WM-Spielort Recife

Von Manuel Meyer

Leandro Castro möchte den Fußballfans gerne eine Freude machen, wenn Deutschland und die USA am 26. Juni in der brasilianischen Küstenmetropole Recife im WM-Gruppenspiel aufeinandertreffen. Er will sie mit berühmten Persönlichkeiten am Spielfeldrand überraschen. «Für die Deutschen habe ich an Angela Merkel, Sebastian Vettel und Franz Beckenbauer gedacht», sagt Leandro.

Für die amerikanischen Fans, deren Team der ehemalige DFB-Coach Jürgen Klinsmann trainiert, wird er auf jeden Fall US-Präsidenten Barack Obama und Michael Jackson am Spielfeldrand auflaufen lassen. Leandro gehört im nordbrasilianischen Bundesstaat Pernambuco, dessen Hauptstadt Recife ist, zu den größten Herstellern der sogenannten Bonecos Gigantes. Die Riesenpuppen aus Pappmaché und Stoff, die mit einem Holzgerüst auf den Schultern getragen werden, fehlen auf keinem Volksfest in Recife.

«Die Bonecos Gigantes sind Teil unserer Kultur, und die wollen wir natürlich im Stadion während der WM auch dem Rest der Welt zeigen», sagt Leandro, der im historischen Zentrum von Recife ein Museum, die Embaixada de Pernambuco, unterhält. In dem können die Besucher die Riesenpuppen das ganz Jahr über bewundern. Die Bonecos Gigantes sind auch fester Bestandteil der landesweit bekannten Karnevalsumzüge in Olinda, die an Recife angrenzende Kolonialstadt, in der nach Rio de Janeiro und Salvador de Bahia Brasiliens bekanntester Straßenkarneval gefeiert wird.

Die malerisch auf einer Anhöhe über dem Atlantik gelegene Stadt ist eine der größten und besterhaltenen Kolonialstädte Brasiliens. Sie wurde bereits 1535 von den Portugiesen gegründet . Und ihr Name ist Programm: Olinda stammt von «Ó linda», was «Oh, wie schön» heißt. Der Anbau von Zuckerrohr und der Sklavenhandel machten die ehemalige Hauptstadt Pernambucos neben Recife und Salvador zu einer der reichsten Städte Brasiliens. Davon zeugen heute noch die schmucken Barockkirchen, Klöster und bunten Kolonialhäuser in den hügeligen Altstadtgassen, die seit 1982 zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Viele Künstler wohnen hier. Ihre Werke verkaufen sie in kleinen Läden, Galerien und auf dem alten Sklavenmarkt Mercado da Ribeira.

César Santos bietet seine Kunst in der Oficina do sabor an. Sein «Geschmacksbüro» gehört zu den besten Restaurants Brasiliens. Seine Spezialität: Krabben in Mango-Maracuja-Creme serviert mit Kokosmilch im Kürbis. Auch sein Lammkarree in Tamarindensoße mit Bananenpüree und Caju-Kastanien-Reis schmeckt vorzüglich. Auf der Restaurant-Terrasse kann man aber nicht nur beste Regionalküche genießen, sondern auch wunderschöne Ausblicke auf Recife. Von hier aus ähnelt der WM-Spielort mit der modernen Hochhaus-Skyline an den langen Stadtstränden ein wenig Miami.

Gegründet wurde Recife mit seinen heute 1,6 Millionen Einwohnern jedoch schon 1630 von den Holländern, die einige Jahrzehnte den Nordosten Brasiliens kontrollierten, bevor die Region wieder an die Portugiesen ging. Aus jener Zeit gibt es in Recife nur noch wenige Gebäude. Eines davon ist die sternförmige Festungsanlage Forte das Cinco Pontas, in der heute das Stadtmuseum untergebracht ist. Die Holländer legten damals auch die Mangrovensümpfe trocken, bauten Brücken und Kanäle, auf denen man heute wunderschöne Bootsfahrten machen kann. Die Brücke Ponte Maurício de Nassau, welche die Stadtviertel Santo Antonio und Recife Antigo verbindet, ist Recifes älteste der insgesamt 39 Brücken und stammt aus dem Jahr 1643. Wegen der 50 Kanäle und zahlreichen Brücken wird Recife heute oftmals auch als das Venedig Brasiliens bezeichnet - ein Vergleich, den die italienische Stadt aber zu Recht als Beleidigung empfinden dürfte.

Zum Spielort Salvador de Bahia

Recife Antigo, eine von Kanälen umgebene Insel, ist zugleich historisches und kulturelles Zentrum der Stadt. Im Hafen erstrahlen das frisch restaurierte Zollgebäude, die Festung Forte do Brum und die alte Börse in neuem Glanz. Auf dem am Hafen gelegenen Marco Zero Platz, dem Zentrum der Altstadt, findet das WM-Fanfest statt. Nicht weit von hier befinden sich in der Rua do Bom Jesus mit ihren bunten Häusern und der 1636 erbauten ersten Synagoge der Neuen Welt auch zahlreiche Bars mit Live-Musik. Und gleich nebenan hat erst Anfang des Jahres das Paço do Frevo eröffnet.

Dabei handelt sich um ein Kulturzentrum, in dem nicht nur die Geschichte dieses regionalen Musikstils anschaulich erklärt wird, sondern in dem man sich dem Frevo auch in Tanz- und Musikkursen nähern kann. Die schnellen Rhythmen afrikanischen Ursprungs wurden 2012 sogar von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. «Das Wort Frevo stammt vom portugiesischen Verb für kochen, weil die Musik so mitreißend, heiß, schnell, beinahe feurig ist», erklärt Joana Chaves vom Frevo-Museum. «Und diese Musik kocht in unseren Adern und macht unseren exzentrischen Charakter und unsere Lebensfreude aus», erklärt sie.

Wer mehr über das Kulturerbe der Indianer und die Kolonialgeschichte der Region erfahren möchte, sollte das anthropologische Museum des Menschen des Nordostens sowie das Instituto Ricardo Brennand mit seiner wertvollen Kunstsammlung besuchen. Für Shopping-Fans ist hingegen der Besuch des 1875 erbauten und den Pariser Markthallen nachempfundenen Mercado São José mit seinem imposanten Vorplatz ein Muss. Nicht weniger interessant ist die Casa da Cultura. Das Zentrum für Kunsthandwerk ist in einer alten Haftanstalt untergebracht - und die einzelnen Läden in den ehemaligen Gefängniszellen.

Die meisten Touristen kommen aber wegen der langen Strände und der 300 Sonnentage nach Recife. Der schönste und mit acht Kilometern längste Stadtstrand ist der Boa Viagem im gleichnamigen Stadtviertel. Hier befinden sich die meisten Touristenhotels, und hier spielt sich auch das Nachtleben ab. Dabei sind die zahlreichen Bars, Restaurants und Diskotheken allerdings voller als das Wasser, in das sich wegen der Haie nur wenige trauen. Gut, dass der Strand zumindest von einem natürlichen Riff geschützt ist, das der Stadt auch ihren Namen gab - Riff heißt auf Portugiesisch Recife. Zum Genießen des süßen Lebens unter südlicher Sonne ist der Strand aber perfekt. Die türkisblauen Wellen des Atlantiks versickern sanft im weißen Sandstrand, und frische Krabben, Ananas und Kokosnüsse liefern die Strandverkäufer direkt an das Badetuch. dpa

Im WM-Quartier Bahia

Reise nach Recife

Anreise: Mehrere Airlines fliegen von verschiedenen deutschen Flughäfen direkt nach Recife. Für die Einreise reicht ein sechs Monate gültiger Reisepass.

Unterkunft: In Recife gibt es im Stadtviertel Boa Viagem zahlreiche Hotels. In Olinda sind vor allem die kleinen Pensionen zu empfehlen.

Freizeit: Riesenpuppenmuseum (www.bonecosgigantesdeolinda.com.br), Frevo-Muesum (www.pacodofrevo.org.br), Ricardo Brennand Institut (www.institutoricardobrennand.org.br), Kanaltouren (www.catamarantours.com.br).

Infos: Das Touristenbüro Pernambuco liefert Informationen zu Museen, Hotels, Restaurants und Freizeitmöglichkeiten im Bundesstaat (www.pernambuco.com/turismo).