Hotel Liberty Offenburg Der Schlüssel zur Freiheit

Unübersehbar leuchtet das Motto des Luxury Boutique Hotels über der Lobby: "Liberty is the key to feel free" bringt gleichzeitig den Geist und das gestalterische Leitmotiv des Hotels auf den Punkt. Der stilisierte alte Schlüssel ziert das Logo, zieht sich durch das Storytelling und taucht immer wieder in der Bildsprache auf. Schließlich war dieses 1840 errichtete Gebäude einst ein Ort der Unfreiheit, an dem Menschen, die frei dachten, genau deswegen eingesperrt wurden. Die ersten Gefangenen in dieser ehemaligen Justizvollzugsanstalt in Offenburg waren die badischen Revolutionäre und Vordenker der Freiheit und Demokratie mit ihrer Vision vom freien, vereinten Deutschland. Nur ein paar Straßen entfernt vom Hotel befindet sich der berühmte Salmensaal, in dem während der Revolution von 1848/49 ein Grundrechte-Katalog mit den "13 Forderungen des Volkes Baden" verlesen worden war und in dem heute eine Dauerausstellung zu fast 200 Jahren Demokratiegeschichte zu sehen ist.

Vom Gefängnis in die Freiheit

Museal wirkt das Hotel Liberty dennoch nicht. Mit viel Liebe zum Detail haben die Architekten den massiven Mauern der ehemaligen JVA neues Leben eingehaucht und Alt und Neu auf wunderbare Weise verbunden. Insbesondere weil die Eigentümer, die Funk Holding mit den Brüdern Christian und Dietmar Funk, auf der Erhaltung des historischen Charakters bestanden, statt ihn zugunsten  des ursprünglich geplanten Mittelbaus mit noch mehr vermietbaren Quadratmetern zu opfern. Sie entschieden sich für einen filigranen Glaskörper, der sich über den ehemaligen Gefängnishof erstreckt und die Lobby, das Restaurant und die Bar beherbergt. Die später hinzugezogenen Innenarchitekten von Knoblauch-Design entwickelten das Zimmerdesign, die Firma Trend Concept aus Offenburg setzte das kunstvolle Architekturprojekt um. Im Oktober 2017 eröffnete das Designhotel an der Grabenstraße und zählt auch sechs Jahre später noch zu den bemerkenswertesten Hotelprojekten in Deutschland. 

Dachsuite - Foto: Hotel Liberty

Liebhaberobjekt statt Gewinnmaximierung 

Bemerkenswert nicht nur wegen der Gefängnishistorie und dem Spannungsfeld, das zwischen der Enge der alten Mauern und modernem Luxus entsteht, sondern auch wegen der Fröhlichkeit und Offenheit, die das Hotel heute ausstrahlt. In einem sich sofort aufdrängenden Vergleichsprojekt, der Wilmina in Berlin, wurde das Thema Gefängnis stilistisch anders umgesetzt. Die Architekten Grüntuch Ernst entschieden sich dort, die Enge (einiger) Zellen und das Düstere des Ortes partiell und in Form einer ausgesprochen puristischen Renovierung beizubehalten, während das Hotel Liberty spielerischer damit umgeht und mehr auf Luftigkeit und Lebensfreude setzt.

Unzählige Mauern wurden eingerissen, geräumige Zimmer und eine großzüge Lobby entstanden - das Hotel hat nicht nur Wow-, sondern auch Wohlfühlcharakter: Lichtdurchflutete Zimmer, bequeme Boxspringbetten und eine Vielzahl kleiner Gesten lösen einen spontanen "Home-far-away-from-home"-Moment aus. Von der handgeschriebenen Begrüßung auf dem Spiegel bis hin zum Begrüßungssekt und der Kuscheltier-Kellerratte auf dem Bett atmet das Haus Individualität, Gastfreundschaft und die Liebe zum Besonderen. Man spürt, dass es sich hier um ein  Liebhaberobjekt handelt, das nicht auf Gewinnmaximierung, sondern vielmehr darauf abzielt, den Gästen ein ganz besonderes Erlebnis zu bieten.

Dazu gehört auch die für Designhotels typische Technikverliebtheit mit steuerbaren Toiletten, abgefahrenen Armaturen und einem komplexen Lichtsystem, das sich durch viel Ästhetik, aber auch eine gewisse Erklärungsbedürftigkeit auszeichnet. Hoteldirektor Christian Henninger sieht darin kein Problem: "Es wäre dem Design nicht zuträglich, wenn wir langwierige Erklärungen ins Zimmer legen würden" sagt der Offenburger. Er setzt auf Kommunikation. "Wer etwas nicht versteht, kann ja fragen - wir sind 24 Stunden erreichbar."

Foto: Hotel Liberty

Von wegen Wasser und Brot

Tatsächlich ist das Personal ausgesprochen freundlich und gut informiert, auch im Restaurant mit dem schönen Namen "Wasser und Brot". Beides gibt es dort, aber beileibe nicht nur. Der ehemalige Souschef Dakota Wyneken (als Amerikaner heißt er wirklich so) fungiert seit dem 1. April als Küchenchef. Ein Geschenk für das Restaurant, das selbst an einem normalen Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt war. Auf der Karte stehen neben Fleisch und Fisch auch viele kreative Gemüsegerichte aus der fruchtbaren Ortenau, einem wahren Füllhorn an heimischen und regionalen Köstlichkeiten und wunderbaren Weinen wie dem Geheimtipp aus der Nachbarschaft, das aufstrebende Weingut Schloss Ortenberg.

Großes Aromenspektrum

Schon bei den Vorspeisen zeigt der erst 29-jährige Küchenchef sein bemerkenswertes Spektrum: Ein modernes Millefeuille, das ganz puristisch auf die erdige Note von roter Beete setzt, steht einer Forelle gegenüber, die trotz der ungewöhnlichen Kombination mit Tomatensud, Büffel-Mozzarella, Quittengelee und Tapioka Chip eher traditionell daher kommt, aber deshalb nicht minder köstlich schmeckt. Die für mich aufregendste der gewählten Vorspeisen war das Lauch-Mosaik, das mit schwarzem Sesameis, Nori Chip und Ziruscrème durchaus Sternepotenzial hat. Darauf angesprochen, betont der ambitionierte Chef, dass er dem grundsätzlich nicht abgeneigt sei - aber nicht im Wasser und Brot. Das Restaurant war nämlich ursprünglich mit einem Sternekoch gestartet - und gescheitert. Das neue Konzept wird laut Hoteldirektor Henninger viel besser angenommen, auch von den bodenständigen Offenburgern selbst.

Foto: Gesa Noormann

Role Model für die Gastronomie

Das ist wichtig, denn von den Gästen der 38 Zimmer allein könnte es schwerlich überleben. So gilt es, die unterschiedlichen Bedürfnisse vom internationalen Gast bis zu den lokalen Feinschmecker:innen zu bedienen. Ein Spagat, der nur wenigen Hotelrestaurants gelingt und angesichts schwieriger Zeiten für die Gastronomie geradezu als Role Model dienen könnte. Auch bei den Hauptgerichten ist vom traditionell bayrischen Steckerlfisch bis zur französisch angehauchten Wachtel im Rosmarin-Karamellschaum für jeden Geschmack etwas dabei. Auch ein (fair kalkuliertes) Menü steht auf der Karte, interessanterweise enthält es allerdings nicht die experimentiellen Signature Dishes, sondern eher konventionelle Gerichte für eine Art Halbpension de luxe. Alle Fleisch- und Fischgerichte werden auf dem offenen Grill vor den Augen der Gäste zubereitet. Das sieht nicht nur gut aus, sondern ist vor allem dem Aufbau der Küche und seiner eben eher auf Wasser und Brot ausgelegten Gefängnisküche geschuldet - sie war für die heutigen Bedürfnisse schlicht zu klein.

Küchenchef Dakota Wyneken mit Autorin Gesa Noormann - Foto: Niko Rechenberg

Und so schließt sich auch beim Restaurant der Kreis von den historischen Vorgaben zu unseren modernen Bedürfnissen, oder anders gesagt: Wie man aus der Not eine Tugend macht und ein Gefängnis zum Symbol für Freiheit wird. 

Hotel LibertyZimmer ab 180 Euro, Frühstück 19,50 Euro.

Restaurant Wasser und Brot: Vorspeisen 12-21 Euro, Hauptspeisen 18-49 Euro, Lunch ab 21 Euro für 2 Gänge, Dinner ab 69 Euro für vier Gänge