Von Emilio Rappold
Helmut aus Bochum wurde am Freitag auf Mallorca trotz der 32 Grad im Schatten kalt erwischt - und er war nicht der einzige. «Ich hatte keine Ahnung, ich muss dann wohl an Sonnencreme sparen, Bier ist heilig», scherzte der 23-jährige Malerlehrling. Beim Inkrafttreten der umstrittenen Touristensteuer auf der spanischen Ferieninsel waren einige Besucher, aber sogar auch der eine oder andere Hotelangestellte nicht informiert.
Der Rezeptionist des kleinen Hostal Pinar am Ballermann erzählte verlegen: «Ich habe keine Anweisung, keine Formulare, nichts!» Irgendwann werde man mit dem Kassieren aber beginnen müssen, denn «der Fiskus wird das Geld sicher von uns haben wollen». In einer der besseren Herbergen der Hauptstadt Palma am Passeig de Mallorca räumte die Rezeption ein, man habe von den Info-Flyern der Regionalregierung bisher nur ein Exemplar bekommen und es, schwarz-weiß natürlich, kopieren müssen. Professionell sieht anders aus, murmelt ein Gast im Hintergrund.
Die Steuer gilt auch für die Nachbarinseln Menorca, Ibiza und Formentera. Je nach Art der Herberge werden pro Person und Nacht bis zu zwei Euro fällig. Mehrwertsteuer nicht eingerechnet. In der Nebensaison wird der Betrag halbiert. Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren sind von der Abgabe befreit. Auch auf Kreuzfahrtschiffen muss man zahlen. Theoretisch müssen auch Urlauber dran glauben, die Privatwohnungen oder -Häuser mieten. Die meisten dieser Immobilien sind allerdings nicht als Ferienunterkunft angemeldet.
Helmut musste derweil gleich beim Check-in, wie von den Behörden empfohlen, das Portemonnaie zücken und für jede Nacht seines dreitägigen Aufenthaltes den für die Hochsaison vorgesehenen Mindestbetrag von 0,50 Euro berappen. Er hat sich eine einfache Unterkunft ausgesucht. «Ich muss jeden Cent fünf Mal umdrehen!»
Der Bochumer nimmt's mit Fassung. Beim Verband der Hoteliers auf Mallorca (FEHM) kocht man aber vor Wut. Man fürchtet, dass viele Besucher wie Helmut, die aufs kleinste Geld schauen müssen, künftig vielleicht auch vor Ärger wegbleiben könnten. Die Steuer schade der Wettbewerbsfähigkeit Mallorcas und der restlichen Balearean-Insel, beteuert FEHM-Präsidentin Inmaculada Benito. Der dpa sagte sie, ihre Organisation erwäge rechtliche Schritte gegen die Maßnahme.
Der stellvertretende Chef der seit Mitte 2015 amtierenden linken Balearen-Regierung, Biel Barceló, glaubt vielmehr an einen «Sturm im Wasserglas». «Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, wonach der von der Steuer bedingte Rückgang der Touristen sehr, sehr klein (0,8 Prozent) sein wird», sagte der 48-Jährige. Die Steuer mache im Schnitt nur einen Prozent der Gesamtausgaben aus. Und laut Studie wird der Bausektor der Inseln von den vorgesehenen öffentlichen Investitionen profitieren.
Den Vorwurf von Benito, keine andere Sonne- und Stranddestination im Mittelmeer habe eine solche Steuer, lässt Barceló nicht gelten. Malta und Barcelona hätten zum einen schon seit Jahren ähnliche Abgaben, betont er. «Wir haben aber keine Probleme damit, in diesem Bereich Pioniere zu sein», sagt der gelernte Jurist mit genauso viel Stolz wie Entschlossenheit.
Die Einführung der Abgabe war vom Parlament der Balearen in Palma de Mallorca im Frühjahr beschlossen worden. Ziel ist es, so Barceló vom linksökologischen Bündnis Més per Mallorca, dass der Besucher mit dazu beiträgt, «das Paradies der Balearen zu erhalten».
Auf der Kopie des Info-Flyers, die der Hotelrezeptionist in Palma in einer Schublade erst nach langem Wühlen findet, steht, was man mit den erwarteten Einnahmen von bis zu 80 Millionen Euro im Jahr zu machen gedenkt: Die Umwelt schützen, den nachhaltigen Tourismus fördern, das historische Erbe schützen, mehr Forschung betreiben.
Barceló macht aber auch keinen Hehl daraus, dass eine den Massen-Tourismus «regulierende» Wirkung der neuen Steuer willkommen wäre. Am Freitag gaben die Behörden bekannt, dass die Zahl der Besucher der Balearen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres auf den neuen Rekord von 3,06 Millionen kletterte. Satte 14,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Gut 38 Prozent all dieser Urlauber kamen aus Deutschland, dahinter folgen die Briten mit 28 Prozent.
Erst im April waren Besucher im Zentrum Palmas mit «Tourists go Home»-Graffiti konfrontiert worden. «Alle wollen zu den Balearen. Wir können aber nicht so weiter wachsen», ist Barceló überzeugt. Man setzt auf zahlungskräftige Touristen, die anders als «All inclusive»-Gäste mehr Geld in Läden und Restaurants lassen sollen.
Obwohl andere spanische Regionen wie Katalonien mit Abgaben ähnlich der deutschen Kurtaxe gute Erfahrungen machen, haben Kritiker wie der Mallorquiner Gabriel Escarrer Julià, Präsident der großen Hotelkette Meliá, der von einem «Schuss ins eigene Bein» spricht, die Zeit zwischen 2001 und 2003 ungut in Erinnerung. Dank einer Urlaubersteuer waren damals zwar 160 Millionen Euro in die Insel-Kassen geflossen - unterm Strich blieb aber wegen des Einbruchs der Buchungen ein großes Minus. Die Steuer wurde schnell abgeschafft.
Mit mehr als zwei Milliarden Euro sorgt der Tourismus inzwischen für gut 40 Prozent der Einnahmen der Balearen. Dass sich die Abgabe erneut als Boomerang erweisen könnte, schließt Barceló aus. «Die heutige Polemik hat nichts mit der von 2002 zu tun. Inzwischen ist eine Kurtaxe etwas Normales, in vielen Ländern der Europäischen Union und auch in Amerika wurde eine solche Steuer inzwischen eingeführt. Wir haben diesbezüglich keine Sorgen.» dpa