Von Conrad Bölicke
Denn bei Regen würden sich die Oliven "füllen", die Fotosynthese noch einen Schub Traubenzucker aufbauen, von dem sich dann ein Teil in den nächsten vierzehn Tagen weiter in einfach ungesättigte Fettsäure, in Olivenöl verwandeln würde. In den Höhenlagen werden die ersten Oliven erst Ende Oktober ihre Frühreife erreicht haben und geerntet werden können.
In den Olivenmühlen wird jetzt fleißig aufgeräumt, geputzt, die Messer und Hämmer des Olivenschredders, der eigentlichen Mühle, geschärft und auch alle anderen Teile auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft. In der ersten Woche geht es dann noch recht entspannt zu, die ersten Mühlendurchläufe dienen nur dem Test zur Feineinstellung.
Es müssen dabei alle technischen Komponenten auf den Zustand der Oliven, die jedes Jahr etwas anders ausfallen, abgestimmt werden. Die Olivenöle der Testläufe ruhen einen Tag, werden dann verkostet und daraus wird die optimale Einstellung des Mühlenprozesses abgeleitet. Nun beginnen zwei Monate harter Arbeit mit sehr langen Tagen bis tief in die Nacht. Die erste Belohnung dafür heißt Primario.
Arbequina-Primario aus Katalonien
und Manaki-Primario vom Peloponnes
Die ersten und frühreifen Oliven enthalten noch recht wenig Olivenöl, da sich der über die Photosynthese in den Fruchtzellen aufgebaute Zucker erst mit der Zeit der Reife in immer mehr einfach ungesättigte Fettsäuren umwandelt. So lassen sich aus 100 kg frühreifer Oliven nur 7 bis 9 Liter Olivenöl gewinnen, aus Oliven mittlerer Reife hingegen 13 bis 15 Liter.
Deshalb sind es nur wenige Erzeuger, die so früh mit der Ernte beginnen. Im Einzelhandel finden sich dem Primario vergleichbare Produkte, zumeist italienische, dann unter der Bezeichnung Nouvello oder Frescolio. Angeboten werden sie zu Literpreisen ab 34,- Euro und mehr. Mit einem direkten Erzeuger-Verbraucherkonzept lässt sich der Preis jedoch deutlich günstiger gestalten.
Die geschmackliche Prägung des Primario und seine Verwendung
In der frühreifen Frucht sind alle pflanzlichen und biologischen Aufgaben in den Fruchtzellen darauf ausgerichtet, den heranreifenden Keimling im Inneren zu schützen. Der Anteil der sekundären und bioaktiven Pflanzenstoffe ist daher besonders hoch. Die Gehalte der phenolischen Verbindungen, als Antioxidanten, führen daher zu deutlich wahrnehmbar herben und pfeffrigen Geschmacksnoten. Die Aromen weisen noch keinen "Farbenfächer" auf, es herrschen kräftige und kantig grüne Aromen von Gräsern und Pflanzenfasern vor.
Beide Einflüsse verleihen dem Primario ein etwas raues und wildes Mundgefühl, das sich eher mit "aufregend" als "gefällig" beschreiben lässt. Da die Arbequina- wie auch die Manaki-Olive in ihren Ausgangspotenzialen der Biophenole nur im mittleren Bereich angesiedelt ist, werden auch ungewohnte Geschmacksnerven nicht überfordert, die wunderbar grünen Aromen bleiben im Vordergrund.
Primario-Olivenöle sollten nur als Topping zum Verfeinern von Speisen oder zum puren Genuss verwendet werden. Über geröstetes Weißbrot gegossen, mit etwas Fleur de Sel gewürzt, kommen sie besonders gut zur Geltung. Das Arbequina-Primario passt bestens zu kurz geschmortem feinen Gemüse, wie Möhren, Zucchini, Zuckererbsen, gelben und roten Paprikaschoten, Süßkartoffeln und Kürbis; das Manaki-Primario mehr zu rohen oder gebackenen Rote Bete, über Joghurt gegeben, zu Meeresfrüchten und gedämpftem Weißfisch, zu Kichererbsen und weißen Bohnen.
Beide Primario-Olivenöle schmecken sehr lecker einfach über einen Pastinaken-Kartoffelstampf gegossen. Als Vinaigrette für Salate sollte dem Primario nur noch ein wenig Säure (Zitrone oder weißer Balsamico) und Fleur de Sel zugegeben werden.
Zur Haltbarkeit des Primario
Die Primario-Olivenöle werden nicht gefiltert, somit enthalten sie noch ein hohes Potential an feinen Trüb- und Schwebstoffen des Fruchtfleisches, und dieses wiederum ein hohen Gehalt an Enzymen. Enzyme haben in der Natur die Aufgabe, biochemische Prozesse in Gang zu setzen, in diesem Fall eine Reifung zu erzeugen.
Um Olivenöle für längere Zeit haltbar zu machen, werden diese Trüb- und Schwebstoffe mit den enthaltenden Enzymen sehr früh nach der Gewinnung herausgefiltert. Ein ungefiltertes Olivenöl erreicht bereits nach drei Monaten die Reife, für die ein gefiltertes Olivenöl achtzehn Monate braucht. Primario-Olivenöl ist daher nur etwas für den Augenblick, für kurze Zeit; keinesfalls eignet es sich zur Bevorratung.
Bis Freitag, 28. Oktober, können Sie Primario 2016 noch bei der arteFakt Olivenölkampagne bestellen.