Schlechtes Jahr 2010 für Wein aus Deutschland

Wetterkapriolen haben den deutschen Winzern ihren Jahrgang 2010 vielerorts vermiest. Die Weingüter haben zwischen 30 und gar 50 Prozent weniger Traubenmost in die Keller fahren können als im Durchschnitt der vergangenen Jahre - was sich auch in den Preislisten bemerkbar machen wird. Der kalte Frühsommer und ein verregneter August sind der Grund für die kleinste Ernte seit 25 Jahren.    

Bei den spätreifen Sorten wie etwa dem Riesling konnten die ersten drei goldenen Oktoberwochen noch einigen retten. Da hätten viele Weinberge «noch die Kurve gekriegt», sagt Steffen Christmann, Präsident des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). «Mit der Qualität des Jahrgangs sind wir ganz zufrieden. Nur quantitativ ist es eine Katastrophe.»

Ist es zur Blütezeit zu kühl, dann setzen Reben weniger Trauben an. So war schon früh in der Saison klar, dass die Erntemenge nicht üppig ausfallen wird. Als dann der August quasi ein Totalausfall war - was Wärme und Sonne angeht - traf dies zusätzlich frühreife Rebsorten wie Müller-Thurgau oder Portugieser. Der Regen begünstigte zu allem Übel die Bildung von Fäulnis. Wer aber qualitativ gute Trauben verarbeiten will, muss vor der Lese die faulen Beeren herausschneiden - das kostet Zeit und bedeutet noch mehr Ertragseinbußen.   

«Auch Winzer, die immer viel Arbeit in ihre Weinberge stecken, sagen, dieses Jahr habe nochmal alles getoppt», sagt Sommelier Christian Frens. Mögliche Probleme sieht er bei den teils hohen Säurewerten im Most. Allerdings bekämen vor allem Spitzenwinzer dies gut in den Griff, und in Deutschland zählten mehr als 200 Betriebe zu dieser Kategorie. Nach seinen Worten war die Branche in den zurückliegenden Jahren etwas verwöhnt, was die Entwicklung der Trauben und Erntemengen angeht. Mit dem «Extremjahr 2010» gleiche sich das im Mittel wieder aus. «Nach all den angenehmen Jahrgängen ist dies jetzt wieder eine große Herausforderung», sagt er.    

Der Winzergenossenschaft Moselland fehlten rund 30 Prozent der üblichen Erntemenge, sagt Vorstandschef Werner Kirchhoff. Die Genossenschaft wird mit Trauben aus den Anbaugebieten Mosel, Rheinhessen, Nahe und Pfalz beliefert. Mit der Qualität seien die Winzer jedoch durchweg zufrieden: «Wir erwarten frische, fruchtige Weine mit aromatischer Struktur.» Der Vorstandsvorsitzende der Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft, Dieter Weidmann, erklärt: «Trotz der geringen Erntemengen sind wir mit den geernteten Qualitäten hoch zufrieden. Die Moste zeigen sich im momentanen Stadium noch verhalten und säurebetont, sind aber fruchtig, filigran und extraktreich.»    

Die kleine Ernte wird sich nach den Erwartungen der Experten auf die Preise auswirken - allerdings wohl nur moderat, sagt Kirchhoff. Auch Christmann kündigt an: «Diese Situation wird nicht ohne Preissteigerung über die Bühne gehen.» Mit dem handwerklich schwierigeren Jahrgang gebe es auch schlechte Nachrichten für Schnäppchenjäger: «Für wenig Geld einen tollen Wein finden, das wird es wohl nicht mehr geben.»    

Dennoch muss kein Weinliebhaber auf dem Trockenen sitzen. «Einige Winzer haben die Keller noch mit Weinen früherer Jahrgänge gut gefüllt», sagt Sommelier Frens. Reserven sind für das klassische Weingut wichtig. Schließlich müsse der Betrieb im Weinregal und auf den Weinkarten der Gastronomen präsent bleiben können, warnt Christmann. Wer nicht zuverlässig liefert, dem springen Kunden ab. (Andrea Löbbecke, dpa)

Deutscher Wein wird wegen Ernteeinbußen teurer

Deutscher Wein wird wegen dramatischer Ernteeinbußen in diesem Jahr voraussichtlich teurer. «Wir erwarten allerdings keine großen Preissprünge», erklärte die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Monika Reule, am Donnerstag. Dies sei auf dem international hartumkämpften Weinmarkt kaum möglich. Die deutschen Weinerzeuger werden in diesem Herbst voraussichtlich die kleinste Ernte seit 25 Jahren einbringen. Nach DWI-Schätzungen wird die Menge nur etwa sieben Millionen Hektoliter betragen.

Das ist rund ein Viertel weniger als der Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. Zudem verschärften vergleichsweise gute Ernteergebnisse in großen Importländern wie Frankreich und Spanien die Lage, erklärte Reule. Die deutsche Weinbranche müsse daher im kommenden Jahr voraussichtlich kämpfen, um ihre Marktanteile halten zu können. Qualitativ wird der deutsche Jahrgang 2010 vom DWI als gut eingestuft. Insgesamt gesehen fielen die 2010er Weine leichter aus als der Vorgängerjahrgang.

«Der Grund für die außergewöhnlich niedrigen Erträge liegt in erster Linie in dem geringen Fruchtansatz, der durch sehr kühle Temperaturen während der Rebblüte hervorgerufen wurde», erläuterte Weinbaupräsident Norbert Weber. Im kühlen und feuchten August verzögerte sich bei einigen Sorten die Reife, die Bildung von Fäulnis wurde begünstigt.

Um nur gesundes Lesegut in die Keller zu bekommen, mussten vor der Lese faule Trauben aus den Reben herausgeschnitten werden. «Dies war kein einfaches Jahr für unsere Winzer. Es hat ihnen starke Nerven und viel Geduld abverlangt», sagte Weber.

Anbaugebiet Ernteschätzung 2010 Differenz zu 2009

Ahr 33.000 hl +/- 0 %

Baden 900.000 hl -25 %

Franken 320.000 hl -29 %

Hess. Bergstraße 20.000 hl -35 %

Mittelrhein 23.000 hl -19 %

Mosel 675.000 hl -17 %

Nahe 265.000 hl -15 %

Pfalz 1.650.000 hl -30 %

Rheingau 170.000 hl -21 %

Rheinhessen 2.000.000 hl -22 %

Saale-Unstrut 31.000 hl 22 %

Sachsen 11.500 hl 12 %

Württemberg 800.000 hl -27 %

Deutschland 6.898.500 hl -25 %