Anders kochen

Von Susanne Kupke

Er kocht in TV-Shows oder im Spiegelzelt und ist als Clown für Kinder-Charity-Projekte unterwegs. Seit Sören Anders vor vier Jahren vom Gastroführer Guide Michelin zu Deutschlands jüngstem Sternekoch gekürt wurde, mischt er mit jugendlichem Charme die Branche auf.

Dass der Koch-Entertainer durchaus auch sein Handwerk versteht, hat auch die andere Restaurant-Bibel honoriert: Vom Gault Millau ist der 28-jährige Chef des Karlsruher Lokals «Anders auf dem Turmberg» zum Aufsteiger des Jahres in Baden-Württemberg gekürt worden. Er selbst will vor allem eins bleiben: locker und anders.

Gar nicht so einfach in einem Stress-Job, von dem ihm sein Vater zunächst abgeraten, doch später unterstützt hatte. Zwar ist Anders tatsächlich manchmal schon frühmorgens am Herd oder noch im Dunkeln auf dem Großmarkt. Aber das ist die Ausnahme. «Wir haben sehr gute Lieferanten», sagt er.

«Normalerweise stehe ich zwischen 7.00 und 8.00 Uhr auf. Und wenn ich Glück habe, bin ich so gegen 1.00 Uhr im Bett.» Dazwischen organisiert er seit gut eineinhalb Jahren sein Lokal hoch über Karlsruhe. Schließlich trägt er als Chef die Verantwortung über 26 Mitarbeiter im Winter und 36 im Sommer.

Allein das Koch-Team umfasst zehn Köche für Gourmet-Restaurant, Brasserie, Turmberg-Terrasse und das Spiegelzelt des «Crazy Palace» unten auf dem Messplatz. Gekocht wird sieben Tage die Woche. Anders ist auch bei Fernsehshows wie «ARD Buffet» oder «ZDF Fernsehgarten» und bietet Catering an.

Nicht nur für seine 28 Jahre ist das eine ganz schön steile Karriere. Vorhersehbar war das so nämlich nicht. «Ich bin in einer Friseur-Familie aufgewachsen: Opa, Oma und Mama sind Friseure, Papa ist Manager. Alle völlig kochfremd.» Auch in der Schule war Sören Anders nach eigenem Bekunden alles andere als ein Überflieger. «Ich war eher der Entertainer.» Manch Lehrer wundert sich wohl heute noch, «dass es funktioniert hat mit mir».

Anders ist eben anders. Auf Schule hatte er keinen Bock, er verließ sie mit Realschulreife. Die Meisterschule in Heidelberg absolvierte er dafür mit Bestnoten. Wer bei ihm als Koch anfangen will, braucht keine guten Noten. Nicht mal einen Abschluss. «Was zählt, ist Charakter, Willensstärke und Sozialkompetenz. Wir sind Handwerker und in gewisser Weise frei schaffende Künstler», sagt Anders, der sich die kulinarischen Feinheiten bei Sterne-Köchen wie Jörg Sackmann in Baiersbronn (Kreis Freudenstadt), Helmut Thieltges in Wittlich und Thomas Bühner in Osnabrück abschaute.

Kocht so einer überhaupt noch für Normalos? «Jeder Gast ist König», versichert Anders. «Ich und mein Team kochen nicht für Restaurant-Kritiker, sondern für Gäste.» Sei es das Mehrgänge-Menü im Gourmet-Restaurant oder die Heilbuttschnitte mit Safranschaum in der etwas günstigeren Brasserie: «Es kommt alles aus einer Küche.»

Auch in seinem gerade erschienenen ersten Kochbuch zeigt Anders Bodenhaftung: mit Apfelpfannkuchen von seiner Tante Anni.

Anders, am 8. Dezember 1985 im hessischen Haiger geboren, will sein Leben «nicht nach den Sternen richten». Ein Michelin-Stern ist schon ok. Aber: «Ich sag's mal so: Wenn der eine Stern sich ein bisschen einsam fühlt, dann holen wir uns halt noch den zweiten.»

Unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet Anders schließlich nicht. Vorbilder? «Wenn man sich an ein Vorbild hält, steht man immer im Schatten. Ich möchte eigenständig was machen.»

Die Gourmet-Tester von Gault Millau bescheinigten Anders einen «Hang zur Großspurigkeit» bei öffentlichen Auftritten. Weil sie den jungen Koch in seinem Restaurant aber als «sympathisch und bescheiden» erlebten, verziehen sie ihm das. Wohl auch, weil sie von dessen «vielfältigem Repertoire» hingerissen waren - von Langoustine mit Aprikosenspalten und Estragoneis über Rotbarbe mit Petersilienschaum bis hin zum badischen Rehrücken.

Großspurig? Anders nimmt das locker und grinst: «Stand ja nicht großspuriges Arschloch drin. Und im Vergleich zu Kollegen bin ich ja noch milde weggekommen. Immerhin habe ich 17 von 20 Punkten für höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung bekommen. Von Kritikern muss man sich eben einiges gefallen lassen.» dpa

Auch Sterne-Koch Sören Anders schaut noch ins Kochbuch

Im Interview verrät er, was einen guten Koch ausmacht.

Wie wird man Sterne-Koch?

Man sollte einfach das machen, was einem Spaß macht. Punkt. Und wenn man Glück hat, gefällt das auch dem Gast.

Was macht einen guten Koch aus?

Die Rohstoffe. Ohne ein Qualitätsprodukt als Grundlage ist der beste Koch eine Niete.

Ihr Erfolgsrezept?

Wir konzentrieren uns auf heiß, lecker und sauber - sauber heißt vor allem, dass ich ein sauberes ordentliches Produkt anbiete.

Ist Fleisch ein Muss?

Ich persönlich esse sehr wenig Fleisch. Perlgraupen und Gemüse tun es auch. Wer sagt denn, dass man 500 Gramm Fleisch auf dem Teller haben muss? 100 Gramm reichen. Man muss ja nicht vom Fleisch satt werden, es gibt auch noch Beilagen.

Kochen nur Anfänger mit Kochbuch?

Nein. Wer nach Kochbuch kocht, muss nicht schlecht sein: Ein Brioche zum Beispiel kann man nicht ohne Rezept machen. Das ist akribisches Arbeiten. Es gibt aber Leute, die kochen lieber frei. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Was kocht der Sterne-Koch privat?

Wenn überhaupt, dann nix Aufwendiges. Der Apfelpfannkuchen meiner 90-jährigen Tante Anni gehört noch immer zu meinen Lieblingsrezepten. Er ist relativ einfach zu machen: Man braucht ein paar Eier, ein bisschen Mehl, Milch und ein paar Äpfel zu Hause. Die habe ich schon im Alter von drei, vier Jahren gemacht.

In seinem Kochbuch «Anders kochen» stellt Sören Anders mehr als 40 Lieblingsrezepte auf 224 Seiten vor, Preis: 19,95 Euro, soerenanders.de