WM-WG im Campo Bahia

Von Jens Mende und Klaus Bergmann

«Vorbereitet haben wir genug, jetzt muss man auch mal auf die Piste gehen», sagte Oliver Bierhoff zum langersehnten Abflug der deutschen Mannschaft ins WM-Traumland Brasilien. Über zwei Jahre haben sowohl der Teammanager mit seinem Organisationsstab als auch Bundestrainer Joachim Löw mit der Sportlichen Leitung an ihrem WM-Masterplan gebastelt und gewerkelt.

Knapp 24 Stunden nach dem Abpfiff des letzten Testländerspiels gegen Armenien hebt der mehr als 60-köpfige Tross des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Samstagabend (22.00 Uhr) vom Frankfurter Flughafen ab Richtung Salvador. Dort soll der Charterflieger nach einem knapp elfstündigem Flug am Pfingstsonntag um 3.40 Uhr Ortszeit landen. In Deutschland ist es dann schon fünf Stunden später.

«Das Kribbeln steigt. Bei uns allen ist die Vorfreude auf Brasilien da», bemerkte Bundestrainer Löw als Chef der deutschen Titelmission. Auch die Vorfreude auf «unser Camp», ergänzte der Freiburger. Das neu errichtete, exklusive Campo Bahia im kleinen Küstenörtchen Santo André, das Spieler, Betreuer und Gäste nur mit einer alten Autofähre erreichen können, wartet nach dem Anschlussflug von Salvador nach Porto Seguro und einer rund 45-minütigen Busfahrt auf das Löw-Team.

«Es steht alles», erklärte Bierhoff mit einigem Stolz. Die Skepsis war lange Zeit groß, ob das nach den Wünschen des DFB teilweise noch abgeänderte Quartier auch wirklich pünktlich fertig werden würde.

In vier großen Strandhäusern mit jeweils sechs Suiten werden die Spieler-WGs sein. Restaurant, die Behandlungsräume der drei Ärzte und vier Physiotherapeuten, das Betätigungsfeld der vier Fitnesstrainer, dazu Gemeinschaftsräume, ein Swimmingpool und eine Bar sind in der 15 000 Quadratmeter großen Anlage über kurze Wege schnell zu erreichen.

Zum Interview mit Team-Koch Holger Stromberg

«Es ist nicht ganz so exklusiv wie dargestellt», bemerkte Manager Bierhoff und verwies auf den wichtigsten Fakt für die 23 Spieler. Der Trainingsplatz mit Flutlicht, dazu ein Nebenplatz für Regenerations- und Torwarttraining sowie ein Funktionsgebäude und Fitnesszelt sind auch nur 1,4 Kilometer vom Teamhotel entfernt. Das Medienzentrum wenige hundert Meter daneben bietet 250 Journalisten Platz.

Einige große Hürden hat der Organisationsstab um Georg Behlau, dem Chef des Büros Nationalmannschaft beim DFB, bereits gemeistert. Seit zehn Jahren, damals noch unter Bundestrainer Jürgen Klinsmann, arbeitet der kleine Stab inzwischen in ähnlicher Besetzung.

Elfmal war allein der turniererprobte Behlau persönlich zu Vorbesichtigungen und Vorgesprächen in dem riesigen WM-Land. «Brasilien ist noch mal eine besondere Herausforderung», gestand der 45-Jährige. Die Alten Herren des VfR 07 Limburg, bei denen er auch Zweiter Vorsitzender ist, mussten in den vergangenen Wochen ohne Behlau auskommen.

Der Großteil der 23 Tonnen Gepäck befinden sich bereits vor Ort, unter anderem 20 Trikotsätze, Trainingsausrüstung, Fitnessgeräte, Mountainbikes, Technik und medizinische Ausrüstung. Teamarzt Tim Meyer schlug sich mit den komplizierten Zollbestimmungen etwa bei der Mitnahme von Medikamenten herum.

Schon Anfang März musste alles genau nach Chargen-Nummern und Verfallsdatum angemeldet werden. «Die Einfuhrprozeduren sind extrem kontrollierend», klagte der Mediziner. Auch die Notfallstrecken bei Verletzungen und Erkrankungen stehen: Röntgen würde in Porto Seguro durchgeführt. Zu Kernspinuntersuchungen würden die DFB-Ärzte mit verletzten Spielern in eine Klinik nach Eunápolis fahren.

Meyer hatte sich auch dafür ausgesprochen, das DFB-Basisquartier nicht in direkter Nähe der deutschen Vorrunden-Spielorte Salvador, Fortaleza oder Recife zu beziehen. «Eine ganz extreme klimatische Wahl kam nicht in Betracht», begründete Meyer. So fiel die Wahl nach der Gruppenauslosung auf das einige hundert Kilometer weiter südlich an der Atlantikküste gelegene Santo André, unweit von Cabralia, dem Entdeckungsort Brasiliens.

Dort sind die Temperaturen auch im brasilianischen Winter durchschnittlich angenehmer, auch wenn für das Pfingstwochenende bis zu 28 Grad angekündigt sind. «Wir sind vom Campo Bahia als ruhigem Rückzugort und vom Konzept der kurzen Wegen überzeugt», erklärte Behlau.

Jeweils zwei Tage vor den Spielen wird das Team von Porto Seguro aus in die Austragungsorte der WM-Spiele fliegen und dort Hotels des Weltverbandes FIFA beziehen. «Da gibt es schon Veränderungen in der Vorbereitung. Wir spielen zum Beispiel mittags um eins. Da müssen wir unseren Rhythmus verändern, auch im Vorfeld um eins trainieren, die Mahlzeiten verändern», berichtete Löw.

Das führt auch insgesamt zu einem anderen Tagesablauf: «Die Spieler müssen früher aufstehen, daher früher schlafen gehen», verriet der Bundestrainer. Schwerfallen dürfte das kaum jemanden, denn in unmittelbarer Nähe des Campo Bahia gibt es kaum Möglichkeiten zum «Ausbüchsen». dpa

Deutschland vs. Armenien: Live heute abend ab 20.15 Uhr im ZDF