Klima Wärme kann Riesling und Fichten zusetzen

Von Jasper Rothfels

Der Anstieg der Temperaturen könnte Bäumen wie der Fichte nach Ansicht des Experten Ulrich Matthes künftig zu schaffen machen. Und auch am Riesling gehe die zunehmende Erwärmung möglicherweise nicht spurlos vorbei, sagt der Leiter des Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen im Interview.

Wenn man sich die Klimadaten der vergangenen Jahre anschaut, was überrascht da am meisten?

Der nach oben gehende Temperaturtrend. Wir hatten in den letzten 20 Jahren immer überdurchschnittlich warme Jahre. Wenn wir jetzt den Zeitraum von 1951 bis heute in Rheinland-Pfalz betrachten, dann zählen von den letzten 20 Jahren 18 zu den wärmsten. Und dieses Jahr ist tendenziell auch ein überdurchschnittlich warmes Jahr mit überdurchschnittlichen Niederschlägen, wenn man vom Frühjahr absieht. Wir haben heute die aktuellen Daten des Deutschen Wetterdienstes bekommen. Was noch überrascht, ist die Wechselhaftigkeit des Wetters. Es scheint so zu sein, dass die zugenommen hat.

Die Rede ist ja oft vom Klimawandel, der vom Menschen gemacht wird. Beobachten Sie Auswüchse davon in Rheinland-Pfalz?

Ich bin überzeugt davon, dass wir den von Menschen gemachten Klimawandel hier in Rheinland-Pfalz bereits beobachten können. Zum einen anhand der Messdaten, also in Form des Temperaturanstiegs und einer Zunahme extremer Wetterereignisse. Aber auch anhand neuer Tierarten, dazu zählen Mückenarten, dazu zählen aber auch Vogelarten wie der Bienenfresser, die verstärkt aus dem Mittelmeerraum kommen. Zudem finden Laubaustrieb, Knospenaustrieb, Blüte und Fruchtbildung früher statt. Und die Vegetationszeit ist insgesamt länger geworden.

Wird es denn für manche Baumarten hier schwierig werden?

Nach unseren Betrachtungen müssen wir davon ausgehen, dass an kühlere und feuchtere Verhältnisse angepasste Baumarten wie insbesondere die Fichte leiden werden.

Andererseits wird ja auch gesagt, dass dann weiter nördlich Weinbau getrieben werden kann. Ist es schon soweit?

Es gibt erste Versuche. Bisher konnte man sagen, dass auf der Nordhalbkugel Weinbau zwischen dem 40 und 50 Breitengrad möglich war. Das scheint sich jetzt weiter nach Norden und in größere Höhenlagen zu verschieben. Außerdem ist ein Trend zu Rotweinsorten festzustellen - und dass wir im Prinzip in den letzten 20 Jahren keine «unreifen» Jahre mehr hatten. So eine Ausreifung beim Wein gab es in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht.

Warum ein Trend zu Rotwein?

Die Weißweinsorten, die gegenwärtig bei uns überwiegen, gehören zu den cool-climate-Sorten. Das heißt, wir haben ein eher kühleres Klima, das optimale Bedingungen für Sorten wie Riesling oder Weißburgunder bietet. Rotweinsorten brauchen mehr Wärme in der Vegetationszeit von April bis Oktober. Jetzt merkt man zunehmend, dass es Jahre gibt, wo dieser Bedarf erfüllt wird.

Was bedeutet das für den Riesling?

Der kommt auch künftig klar. Man hat auch in Frankreich Riesling, trotz höherer Wärmesumme. Aber es könnten typische Eigenschaften auf bestimmten Standorten verloren gehen. Es könnte zum Beispiel ein zu hoher Zuckergehalt, ein zu hoher Alkoholgehalt auftreten. Das merken wir auch schon seit einigen Jahren. Typische Aromastoffe könnten verloren gehen, darunter könnte der Riesling leiden. Man müsste dann versuchen, auf die eher kühleren Lagen auszuweichen.

Das heißt, in die Höhe zu gehen?

Ja, möglicherweise auch das. Der Standort und das Mikroklima müssen natürlich auch passen. Und dass man Lagen wählt, die bislang noch nicht so stark von der Sonne verwöhnt sind. Und dann muss eine neue Reblagenbewertung kommen. Es wird ja schon diskutiert, welche Lagen für welche Rebsorten dann besonders gut geeignet sind, damit sich die typischen Eigenschaften entwickeln. Aber in den nächsten 20 bis 25 Jahren müssen sich die Winzer wohl noch nicht in die Höhe aufmachen. Erst ab der Jahrhundertmitte geht der Temperaturtrend steil nach oben. dpa

ZUR PERSON: Ulrich Matthes (47), promovierter Forstwirt, ist seit 2001 bei der Forschungsanstalt für Waldökologie in Trippstadt im Pfälzerwald. 2010 übernahm er die Leitung des neuen Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrums für Klimafolgen, das die Entwicklung im Land beobachtet.