World Travel Trends Report ITB im Zeichen des digitalen Wandels

Von Philipp Laage

In jedem Jahr lässt sich die touristische Lage der Nation wie folgt zusammenfassen: Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen. Die Stiftung für Zukunftsfragen hat das zuletzt wieder in ihrer Tourismusanalyse bestätigt: Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) kann dieses Ergebnis in ihrer neuesten Reiseanalyse nur bestätigen. Die Studie wird wie jedes Jahr detailliert auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin vorgestellt (4. bis 8. März). Auf der weltgrößten Reisemesse dürfte die Stimmung der Branche also recht heiter sein - den Senioren sei dank.

Dass der Reisemarkt auf hohem Niveau weiter wächst, liegt nämlich vor allem an der Generation «65 plus». Sie ist so reisefreudig wie noch nie: Vor zehn Jahren verreisten 44 Prozent aller Ruheständler, heute ist fast jeder Zweite (49 Prozent) wenigstens fünf Tage im Jahr unterwegs, so die Zahlen der Tourismusanalyse. Ohne die Zielgruppe der Rentner habe es die Branche heute schon schwer, erfolgreich zu sein, teilte Ulrich Reinhardt, der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, mit. Die Reiseveranstalter müssen sich also vor allem um junge Kundschaft bemühen.

Vor allem die jüngere Generation nutzt auf Reisen verstärkt das Internet und Angebote außerhalb der etablierten Reiseindustrie: «Privatunterkünfte sind die Gewinner der Reisesaison 2014», sagt Martin Buck von der ITB. Er benutzt für diesen Markt den Begriff «Parahotellerie». Deren Marktanteil sei in den vergangenen fünf Jahren um 35 Prozent gestiegen. Das etwas schwammige Hype-Wort der diesjährigen ITB lautet deshalb: Sharing Economy.

Sharing heißt Teilen - das Wort lässt sich als das Gegenteil von Konsumieren verstehen. In dieser Welt schläft der Urlauber bei Privatleuten und nicht im Hotel, bei der Wahl seiner Destination nutzt er die Bewertungen anderer Urlauber statt der Empfehlung aus dem Reisebüro, und er braucht keinen Reiseleiter, weil er sich Städte und Regionen anhand von Tipps aus dem Netz selbst erschließt.

«Die Sharing Economy spielt eine immer wichtigere Rolle», sagt Buck. Deren maßgeblichen Repräsentanten und andere Internetfirmen werden auf der ITB vertreten sein: etwa der Wohnungsvermittler Airbnb oder das Reiseportal Booking, dessen Name manchem Touristiker nur mit einer gewissen Geringschätzung über die Lippen geht. Beim Deutschen Reiseverband (DRV) bezeichnet man die neuen Player als «Impulsgeber von außen» - so formuliert es Sprecherin Sibylle Zeuch.

«Der digitale Wandel nimmt große Bereiche ein. Technologie verändert die Branche, jeder will mithalten», sagt Zeuch. «Die Veränderung merken wir an einem immer stärkeren Zusammenwachsen und Verschmelzen von Online und Offline.» Es gehe darum, den Reisenden überall dort zu erreichen, wo er ist. «Das ist natürlich eine große Herausforderung, der sich alle Marktteilnehmer stellen müssen.» Veranstalter wie Tui, Thomas Cook und DER Touristik bieten ihren Kunden seit einiger Zeit mehr digitale Services - mit eigenen Apps, virtuellen Zusatzinfos zum Reisekatalog und Social-Media-Kampagnen, die den Urlauber einbinden.

Einer der großen Reisetrends sind nach wie vor Kreuzfahrten. Das Wachstum lag im vergangenen Jahr im zweistelligen Bereich. Aktuelle Daten liefert auf der ITB die alljährliche Kreuzfahrtanalyse. «Der Hochseekreuzfahrtenmarkt wächst. Da sind wir gespannt auf die Zahlen», sagt Sibylle Zeuch. Schließlich gebe es immer noch genug Menschen, die bisher keine Kreuzfahrt unternommen haben. Auch der Markt für Flusskreuzfahrten erhole sich langsam wieder. Hier gab es zuletzt etliche Probleme, von Hochwasser bis Schleusenstreiks.

Einen weiteren Trend, der sich auch auf der ITB zeigen wird, sind Buck zufolge Städtereisen. Die Zahlen des ITB World Travel Trend Report 2014/15 bestätigen dies: Die Zahl der Städtereisen weltweit hat in den vergangenen fünf Jahren um 58 Prozent zugenommen. Reisen in Städte haben mittlerweile einen globalen Marktanteil von 20 Prozent. Wesentliche Gründe für den Boom sind nach Ansicht der Studienautoren die Expansion der Billigflieger und zunehmend günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Hier spielen wieder die Privatunterkünfte eine entscheidende Rolle, wie Buck erklärt.

An den liebsten Reisezielen der Deutschen hat sich wenig geändert. «Die Klassiker rund ums Mittelmeer bleiben natürlich wichtig», sagt Zeuch. Der Name eines Landes fällt immer, wenn es um die am stärksten nachgefragten Ziele geht: Griechenland. Kein anderes Land hatte 2014 höhere Zuwachsraten, mittlerweile liegt das Buchungsniveau auf Vorkrisenniveau und dürfte weiter wachsen. Daran wird nach Ansicht des DRV auch die neue politische Führung des Landes wenig ändern: Bislang gebe es keine Anzeichen, wonach sich am Aufwärtstrend bei den Gästezahlen aus Deutschland etwas ändere, so Zeuch.

«Griechenland war der touristische Gewinner des vergangenen Jahres. Es spricht viel dafür, dass dies in der kommenden Saison auch so ist», bestätigt ITB-Vertreter Martin Buck. «Griechenland wird sich sehr stark auf der ITB präsentieren.»

Auch der ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou wird auf der ITB wieder für sein Land werben. «Ägypten erholt sich gerade sukzessive», schildert Zeuch die Entwicklung. «Die Zeichen stehen auf einer weiteren Erholung.» Tatsächlich haben zahlreiche Veranstalter ihre Kapazitäten für den Sommer erhöht. Selbst die bislang kaum laufenden Flusskreuzfahrten kommen dem DRV zufolge langsam wieder in Fahrt. Und ein anderes Land des arabischen Frühlings, Tunesien, wird sich mit einer neuen Tourismusministerin auf der ITB vorstellen. «Tunesien erholt sich immer weiter», sagt Zeuch.

Die Nachfrage nach den Emiraten ist weiterhin groß. Die reichen Golfstaaten hätten auf der Messe gerne noch mehr Platz, um sich zu präsentieren. «Aber da sind wir an der Kapazitätsgrenze angekommen», berichtet Buck. Auch der Iran hat in diesem Jahr ein großes Hallen-Segment geblockt. Bei Studiosus legte das Land im vergangenen Jahr um 400 Prozent zu - freilich von einem niedrigen Ausgangsniveau. «In Hinblick auf die politische Großwetterlage ist das aber eine spannende Entwicklung», sagt Buck.

Und wo lohnt es sich sonst hinzuschauen? «Deutschland-Tourismus ist und bleibt ein großes Thema. Die großen Städte, aber auch die kleinen Regionen arbeiten ständig an neuen Konzepten», sagt Zeuch. Kein Wunder: Die meisten Deutschen machen im eigenen Land Urlaub.

Der aufgewertete Schweizer Franken sei durchaus ein Thema, sagt Zeuch. Das Land sei aber bisher schon als hochpreisige Destination bekannt gewesen. Die Touristiker des Landes dürften sich derzeit jede Menge Gedanken machen, wie sich deutsche Urlauber trotz der hohen Preise in das Alpenland locken lassen.

Partnerland ist in diesem Jahr die Mongolei. Es wird die Eröffnungsfeier am Vorabend der ITB gestalten und während der Messe in mehreren Hallen vertreten sein. Am Eingang Süd empfängt eine mongolische Jurte die Besucher. Die Mongolei strebt nach touristischer Geltung: Die Flugkapazität hat sich zwischen 2003 und 2013 nach Angaben der ITB auf 800 000 Gäste verdoppelt. Direktflüge gibt es auch ab Deutschland. Die Reiseinfrastruktur soll in den kommenden Jahren weiter modernisiert werden. dpa