Auf Hemingways Spuren in Afrika

Von Thomas Burmeister

Krächzendes Heulen und teuflisches Kichern - so klingen Hyänen, sie müssen direkt vor dem Zelt stehen. Aber dann geht das Geräusch in ein Lachen über. «Good Morning», sagt eine tiefe, freundliche Stimme. «Ihr Weckruf, der Tee steht bereit.» Humor gehört im edlen Tortilis Camp am Fuße des Kilimandscharo ebenso zum Service wie der Sundowner. Es ist 6.30 Uhr, Zeit für die erste Pirschfahrt entlang uralter Elefantenpfade im Amboseli National Park.

Wir haben Glück: Afrikas höchster Berg zeigt sich schon am ersten Morgen in seiner ganzen Pracht, kaum 30 Stunden nach dem Abflug in Europa. Ernest Hemingway musste darauf viel länger warten. Mehr als zwei Wochen brauchte der amerikanische Schriftsteller einst für die Überfahrt von Marseille nach Mombasa. Dann kamen eine Nachtfahrt mit dem Zug nach Nairobi und zwei Tage mit dem Auto - für eine Strecke, die heute leicht in fünf Stunden zu bewältigen ist.

Anschließend dauerte es noch Tage, bis die Wolken sich verzogen und den damals freilich noch massig mit Schnee bedeckten Gipfel für Hemingway freigaben. Nach Jahren der Erderwärmung trauert man dem Anblick des ehemals weißen Riesen beim Anschauen alter Postkarten nach.

Oder bei der Erinnerung an den Filmklassiker «Schnee am Kilimandscharo» von 1952 nach Hemingways wohl berühmtester Afrika-Story mit Gregory Peck, Susan Hayward und Hildegard Knef. «Hemingway-Romantik ist nach wie vor ein starkes Motiv, Ostafrika zu besuchen», sagt Gabi Nowak. Mit ihrem Mann betreibt die Österreicherin in Nairobi ein Unternehmen, das maßgeschneiderte Afrikareisen anbietet.

Beinahe 80 Jahre ist es her, dass Hemingway zum ersten Mal nach Afrika aufbrach. Im Osten des Kontinents verbrachte er 1933 sowie 1953/54 insgesamt zehn Monate. Aus dieser Zeit stammen zwei Bücher: «Die grünen Hügel Afrikas» (1935) und «Die Wahrheit im Morgenlicht» (posthum 1999). Mit «Schnee auf dem Kilimandscharo» und «Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber» (beide 1936) spielen auch zwei der besten Kurzgeschichten des Literatur-Nobelpreisträgers hier.

«Wir hatten Afrika noch nicht verlassen», berichtete er später, «aber wenn ich nachts aufwachte, lag ich lauschend da, bereits voller Heimweh danach.» Selbst das Erlebnis zweier Bruchlandungen innerhalb von 48 Stunden - mit Verletzungen, deren Folgen zu Depressionen und so vielleicht auch zu seinem Selbstmord Jahre später am 2. Juli 1961 beitrugen - hatte Hemingways Begeisterung für Afrika kaum gedämpft.

Schon als er sich mit 34 zu seiner Großwildsafari aufmachte, hatte der Mann Kultstatus. Schließlich belieferte er die Welt nicht nur mit Literatur, wie der «Stern» 1999 zu Hemingways 100. schrieb, sondern auch mit Stoff für Legenden über ein Leben, «in dem unentwegt Flaschen geleert, Fische geangelt, Frauen geliebt und Viecher aller Art geschossen wurden, kein Kriegsschauplatz ausgelassen und nun auch noch eine neue wunderbare Droge entdeckt wurde - Afrika.»

In Oloitokitok, einem Nest an der Grenze zu Tansania, müssen wir wir nicht lange suchen. Jeder kennt den alten Darshan Singh, der den «Bwana Ernest» als Kind selbst erlebt hat. Darshans Großvater war, wie Tausende andere Inder, von den Briten für den Eisenbahnbau nach Ostafrika gebracht worden. Sein Vater betrieb einen Duka. «Das war der einzige Laden diesseits des Kilimandscharo, wo es Bier und Whisky gab», erzählt Darshan.

«Ernest kam öfter vorbei, er trank immer ein paar Tusker-Bier.» Großzügig sei der Amerikaner gewesen, er habe den Männern ordentlich einen ausgegeben. «Der wusste warum», sagt Darshan. Seine Augen funkeln listig durch die tiefen Gesichtsfurchen. «Schließlich ging er mit einem Mädchen von hier ins Bett.»

Viele halten Hemingways afrikanische Geliebte für frei erfunden. Für die Macho-Fantasie eines altgewordenen Frauenhelden. Eines Typen mit Bierbauch, schütterem Haar und Brille, der bei seiner zweiten Afrikareise längst nicht mehr auf so stattliche Zahlen von getöteten Antilopen, Gazellen und Löwen kam, sondern oft im Suff daneben schoss.

Debba heißt das Mädchen aus dem Volk der Kamba in Hemingways nachgelassenen Afrika-Roman, den sein Sohn Patrick herausbrachte. «Meine Freundin ist ohne jede Scham», notierte der Autor. Mary, Hemingways vierte Frau, die ihn auf der zweiten Safari begleitete, soll Augen und Ohren zugedrückt haben, wenn Debba ins Zelt kam.

Wahrheit oder Fiktion? «In Afrika», schrieb Hemingway, «ist etwas im Morgenlicht wahr und mittags eine Lüge, und man gibt nicht mehr darauf als auf den reizenden, von hohem Gras gesäumten See am anderen Ende der sonnenversengten Salzebene. Man hatte diese Ebene am Vormittag durchquert, und man weiß, es gibt dort keinen solchen See.»

«Es gab sie aber wirklich», schwört der alte Darshan. «Sie hieß allerdings nicht Debba, sondern Mueni. Sie war verheiratet. Und Bwana Ernest gab ihrem Ehemann einen guten Job in seinem Safari-Team.» Als wir gehen, lässt sich neben dem Haus, in dem Hemingway einst Bier trank und wo heute ein Friseur sein Geld verdient, eine schöne junge Frau Afro-Locken drehen. Ihr Name sei Mueni, sagt sie.

Donnerndes Wasser, schäumende Gischt, ein Regenbogen: Die Murchison Falls im Nordwesten Ugandas sind zwar längst nicht die tiefsten Wasserfälle Afrikas, aber sie sind enorm kraftvoll. Wer «African Queen» mit Katharine Hepburn und Humphrey Bogart gesehen hat, der hat auch die Nilfälle unweit des Lake Albert gesehen. Diesen Schauplatz des Filmklassikers von John Houston wollte Mary unbedingt aus der Luft erleben. Am 21. Januar 1954 starteten die Hemingways in Nairobi, am Steuerknüppel der Cessna saß der erfahrene Roy Marsh. Sie flogen über den Großen Afrikanischen Grabenbruch, die «Wiege der Menschheit», über die Serengeti, den Ngorongoro und den Osten Kongos.

Nach einer Nacht in Costermansville, dem heutigen Bukavu, sollte es am 23. Januar 1954 über die Murchison Falls nach Entebbe gehen. «Doch dann passierte es», erzählt Emmanuel Eyenga. Der Bootsführer hat uns vom Steg unterhalb der «Paraa Lodge» abgeholt und vorbei an Unmengen von Nilpferden, Elefantenherden, Büffeln und Krokodilen zu einer Stelle dicht bei den Fällen gebracht. Ein Pfahl mit einem blauen Schild ragt aus dem Wasser. Darauf steht «P.B.M. 9026».

«Das war die Registriernummer der Cessna», sagt Emmanuel, «hier ist sie runtergekommen.» Beim Anflug auf die Nilfälle hatte Marsh die Telegrafenleitung der Lodge übersehen. Immerhin schaffte er eine ordentliche Notlandung. Ein paar Prellungen, Schürfwunden, sonst nichts. Doch die Welt war plötzlich weit weg. «Ernest Hemingway im tiefsten Afrika verschollen», titelte «Bild» damals.

In Amerika erschienen Nachrufe, während im damaligen britischen Protektorat Uganda die Suchaktion noch im Gange war. Selbst eine Passagiermaschine der BOAC, des Vorgängers der British Airways, wurde eingespannt. Auf dem Weg von Entebbe nach Khartum im Sudan änderte die voll besetzte «Argonaut» den Kurs. Aus weniger als 100 Metern Höhe entdeckte Kapitän R.C. Jude die Cessna. Sie sei nicht zerbrochen, meldete er. Es könne durchaus Überlebende geben.

«Doch die Nacht mussten sie hier verbringen», erzählt Emmanuel. «Mary machte Feuer, um die Löwen fernzuhalten, Ernest teilte Notrationen von Bier und Whisky aus.» Am Morgen wurden sie von der «SS Murchison» aufgenommen, die mit einer Hochzeitsgesellschaft vorbeifuhr. Das Boot, auf dem schon Hepburn und Bogart unterwegs gewesen waren, brachte sie nach Butiaba am Albertsee.

Dort stießen sie auf den Buschpiloten Reginald Cartwright, der sich mit einer Havilland Rapide an der Suchaktion beteiligt hatte. Er überredete Ernest, Mary und Roy, mit ihm nach Entebbe zu fliegen, wo die Weltpresse warten würde. Was dann geschah schilderte Hemingway im Magazin «Look» so: Nach endlosem Rumpeln habe die Maschine endlich die Piste verlassen. «Dieser Zustand dauerte aber nur Sekunden, dann war sie wieder am Boden und es gab den Sound von zerreißendem Metall, mit dem wir inzwischen vertraut waren.»

Mary, Roy und der Pilot stiegen aus, ehe die Maschine in Flammen aufging. Der schwergewichtige Hemingway konnte sich nur retten, indem er eine Tür mit seinem Schädel aufbrach. Er verlor Gehirnflüssigkeit, erlitt Risse in Nieren, Milz und Leber, eine Quetschung des Rückenwirbels und Verbrennungen auf dem Kopf. Aber er war dem Tod so knapp entkommen, wie es sich für einen echten Abenteurer gehört.

Die Bruchlandungen könnten zu dem Verfall beigetragen haben, der dem Schriftsteller später zu schaffen machte, meint der Hemingway-Biograf James R. Mellow. Und vielleicht auch zur Vergabe des Nobelpreises im Oktober 1954. Denn nur wenige Monate nach den Crashs in Afrika war die Nobelakademie vielleicht noch von den glorreichen, wenn auch voreiligen Nachrufen auf Hemingway beeindruckt. dpa

Reise nach Kenia und Uganda

REISEZIEL: Kenia und Uganda liegen am Äquator in Ostafrika, der 5895 Meter hohe Kilimandscharo in Tansania an der Grenze zu Kenia.

ANREISE UND FORMALITÄTEN: Mehrere Fluggesellschaften fliegen Mombasa in Kenia an. Nach Nairobi und zum ugandischen Flughafen Entebbe unweit der Hauptstadt Kampala gibt es von Europa aus regelmäßige Linienflüge. Touristenvisa bekommen Urlauber aus Deutschland an Flughäfen und Grenzposten. Sie kosten 25 US-Dollar (18,30 Euro) für Kenia und 50 Dollar (36,60 Euro) für Uganda.

KLIMA UND REISEZEIT: Ostafrikas Safarigebiete sind Reiseziele das ganze Jahr hindurch. Es gibt aber Regenzeiten von März bis Juni sowie von Mitte Oktober bis Mitte Dezember. Im Hochland ist es nachts kalt.

ZEITUNTERSCHIED: Die ostafrikanischen Länder sind eine Stunde voraus während der europäischen Sommerzeit, sonst zwei Stunden.

WÄHRUNG: Für einen Euro gibt es etwa 3180 Uganda-Schilling oder 115 Kenia-Schilling (Stand: Januar 2011). Mit EC-Karten bekommt man die jeweiligen Schillinge an Automaten (Barclays Bank in Kenia, Stanbic Bank in Uganda). Kreditkarten werden in vielen Hotels und Restaurants akzeptiert.

SPRACHE: Englisch neben Kisuaheli und vielen anderen Sprachen.

GESUNDHEIT: Ärzte empfehlen eine Malaria-Vorbeugung sowie Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Polio und Hepatitis A. Je nach Dauer und Art der Reise können auch ein Schutz gegen Hepatitis B, Tollwut, Typhus und Meningokokken-Meningitis A und C sowie eine Gelbfieberimpfung sinnvoll sein.

INFORMATIONEN: Kenya Tourist Board, Schwarzbachstraße 32, 40822 Mettmann, Tel.: +49 2104 832919, magicalkenya.com