Die ersten Lockerungen der Corona-Einschränkungen sind in Kraft getreten. Teilen des Einzelhandels gibt das zumindest eine Perspektive. Auf einen solchen Lichtblick müssen Hotels, Restaurants, Bars und andere Gastronomiebetriebe weiter warten. Der Branche droht eine noch nie dagewesene Pleitewelle. Auch andere Institutionen unseres kulturellen Lebens spielen in der Lockerungsdebatte bisher kaum eine Rolle. Museen, Galerien, Theater und Opernhäuser bleiben geschlossen. Schauspieler, Musiker und Tänzer sind ohne Engagements. Die jeweiligen Branchenverbände sind aktiv. Die Forderungen an die Politik kommuniziert. Die verantwortungsvolle Öffnung von Restaurants und Cafés ebenso wie anderer kultureller Einrichtungen werden diskutiert. Darüber hinaus soll vor allem durch finanzielle staatliche Unterstützung Not-, insbesondere auch Starthilfe gegeben werden.
Ralf Frenzel, Verleger des Tre Torri Verlages, gelernter Koch- und Kellner, Herausgeber von FINE Das Weinmagazin und seit vielen Jahren mit seiner Agentur CPA! beratend im Spannungsfeld Essen, Trinken und Genuss tätig, fordert anlässlich des heute tagenden Koalitionsausschusses ein Weiterdenken über bloße Subvention hinaus, um eine nachhaltige Hilfe für die leidenden Kulturbetriebe zu realisieren:
„Trotz der Freude über die vorsichtige Wiedereröffnung des Einzelhandels, wird eins dieser Tage schnell deutlich: Von einer Rückkehr zur Normalität sind wir weit entfernt. Ohne Restaurants und ohne Cafés werden unsere Innenstädte nicht die Orte sein, die wir in Erinnerung haben. Und ohne die vielen kulturellen Angebote fehlt unserem Leben eine ganze Ebene des Miteinanders und ein wichtiger gesellschaftlicher Diskurs. Der Besuch eines Restaurants oder Cafés, eines Konzerts oder Theaters dient unserer emotionalen Grundversorgung. Deshalb sehnen wir uns so danach. Warum nutzen wir nicht die Sehnsucht der Menschen als treibende Kraft bei der Wiederbelebung der kulturellen Instanzen in Deutschland? Denn all die staatliche Hilfe in Form von Rettungsschirmen und -programmen versickert noch vor dem ersten Vorhang, wenn das Publikum ausbleibt. Ich plädiere dafür, statt auf Subventionen attraktive Konsumanreize zu schaffen. Denn, wenn es wieder losgeht auf den Bühnen und in den Küchen des Landes, müssen Gäste und Publikum auch kontinuierlich in die Säle kommen.
Deshalb fordere ich für den Moment der offiziellen Wiedereröffnung der kulturellen Instanzen die Einführung einer kulturellen Genuss-Prämie – analog der sog. Abwrackprämie für die Automobilindustrie 2009, die derzeit unter dem Titel Innovationsprämie wiederbelebt werden soll. Jede Bürgerin und jeder Bürger erhält einen Betrag, den er für kulturelle Besuche in Restaurants (mit Bewirtung), Kinos, Theater oder Museum ausgeben kann und dafür steuerliche Vorteile erhält. Eintrittskarten und Bewirtungsbelege werden mit der Steuererklärung eingereicht und über die Lohnsteuer zurückerstattet.
So wirkt sich kultureller Konsum für den einzelnen finanziell vorteilhaft aus und wir können alle einen Beitrag dazu leisten, systemrelevante Wirtschaft wie Gastronomie und Kulturbetriebe zu einem Neustart zu verhelfen."