Als der Joghurt in das Eckige kam

Von Leticia Witte

Ab sofort sollte alles leichter und leiser werden: Als ein Berliner Unternehmen vor 50 Jahren seinen Joghurt zum ersten Mal in Kunststoffbechern und nicht mehr nur im Glas auf den Markt brachte, ging es vor allem um weniger Gewicht und Lärm. So erinnert sich Hans-Günter Müller, der Anfang der 1960er Jahre bei der Berliner Meierei-Zentrale an der Entwicklung der neuen, eckigen, weißen und damals noch ohne Werbung bedruckten Becher beteiligt war. «Es war wesentlich einfacher geworden.»

Bei der nächtlichen Auslieferung der Molkerei-Produkte klirrte und krachte es ab Mai 1963 nicht mehr so stark - neben den Glasflaschen mit Milch gab es ja die leisen Joghurtbecher. Außerdem habe die Firma nicht mehr aufwendig Leergut reinigen und neue Gläser beschaffen müssen, erklärt Müller. Ein Jahr, bevor die Berliner Meierei-Zentrale - die es heute nicht mehr gibt - die Becher anbot, gab es allerdings bereits Lünebest-Joghurt aus Lüneburg im Kunststoffbehälter.

Der Becher hat sich weitgehend durchgesetzt. Wer heute Joghurt kauft, greift meist zu dieser glatten Verpackung. Allerdings ist das zunehmend ein Problem geworden. Nach Angaben des Umweltbundesamtes in Dessau stieg in Deutschland die Menge an Kunststoffabfällen allein von 2009 bis 2011 um 10,5 Prozent auf 5,45 Millionen Tonnen. Zahlen zum Anteil der Joghurtbecher daran lägen nicht vor, heißt es. Von der genannten Menge seien 99 Prozent der Abfälle verwertet worden.

Angesichts dieser Müllberge werden Umweltschützer nicht müde, ihre Kritik zu äußern. Auch Joghurtbecher haben sie ins Visier genommen. So lag die Deutsche Umwelthilfe mit dem Lebensmittelkonzern Danone im Rechtsstreit. Es ging um eine Verpackung aus dem aus Maisstärke hergestellten Kunststoff Polyactid (PLA). 2011 einigten sich beide Seiten: Danone kündigte an, vorerst auf die Bezeichnung «neuer, umweltfreundlicher Becher» zu verzichten.

Die umstrittene Verpackung sei nur «eingeschränkt recyclingfähig», sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. Ohnehin seien Plastikjoghurtbecher ein Einwegprodukt. «Mehrwegbecher aus Glas sind deutlich unterrepräsentiert.» Allerdings: Im vergangenen Jahr habe es 3,5 Prozent mehr Joghurt und Milch in Glasbehältern gegeben. Eine Renaissance des Glases sei aber nicht festzustellen.

Plastikbecher könnten zwar recycelt werden, sagt Fischer. Die Firmen müssten allerdings immer wieder neue Becher herstellen. «Das ist ressourcenintensiv und belastet die Umwelt.» Dabei sei es auch eine Frage des Geschmacks. «Vielen schmeckt Joghurt besser, wenn er aus Mehrweggläsern kommt», sagt Fischer.

In der Molkereigenossenschaft in Schrozberg (Baden-Württemberg) stehen die Gläser hoch im Kurs. Sie hätten in dem Unternehmen einen Anteil von 75 Prozent, sagt Betriebsleiter Gunter Stirnkorb. Auf die Gläser kommt Pfand. Der Hersteller des Lobetaler Bio-Joghurts aus Brandenburg setzt auf Becher, die etwa zur Hälfte aus Kunststoff und Kreide (Calciumcarbonat) bestehen.

Hans-Günter Müller von der ehemaligen Berliner Meierei-Zentrale wagt diese Prognose: «Die Gläser werden sich nicht in großen Mengen durchsetzen», sagt der heute 80-Jährige. Thomas Fischer von der Umwelthilfe sähe am liebsten mehr Glas in den Supermarktregalen. Eine Quote von 85 Prozent - «das wäre ein Traum.» Aber: «Das ist leider sehr weit weg von der Realität.» dpa

Der Joghurt

Joghurt ist ein Sauermilchprodukt. Er entsteht, wenn der Milch Bakterienkulturen zugesetzt werden, etwa Lactobacillus bulgaricus und Streptococcus thermophilus. Von den Kulturen hängt auch ab, ob ein Naturjoghurt eher sauer oder mild schmeckt. Joghurt gilt als leicht verdaulich, Experten heben den Gehalt an Eiweiß und Calcium hervor.

Der Krankenkasse AOK zufolge essen die Menschen in Deutschland im Schnitt mehr als 17 Kilogramm Joghurt pro Jahr (Stand Juli 2012). Es gibt ihn in diversen Varianten: mit und ohne Frucht, zum Löffeln und Trinken, mit unterschiedlichem Fettgehalt. Joghurt kam zuerst in der Türkei und in südosteuropäischen Ländern auf.