Aspen in Colorado Öko-Wintersport

Von Heike Schmidt

Hippies in Strickpullovern vermutet man in Aspen eher nicht. Im Winter ist das schicke Skistädtchen in den Rockies in Colorado ein beliebter Schneespielplatz für Filmstars und Superreiche. Dann landen schnittige Privatjets im 20-Minuten-Takt auf der einzigen Rollbahn des Lokalflughafens. Und teure Schlitten kurven zu exklusiven Edelhotels in der kleinen Innenstadt mit ihren Pelzläden, Schmuckhändlern und gediegenen Restaurants, wo die Flasche Wein schon mal ein paar tausend Dollar kostet. Doch das ganze Geld schützt nicht vor dem Klimawandel.

Aspen ist «Big Business» und will es bleiben. Aber ohne Schnee kein Skibetrieb. In Aspen dauert die frostfreie Zeit heute einen Monat länger als 1977. Schneekanonen taugen nichts bei Plusgraden. Eine zweite Wirtschaftskrise will der historische Silberminenort nicht durchstehen. Als der Bergbau um 1900 zugrunde ging und die viktorianischen Holzhäuser verfielen, war der Wintersport die letzte Rettung. 1946 ratterte der erste Lift auf Aspen Mountain.

Inzwischen verteilt sich ein 22 Quadratkilometer großes Skigebiet mit über 300 markierten Pisten auf vier Berge. Aspen hat viel zu verlieren. Und deshalb ist der Nobelskiort nicht untätig.

Schon vor 20 Jahren gründete die Aspen Skiing Company als erstes Unternehmen der Branche eine Umweltschutzabteilung. Nicht aus idealistischer Verirrung. Den CO2-Verbrauch zu reduzieren sei «gut fürs Gewissen und gut fürs Geschäft», sagt Matt Hamilton, Direktor für Nachhaltigkeit. Machtwechsel in Washington hin oder her, seine Firma habe sich längst freiwillig dazu verpflichtet, bis 2020 ein Viertel weniger Emissionen zu verursachen als im Jahr 2000. «Daran halten wir fest», bekräftigt der Mann mit den blonden Stoppelhaaren.

Ausgerechnet Aspen entpuppt sich also als progressiver Vorkämpfer in der Ski-Industrie. Doch wie rettet man den Winter?

Kleine Solarzellen sitzen auf den Kabinendächern der Gondel Silver Queen und versorgen MP3-Spieler mit grünem Strom, wenn die Seilbahn auf den knapp 3400 Meter hohen Aspen Mountain surrt. Ajax nennen ihn die Menschen hier. Steil sind seine Flanken und relativ schmal ist das anspruchsvolle Skigebiet. Großflächige Schneewiesen gibt es keine, nicht mal einfache Abfahrten. Die blauen Pisten sind schwerer als anderswo. Und gut die Hälfte der Hänge sind schwarz oder sogar doppelschwarz wie die kegelförmigen Abraumhalden alter Minen, die in Extrempisten umgewandelt wurden.

Wie die meisten modernen Hütten im Skigebiet ist auch das aus Holz und Naturstein gebaute Gipfelrestaurant LEED-zertifiziert. Das «Sundeck» zählt zu den elf ersten so klassifizierten ökologischen Gebäuden der Welt. Davor wartet Meghan Loury im Schneegestöber. Die lustige junge Frau mit den roten Wangen leitet Schneeschuh-Touren für den örtlichen Naturschutzverein. Die Skiing Company ist ein wichtiger Geldgeber. Die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, stapft Meghan voran, ihre Schützlinge dicht hinterher, schön breitbeinig. Dem Vordermann bloß nicht in die Hacken treten.

Von schlummernden Schwarzbären und listigen Hermelinen erzählt die Naturpädagogin. «Schaut her», sagt sie leise und bricht ein Stück Rinde von einer toten Kiefer. Darunter liegen verzweigte Mini-Tunnel. Baumschädlinge wie Borkenkäfer können bei wärmeren Temperaturen nun auch in höheren Lagen leben. Der Ausflug soll nachdenklich machen.

Protect Our Winters (Schützt unsere Winter) heißt ein Verband, den die Aspen Skiing Company aktiv beim Lobbying für Klimaschutz in Washington unterstützt. Daheim tragen alle Angestellten - vom Küchenpersonal bis zu den Skilehrern - aufgestickte POW-Logos auf der Uniform und einen Spickzettel mit Klimadaten in der Tasche. Hier in Aspen brauchte es kaum Überzeugungsarbeit. Etwa drei Viertel der 6000 Einwohner des Ortes sind Demokraten.

Den Gästen will die Skifirma keine Öko-Diskussion aufzwingen. Doch Urlauber sind auch Wähler und die prominenten oft einflussreich. «Die Marke Aspen ist ein didaktisches und politisches Werkzeug», erklärt Hamilton. Zwar bekommen die Skifahrer nicht die firmeneigene 147-Kilowatt-Photovoltaik-Freiflächenanlage zu sehen. Auch nicht das von der Skifirma finanzierte Methangas-Projekt im nahen Somerset, wo aus Kohlegruben austretendes Treibhausgas in Energie verwandelt wird, das den gesamten Jahresstrombedarf des Unternehmens deckt.

Doch wer genau hinsieht, findet überall im Skigebiet subtile Klimaschutz-Hinweise, auch auf dem Buttermilk. So heißt der kleinste und einfachste Berg im Quartett, besonders beliebt bei Familien und Skischülern mit nur 44 meist breiten und offenen Abfahrten. Seit 2002 finden hier die Winter-X-Games statt. Pipes und Terrainparks werden aus Erde vorgebaut und dann mit Kunstschnee übersprüht. An den Liftmasten werben knallbunte Aufkleber für «Solar, Wind, Saving, Action» - Saving heißt Sparen. Alles andere verstehen auch die meisten deutschen Urlauber. In der Mittagspause können sie selbst aktiv werden.

Vor dem Restaurant «Cliffhouse» wehen tibetische Gebetsfahnen. Das Menü ist eklektisch: vietnamesische Pho-Suppe und mongolisch Gegrilltes aus hiesigem Rindfleisch, serviert auf kompostierbarem Geschirr. Dazu gibt es Kontaktkarten für Colorados Politiker mit dem Vorschlag, dort mal anzurufen und folgendes zu sagen: «Ich gebe Geld in Ihrem Staat aus. Ich sorge mich um den Klimawandel und will, dass Sie das Problem angehen.»

Mit gut 13 Quadratkilometern Fläche und 20 Liften ist Snowmass größer und vielfältiger als die drei Schwestergebiete. Fein gewalzte Waldabfahrten, sanfte Cruiser-Hänge sowie Pisten für Baumslalom mit Monsterbuckeln und Felsscharten erstrecken sich über mehrere Gipfel. The Cirque ist mit 3813 Metern der höchste. Das letzte Stück des Höhenkammes muss man per Muskelkraft erklimmen, auch eine Art von Energie sparen. Auf Snowmass Mountain läuft ein erstes Mikro-Wasserkraftwerk, das im Frühling von Schmelzwasser angetrieben wird. Weitere sollen folgen, auch auf Aspen Highland, dem Liebling der Einheimischen.

Eine Solaranlage gibt es dort schon, auf der Gipfelstation der Skiwacht. Hier oben liegen nur schwierige Abfahrten, mittelschwere umringen die Bergmitte, leichte klammern sich am Fuße des Berges fest. Für Pistenraupen viel zu steil, trampeln Freiwillige im Herbst den ersten Schnee in der Highland Bowl fest.

Gefeiert wird bei Raclette, Fondue und Apfelstrudel zum Beispiel im «Cloud 9». Alpinen Hüttenzauber gibt es in den Rockies sonst nicht - hier schon. «Ski in, dance out» ist das Motto. Mit genug Champagner intus, wird auf dem Tisch getanzt. Wem das nötige Kleingeld fehlt, der muss theoretisch nur im richtigen Moment den Mund öffnen: Nach dem ersten Plopp wird meist die halbe 100-Dollar-Flasche verspritzt.

Überfluss und Geltungsdrang, wie passt das zu grünen Ambitionen? «Wir sind nicht perfekt», gibt Hamilton zu. Und auch die Kundschaft ist polarisiert. Manche Gäste wollten partout nicht mit Umweltpolitik belästigt werden. Andere wiederum beschwerten sich vehement über beheizte Gehsteige und die Privatflieger für zwei Leute plus Pudel.

Stimmt schon: Blieben alle zu Hause, würde das Klima am besten geschont. «Aber der Bedarf ist nun mal da», sagt Hamilton pragmatisch. Gäbe es Aspen nicht oder machte der Ort dicht, würden die Skifahrer halt woanders hinfahren. Und dort ist der Schnee nicht unbedingt grüner. dpa

Reise nach Aspen

Reiseziel: An drei Seiten von Gebirgsketten und meist unberührten Wäldern umgeben, liegt das viktorianische Minenstädtchen Aspen im Herzen des US-Bundesstaates Colorado. Ein 22 Quadratkilometer großes Skigebiet mit über 300 markierten Pisten und fünf Terrainparks verteilt sich auf vier Berge - von familienfreundlich bis extrem.

Klima und Reisezeit: Die Lifte laufen von Ende November bis etwa Mitte April. Die Saison ist je nach Berg etwas unterschiedlich. Durchschnittlich fallen zwischen fünf und siebeneinhalb Meter Schnee pro Jahr. Im Februar sind die Bedingungen meist am besten.

Anreise: United, American Airlines und Delta fliegen täglich aus neun US-Großstädten zum kleinen Aspen-Pitkin County Airport. Wer nicht umsteigen möchte, fliegt zum Beispiel mit Lufthansa von Frankfurt oder München direkt nach Denver und fährt die 360 Kilometer bis Aspen in vier Stunden mit Shuttlebus oder Mietwagen.

Einreise: Deutsche Urlauber brauchen kein Visum, müssen sich unter esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis (Esta) besorgen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre lang.

Übernachtung: Nach oben sind preislich kaum Grenzen gesetzt, doch Hotelzimmer unter 250 Dollar pro Nacht sind in Aspen schwer zu finden. Im Skidorf von Snowmass kann man mehr Glück haben oder auf Online-Portalen wie Airbnb, wo Privatleute Zimmer oder Ferienwohnungen vermieten. Günstigere Kettenhotels gibt es in Aspens Nachbargemeinden Basalt (30 Kilometer) und Carbondale (47 Kilometer).

Tipps: Kinder bis sechs Jahre brauchen keinen Skipass. Wer eine Skiausrüstung für Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren bei Four Mountain Sports mietet, bekommt das Liftticket gratis und spart damit etwa 60 Dollar pro Tag. Eine Vorausbuchung ist notwendig. Die 90 Kilometer langen Loipen zwischen Aspen und Snowmass sind gebührenfrei.

Informationen: Colorado Tourism Office c/o Get It Across Marketing, Neumarkt 33, 50667 Köln (Tel.: 0221/47 67 12 0, E-Mail: colorado@getitacross.de, www.colorado.com).