Polen und die EM 2012

Von Andreas Heimann

Polen ist zusammen mit der Ukraine Gastgeber für die Fußball-Europameisterschaft 2012. Die deutsche Mannschaft spielt in der Vorrunde ausschließlich in der Ukraine, hat ihr Quartier aber in Danzig (Gdansk). Zu den Spielen zwischen dem 8. Juni und 1. Juli werden allein in Polen bis zu eine Million Besucher erwartet, die in den Stadien oder den Public-Viewing-Areas in Warschau, Danzig, Breslau (Wroclaw) und Poznan (Posen) die EM verfolgen.

Jan Wawrzyniak, Direktor des Polnischen Fremdenverkehrsamtes in Berlin, findet das Stadion in Danzig am schönsten, glaubt, dass die Hotelbetten reichen und hofft auf ein Finale zwischen Deutschland und Polen.

Ist es schlimm, dass die deutsche Mannschaft zunächst in der Ukraine spielt?

Wawrzyniak: «Für Polens Tourismus ist das nicht gerade erfreulich. Ich war nicht glücklich, als die Gruppen Anfang Dezember ausgelost wurden und feststand, dass die deutsche Mannschaft in der Vorrunde in der Ukraine spielt. Schon deshalb wünsche ich mir, dass die Deutschen weiterkommen, damit die deutschen Fans nicht nur in die Ukraine fahren.»

Kommen denn trotzdem viele Touristen zur EM?

Wawrzyniak: «Die Zahlen werden sicher hochgehen in diesem Jahr. Ich halte eher 800 000 EM-Gäste für realistisch, aber es gibt auch Schätzungen, die von einer Million ausgehen. In Polen spielen zum Beispiel Griechenland, Tschechien, Spanien, Italien, Irland und Kroatien. Griechen, Kroaten und Italiener, die in Deutschland leben, werden sicher als Fans kommen. Die deutsche Mannschaft ist in Danzig untergebracht. Das wird auch einige Fans anziehen.»

Reichen die Hotelbetten überhaupt?

Wawrzyniak: «Die Fans bekommen alle ein Bett. Es gibt in ganz Polen allein 2100 Hotels, 40 Prozent mehr als noch 2006. Für die Fans gibt es 400 000 Übernachtungsplätze in den vier Austragungsorten und der Umgebung. Es gibt auch Fancamps, in denen man übernachten kann, in Warschau mit 5000, in den anderen drei Städten mit 3000 Plätzen.

Explodieren die Hotelpreise zur EM?

Wawrzyniak: «Viele Hotels, vor allem in den Austragungsorten, haben die Preise erhöht. Manchmal sind sie noch höher als sonst zu Messezeiten. Aber ich rechne mit der Vernunft der Hoteliers. Bei der Expo 2000 waren die Preise am Anfang auch so hoch, dass niemand in Hannover übernachten wollte. Aber das hat der Markt sehr schnell geregelt. Ich habe gerade probeweise die Buchung eines Zimmers in Poznan versucht und ein Hotel für 45 Euro gefunden, das nur 400 Meter vom Stadion weg ist. Und in den Fancamps kann man schon für 25 Euro übernachten.»

Sind die Stadien schon fertig?

Wawrzyniak: «Doch, alle vier, nach einigen Verzögerungen als letztes auch das in Warschau, das am 29. Februar mit einem Länderspiel Polen gegen Portugal eröffnet wurde, 100 Tage vor dem Anpfiff der EM.»

Und, welches ist das schönste?

Wawrzyniak: «Als Posener müsste ich eigentlich sagen, das in Poznan. Aber ich gebe zu, das Stadion in Danzig sieht schon sehr gut aus. Die Bernsteinfarbe passt gut zu der Stadt. Das Stadion in Warschau steht an der Weichsel, gar nicht weit entfernt vom Ufer, das macht auch Eindruck.»

Wie beliebt ist Public Viewing in Polen?

Wawrzyniak: «Bisher gab es das fast gar nicht. Aber zur EM ist das in allen vier Austragungsorten an öffentlichen Plätzen möglich. Und ich kann mir gut vorstellen, dass das dort genauso beliebt sein wird wie in Deutschland. Das ist etwas Neues und schon deshalb attraktiv. Außerdem ist Sommer. Wenn das Wetter gut ist, werden das ein paar schöne Abende. In Warschau gibt es an der Fanmeile rund um den Kulturpalast Platz für 100 000 Menschen, in den anderen Orten wie rund um den Rynek in Breslau für 30 000 bis 40 000.»

Wie kommt man von einem Spielort zum anderen?

Wawrzyniak: «Die Flughäfen in allen vier Städten sind ausgebaut worden. Wir rechnen damit, dass allein zum Eröffnungsspiel in Warschau rund 30 000 Fans mit dem Flugzeug anreisen. Auch viele der polnischen Fans werden während der EM fliegen. Bei der Bahn hat sich in Polen ebenfalls vieles verbessert. Die Strecke von Warschau nach Danzig wurde modernisiert, die Fahrzeit verkürzt sich von sechs auf gut vier Stunden. Von Berlin nach Poznan schafft man es in zwei Stunden und 45 Minuten.»

Wie steht es mit den neuen Autobahnen?

Wawrzyniak: «Da ist noch nicht alles fertig und wird auch nicht alles fertig bis zur EM. Die A1 zum Beispiel, die von Danzig nach Lodz führen soll, ist bisher nur bis Torun gekommen. Die A2 von Berlin bis Lodz ist seit Dezember freigegeben. Das restliche Stück zwischen Lodz und Warschau, etwa 90 Kilometer, wird zur EM befahrbar sein, allerdings nicht auf dem Niveau einer Autobahn. Und die A4 hinter Krakau Richtung Ukraine wird nicht rechtzeitig fertig.»

Und was erhoffen Sie sich fußballerisch?

Wawrzyniak: «Polen ist in Gruppe A mit Russland, Griechenland und Tschechien. Das ist schon mal nicht schlecht für uns. Die Vorrunde dürften wir überstehen. Mein Traum ist dann natürlich ein Endspiel Polen gegen Deutschland, obwohl das Finale in Kiew sein wird und nicht in Warschau. Polen hat schon gezeigt, dass es für Überraschungen gut ist, bei der WM 1974 zum Beispiel, als wir den dritten Platz belegt haben, genau wie bei der WM in Spanien 1982.» dpa

Das Hotel der Nationalmannschaft