Von Jens Albes
Romantische Flussschleifen, Schlösser und Burgen, Höhenblicke auf Züge und Schiffe wie in einer Spielzeuglandschaft: Der Rheinsteig gilt vielen als einer der schönsten Fernwanderwege Deutschlands. 320 Kilometer lang geht es rechtsrheinisch zwischen Wiesbaden und Bonn durch viele Seitentäler bergauf und bergab.
Am 8. September feiert der zertifizierte Premiumwanderweg seinen zehnten Geburtstag. Auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein hoch über dem Rhein werden dann die grünen Vizeregierungschefs von Rheinland-Pfalz und Hessen, Eveline Lemke und Tarek Al-Wazir, erwartet.
Eine exakte Statistik fehlt, aber der Leiter des Rheinsteig-Büros der Romantischen Rhein Tourismus GmbH in Koblenz, Frank Gallas, schätzt die Zahl der Wanderer auf mindestens 250 000 pro Jahr - und somit auf 2,5 Millionen seit der Eröffnung des «Premiumwegs». Dem lokalen Gastgewerbe habe die Eröffnung des Rheinsteigs 2005 in den drei Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen eine Umsatzsteigerung von vermutlich 10 bis 30 Prozent gebracht.
Vor allem das Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal zwischen Rüdesheim und Koblenz mit der wohl höchsten Burgendichte der Welt hat eine internationale Sogwirkung. Michael Jarmuschewski, Vorstandsmitglied des Deutschen Wanderinstituts in Marburg, sagt: «Ich höre da auch öfter englische und spanische Töne.»
Bundesweit sei Wandern wieder beliebter geworden. «Es gibt mehr Premiumwanderwege. Und persönliche schöne Wandererlebnisse können sich heute über das Internet rasend schnell unter Tausenden verbreiten», erklärt der Diplom-Geograf. «Auch bei unter 30-Jährigen gilt es nicht mehr als uncool zu sagen: «Ich gehe wandern».»
Einer, der gerne zum Rheinsteig aufbricht, ist etwa der Bankmitarbeiter Oliver Dillmann aus Eltville in Hessen. «Der Weg ist landschaftlich einfach schön. Und man kann immer ins Tal absteigen und mit dem Zug zurückfahren. Damit habe ich die doppelte Reichweite.» Der 46-Jährige ergänzt mit Blick auf die vielen Gaststätten: «Und die nächste Riesling-Schorle ist auch nie weit.» Viele Hotels bieten zudem Gepäcktransporte von einer zur anderen Etappe an.
Ein als Flusslauf stilisiertes «R» und der Schriftzug «Rheinsteig» dienen als Wegmarkierung an den Pfaden über Weinberge und Wiesen und durch Wälder und Felsen. Mehr als 1000 große Schilder gibt es. Von den kleineren Zeichen hätten Souvenirjäger schon Hunderte stibizt, sagt Gallas. Daher seien mittlerweile sehr viele Markierungen mit Forstfarben auf Bäume gesprüht worden.
Wanderbücher teilen die 320 Kilometer in 17 bis 24 Tagesetappen ein. «Viele erwandern sich eine Etappe nach der anderen über Jahre hinweg», erklärt Gallas. Die Stempelhefte zur Dokumentation der absolvierten Abschnitte würden allmählich von einer digitalen Schnitzeljagd mit einer Handy-App abgelöst. Dabei erfasst das Smartphone beim Wandern automatisch Pins, also virtuell definierte Punkte am Weg. Dafür können Wanderer Belohnungen einheimsen - je nach Zahl der Pins vom Schlüsselband bis zur Schifffahrt.
Nicht alles ist positiv am Rheinsteig. Manche Gasthäuser sind sichtlich noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Auch am Felsplateau der weltberühmten Loreley wirkt es ein bisschen altbacken - es soll dort allerdings nun mit einer Millionensumme moderner werden.
Störend kann zudem der Verkehrslärm sein: Europas wohl meistbefahrene Güterzugstrecke führt rechtsrheinisch durch das Flusstal, hinzu kommen die zweite Bahnstrecke am anderen Ufer und die beiden Bundesstraßen.
Meist verläuft der Rheinsteig jedoch auf den Höhen - und dann ist der Krach weniger zu hören. Gallas hat noch einen Tipp: «Schön ist es auch, nach einer Etappe mit dem Schiff zurückzufahren. Mit einem Glas Wein auf Deck lässt sich die erwanderte Landschaft viel besser sehen als mit dem Zug vorbeizurauschen. Das ist ein schöner Abschluss.» dpa