «Eine gut gepflegte digitale Kundendatenbank ist heute eigentlich wertvoller als die Rebfläche selbst.» Denn: «Der Verdrängungswettbewerb in der Branche um die älter und weniger werdenden Kunden ist hart.»

Höhere Preise lassen sich nur schwer durchsetzen 

Mit höheren Preisen für die Flasche Wein könne zumindest ein Teil der gestiegenen Kosten ausgeglichen werden, sagt Loose. «Wir werden es nicht schaffen, dass die Leute, die jetzt im Supermarkt zwei, drei Euro ausgeben, plötzlich acht, neun Euro für eine Flasche ausgeben», gibt Schwörer zu Bedenken. In der aktuellen Wirtschaftslage sei eine Flasche Wein für manche bereits ein «Luxusgut», auf das sie im Zweifel verzichteten. 

«Wir brauchen eine Marktspreizung.» Im unteren Preissegment im Einzelhandel seien italienische und spanische Weine eben viel stärker als deutsche. Etwa 90 Prozent der Vermarktung deutscher Weine liefen über Qualitäts- und Prädikatswein. 

Graswurzelbewegung für Weinkultur 

Der Weinkonsum geht insgesamt zurück und neue Absatzmärkte sind gefragt. Junge Menschen trinken weniger Wein, ältere sollen aus gesundheitlichen Gründen oft weniger trinken. Dazu komme Abstinenz etwa aus religiösen Gründen - sowie die neuen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, ganz auf Alkohol zu verzichten, zählt Schwörer die wichtigsten Gründe auf. Nach Einschätzung der Dachverbände der Weinbranche fehlten für diese Empfehlung eindeutige wissenschaftliche Belege. 

«Die Unternehmen brauchen von der Politik und der Zivilgesellschaft ein klares Commitment zur Weinkultur und zu moderatem Trinkkonsum in Europa», sagt Schwörer. Er verweist auf die europaweite Grasswurzel-Kampagne zum Schutz der Weinkultur und des moderaten Weingenusses (Vitaevino), die auch die rheinland-pfälzische Weinbauministerin Daniela Schmitt als Schirmherrin unterzeichnet hat. 

Appell an Verbraucher: Mehr Wein aus Deutschland trinken - aber in Maßen 

Wein sei nicht nur ein wichtiges landwirtschaftliches Produkt, das zur Wertschöpfung beitrage, sagt die FDP-Politikerin. Wein «ist auch ein wertvoller Teil unseres kulturellen Erbes und unserer ländlichen Identität.» Schmitt appelliert an die Verbraucher, «beim Einkauf auf Qualität und Herkunft und beim Konsum auf Maß und Mitte zu achten». 

Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut ergänzt: «Nachdem hierzulande doppelt so viel Wein konsumiert wie produziert wird, sollte es eigentlich möglich sein, die deutschen Weine auf dem heimischen Markt abzusetzen.» Aktuell stammten von 100 gekauften Flaschen nur 42 aus deutschen Regionen. dpa

MOSEL: Gut, aber sehr wenig

Erntebilanz im Weinanbaugebiet: Kleinste Ernte seit Jahrzehnten liefert klassische Mosel-Weine

Die Winzerinnen und Winzer im Weinanbaugebiet Mosel freuen sich in diesem Herbst über goldgelbe, gesunde Trauben mit herrlichen Fruchtaromen. Auch im Keller läuft es gut, denn die Gärung der Moste erfolgt überwiegend reibungslos. Die Grundlage für feine, aromatische Weine mit moderatem Alkoholgehalt ist gegeben. 2024 ist ein klassischer Mosel-Jahrgang, darin sind sich die Erzeuger einig. „Die Qualität ist gut, es ist ein Kabinett- und Spätlese-Jahr“, sagte Henning Seibert, Vorsitzender des Moselwein e.V., in der Herbstpressekonferenz der Gebietsweinwerbung in Traben-Trarbach. Doch die Freude ist nicht ungetrübt. Denn die Erntemenge ist sehr klein. Schuld daran sind Frost kurz nach dem Austrieb der Reben im April, großflächiger Hagel im Mai sowie Pilzkrankheiten, die sich infolge der häufigen Niederschläge ausbreiteten.

Daher fahren die Winzerinnen und Winzer an Mosel, Saar und Ruwer die kleinste Erntemenge in den vergangenen 50 Jahren ein. Die Gesamtproduktion im Gebiet von Serrig bis Koblenz beläuft sich auf rund 510.000 Hektoliter, so die Schätzung des Weinbauverbandes Mosel. Damit liegt das Ergebnis im Jahrgang 2024 um 30 Prozent niedriger als die durchschnittliche Erntemenge der vergangenen zehn Jahre. 2023 lag die Erntemenge mit 724.000 Hektolitern fast exakt im Mittelwert der letzten zehn Jahrgänge.

Dabei ist die Lage in den verschiedenen Bereichen des Anbaugebietes sehr unterschiedlich. Besonders groß sind die Einbußen an Saar und Ruwer sowie im Raum Trier, wo der Frost in manchen Weinlagen die komplette Ernte zunichtemachte oder die Winzerinnen und Winzer nur einen Bruchteil der üblichen Traubenmenge ernten können. Der großflächige Frost im April traf auch viele Rebflächen an der gesamten Mosel hart, vor allem in Seitentälern wie an der Lieser. Viele Betriebe von Ober- bis zur Terrassenmosel mussten zumindest in Teilen ihrer Weinberge ebenfalls bis zu 50 Prozent Frosteinbußen hinnehmen.

Die vielen Niederschläge von Frühjahr bis Herbst boten der Ausbreitung von Pilzkrankheiten wie Peronospora und Oidium im Frühjahr und Sommer beste Bedingungen. Auch die Blüte der Reben litt darunter und zog sich lange hin. Die Folgen waren weitere Ertragseinbußen und ein extrem hoher Arbeitsaufwand beim Pflanzenschutz. Die ausgiebigen und ständigen Regenfälle in Verbindung mit warmen Temperaturen sorgten zudem für starkes Wachstum von Reben und begrünten Rebzeilen und somit für viele Arbeitsstunden zur Pflege der Weinberge. Ein derart arbeitsreiches Jahr im Weinberg hat es nach Aussage vieler Winzerinnen und Winzer noch nie gegeben. Die Produktionskosten stiegen daher stark bei gleichzeitig geringem Ertrag.

Die Folgen des Frostes mit verzögerter Entwicklung der Reben in vielen Lagen sind auch in der langen Ausdehnung der Ernte spürbar, die sich über rund zwei Monate hinzieht. Erste Trauben für Federweißer wurden bereits Ende August geerntet. Die Traubenlese der frühreifenden Sorten sowie für Sektgrundweine begann in der ersten Septemberhälfte, die Hauptlese für Burgundersorten und Elbling Mitte September. Der Erntestart für den Riesling fiel je nach Region sowie Ausmaß der Frostschäden sehr unterschiedlich aus, zwischen der letzten Septemberwoche bis Mitte Oktober. Während an der Terrassenmosel viele Weinbaubetriebe Mitte Oktober die Lese schon beendeten, starteten die Kolleginnen und Kollegen an Saar und Ruwer erst mit dem Riesling. Voraussichtlich wird die Lese vereinzelt noch bis Ende Oktober dauern.

Teilweise gibt es am gleichen Rebstock und innerhalb einer Traube massive Reife-Unterschiede, wie Winzerin Stefanie Vornhecke aus Senheim berichtete. Wo es keine Frostschäden gab, waren die Erträge gut, so die Vizepräsidentin des Weinbauverbandes. Sie sieht den 2024er als „einen Jahrgang für leichtere, moseltypische Weine“.

Während die früher reifenden Sorten mit dünnerer Beerenhaut wie Müller-Thurgau sowie die Burgundersorten laut Henning Seibert mit den eher feuchten Wetterbedingungen weniger gut zurechtkamen und hohe Ertragseinbußen aufweisen, zeigen sich die klassischen Sorten der Mosel – Riesling und Elbling – als widerstandsfähiger. Beim Elbling können daher relativ gute Erträge verbucht werden. Wie im Vorjahr kann auch der später reifende Riesling noch von den milden Tagen und kühlen Nächten Ende September und Oktober profitieren. Die Mostgewichte erreichten beim Riesling meist zwischen 70 und 80 Grad Oechsle. Werte von 90 Grad wurden selten berichtet. Das Gros der Produktion wird daher auf Qualitätsweine sowie Kabinett und Spätlesen entfallen. Auslesen sowie hochwertige trockene Weine wie Große Gewächse sind bei Handlese und Selektion der Beeren in den klassischen Steillagen aber auch zu erreichen.

Die Gärung der Moste verläuft sehr gut und störungsfrei. Dank der Niederschläge im Sommer konnten die Reben die Früchte gut versorgen, die Moste enthalten ausreichend Nährstoffe für die Hefen.  „Der Jahrgang verspricht eine große Bandbreite guter Qualitäten, von frischen Qualitätsweinen bis zu trockenen Spitzengewächsen“, lautet die Einschätzung von Dr. Maximilian Hendgen, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Mosel.

480.000 Hektoliter – das sind 94 Prozent der Erntemenge 2024 – entfallen nach den aktuellen Schätzungen des Weinbauverbandes Mosel auf Weißweinsorten. Die Rebsorte Riesling mit einem durchschnittlichen Ertrag von 60 Hektolitern je Hektar macht mit rund 316.000 Hektolitern etwa 62 Prozent der gesamten Ernte im Gebiet aus. Das entspricht dem Anteil der Rebsorte an der Rebfläche. Von der zweithäufigsten Sorte Müller-Thurgau kamen in diesem Jahr bei einem niedrigen Hektarertrag von 70 Hektoliter insgesamt 50.000 Hektoliter in die Keller. Gute Erträge lieferte dagegen der Elbling, dritthäufigste weiße Sorte, mit durchschnittlich 100 Hektoliter pro Hektar. Insgesamt können die Kellermeister rund 44.000 Hektoliter Elbling zu Wein und Sekt verarbeiten.

Weiß- und Grauburgunder kommen jeweils auf einen durchschnittlichen Hektarertrag von 60 Hektolitern. Das ergibt eine Gesamtmenge von 22.440 Hektoliter beim Weißen Burgunder und 14.880 Hektoliter beim Grauen Burgunder. Die übrigen weißen Sorten von Sauvignon Blanc bis Kerner bringen weitere 33.000 Hektoliter Most.

Besonders stark sind die Einbußen bei den roten Sorten, die auf rund neun Prozent im Mosel-Gebiet stehen. Weder die wichtigste rote Sorte Spätburgunder noch Dornfelder oder andere rote Sorten lieferten 2024 gute Traubenerträge, sodass die Gesamtmenge an Rotmosten auf lediglich rund 30.000 Hektoliter geschätzt – weniger als die Hälfte des Ertrags 2023.

Die Preise für Moselwein im Fassweinmarkt blieben im Laufe des Jahres stabil und es gab schon vor der Lese eine gute Nachfrage nach Trauben. Das Herbstgeschäft im Gebiet sei schon vor der Ernte sehr stark von Winzernachfrage geprägt gewesen, berichtet Matthias Walter, Vorstandsmitglied der Moselweinwerbung und Kommissionär in Wincheringen. Weingüter mit hohen Einbußen versuchten durch Zukauf von Trauben bei Betrieben, die die nicht oder nur geringfügig vom Frost betroffen waren, ihre Bestände aufzufüllen, um ihre Kunden bedienen zu können.  

Die Marktsituation an der Mosel führt laut Matthias Walter insgesamt zu Mostpreisen, die sich deutlich von anderen Anbaugebieten in Rheinland-Pfalz abheben. Mitte Oktober lagen die Mostpreise für Riesling-Qualitätswein bei einem Euro je Liter, für Weißburgunder bei 1,20 Euro sowie bei Grau- und Spätburgunder bei 1,50 Euro.

Vor allem der hohe Exportanteil wirkt sich an der Mosel stabilisierend auf die Most- und Fassweinpreise aus. 25 bis 30 Prozent der jährlichen Weinproduktion werden in 100 Länder auf der ganzen Welt ausgeführt. Im Jahr 2023 verzeichnete der Export von Moselwein laut Verband Deutscher Weinexporteure (VDW) einen Zuwachs um 1,1 Prozent im Wert und einen Rückgang um 1,8 Prozent in der Menge. Es wurden 197.000 Hektoliter weißer Qualitätswein im Gesamtwert von 94 Millionen Euro ausgeführt. Diese Entwicklung setzte sich im ersten Halbjahr 2024 fort: Für den Zeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024 registrierte der VDW bei den Ausfuhren von Moselwein ein Mengen-Minus von 1 Prozent und ein Wert-Plus von 3 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum von Juli 2022 bis Juni 2023. Die USA und China sowie Großbritannien sind die wichtigsten Auslandsmärkte für Moselwein. Vor allem China und Großbritannien entwickelten sich in den vergangenen Jahren sehr positiv für die Mosel-Exporteure.

In China wurde das Anbaugebiet Mosel vor wenigen Tagen von einer großen Online-Handelsplattform als „Beste internationale Weinregion des Jahres“ ausgezeichnet. Die Ehrung basiere auf der Auswertung von Verkaufsdaten und Marktforschung, so die Agentur des Deutschen Weininstitutes in China. Die Ehrung für die Weinregion Mosel unterstreiche nicht nur die „außergewöhnliche Qualität ihrer Weine“, sondern auch ihre Popularität unter den chinesischen Konsumenten, so Jeuce Huang, Direktorin des DWI-Büros in China. Den Erfolg von Moselweinen in China erklärt sie mit dem steigenden Interesse der jüngeren Verbraucher an „erfrischenden, fruchtigen und leichteren Weinen, die vielseitig zum Essen einsetzbar sind“. Dieser Trend komme der Herkunft Mosel zugute, deren Rieslingweine diese Kriterien perfekt erfüllen würden.