Baristas sind Künstler an der Kaffeemaschine

Von Johanna Uchtmann

Für den Barista ist ein Kaffee, was für den Winzer ein guter Wein ist: ein Kunstwerk. Keine Einheitsplörre, die wach macht, sondern ein Elixier, in Nuancen unterscheidbar. Fruchtig oder holzig, nach Apfel oder Zitrone könne ein Kaffee schmecken, erklärt Britta Zietemann vom Deutschen Kaffeeverband in Hamburg. Ein feines Geschmacksempfinden gehört also zum Beruf dazu. «Und man muss wissen, welcher Kaffee einem Kunden schmecken könnte, wenn der sagt: 'Ich mag es am liebsten, wenn er ein bisschen schokoladig ist und nicht so viel Säure hat.'»

Das könne man aber trainieren, beruhigt Irena Markovic, die Leiterin der Berlin School of Coffee. Genauso wichtig wie der Geschmackssinn seien Dinge, die für alle gastronomischen Berufe nötig sind. Der Barista müsse kommunikativ sein und einen Draht zum Kunden haben. «Ein Barista ist schon eine Persönlichkeit hinter der Bar.»

Technisches Geschick gehöre ebenso dazu. «Man muss die Mühlen- und Maschineneinstellungen kennen, und man sollte auch in der Lage sein, die Maschinen nachzujustieren.» Die beste Bohne werde zu schlechtem Kaffee, wenn sie falsch gemahlen wird, erklärt Zietemann. Zu grob gemahlenes Pulver gebe zu wenig Geschmack ab: «Das Wasser läuft so durch, die Aromen kommen nicht raus.» Wird zu fein gemahlen, kehrt sich der Effekt um.

Der Zuständigkeitsbereich des Baristas beginnt aber schon bei der Auswahl des Kaffees mit dem passenden Röstgrad, erläutert Zietemann. Wer sich nicht auskennt, serviert schlimmstenfalls einen Kaffee, der nach Holzkohle schmeckt. «Oder nach anderen unangenehmen Dingen», sagt Nana Holthaus-Vehse aus Bad Feilnbach in Oberbayern. Sie war 2009 Deutsche Baristameisterin und weiß, dass so ein Kohle-Kaffee viele Ursachen haben kann. «Schlechte Bohne, falsch geröstet, Maschine nicht richtig gereinigt, falsches Wasser, falsche Kontaktzeit - da kann man so viel falsch machen.»

Falsches Wasser? «98 Prozent einer Tasse Kaffee sind Wasser. Dann kann man sich vorstellen, wie stark das Wasser den Kaffeegeschmack beeinflusst», erklärt Holthaus-Vehse. «Sehr kalkhaltiges Wasser neutralisiert manchmal sogar zum Teil die feinen, fruchtigen Säuren im Kaffee, die den Kaffee eigentlich so frisch und spritzig erscheinen lassen.» Kaffee aus weichem Wasser schmecke dagegen schnell sauer.

Um solche Fehler zu vermeiden, gibt es Barista-Seminare. «Ein richtiger Ausbildungsberuf ist das aber nicht», sagt Markovic. «Ich empfehle es eher als Ergänzung zu einer bestehenden Ausbildung in der Gastronomie oder in einer Bäckerei.» Der Begriff Barista sei außerdem nicht geschützt, ergänzt Zietemann. «Theoretisch kann sich jeder so nennen.»

Von der Dauer und Qualität her unterschieden sich die angebotenen Kurse erheblich, erläutert Markovic. Manche gingen über wenige Tage, andere über Wochen. Seriöse Anbieter erkenne der angehende Barista zum Beispiel an einem Zertifikat des Europäischen Spezialitäten Kaffeeverbands SCAE, erklärt Zietemann. Wichtig ist für Holthaus-Vehse außerdem, dass der Trainer immer erklären kann, warum er welchen Arbeitsschritt macht.

Ein echter Kaffee-Experte sei man nach so einem Kurs außerdem noch lange nicht, findet Holthaus-Vehse. «Um ein perfekter Barista zu werden, muss man mindestens zwei, drei Jahre in einem Unternehmen arbeiten, eh man eigenständig arbeiten kann.» Und es dauere viele Jahre, die nötige Leichtigkeit zu bekommen, um sich während des Kaffeemachens mit dem Gast beschäftigen zu können.

Manche überschätzten auch ihre betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten: «Es ist der Traum von vielen, ein Café aufzumachen. Aber wie wichtig Wirtschaftlichkeit ist, wenn man einen Coffee-Shop professionell betreiben will, das unterschätzen viele», hat Holthaus-Vehse beobachtet. Viele Baristas arbeiten laut Zietemann als Angestellte in Restaurants, Cafés oder Kaffeebars. Der Verdienst sei abhängig von der Stadt, dem Betrieb und der Qualifikation - «zwischen sechs und zehn Euro die Stunde, je nachdem, wo man ist und wie gut man ist», sagt Markovic. Grundsätzlich sei der Lohn in größeren Städten höher.

Ein Problem sei dabei die Einstellung vieler Kunden, findet Holthaus-Vehse: Die meisten seien nicht bereit, gutes Geld für einen wirklich guten Kaffee zu bezahlen. Die Hauptsache sei, er macht wach. Also lohne es sich für Gastronomen oft nicht, einen eigenen Barista anzustellen oder Angestellte entsprechend ausbilden zu lassen. «Die Ausbildung kostet Geld, und für jemanden, der - in Anführungszeichen - 'nur' Kaffee kocht, investiert man natürlich nicht.» dpa

Renaissance des Filterkaffees

Bislang standen für Baristas der Espresso und Getränke auf Espressobasis im Vordergrund. Immer mehr Deutsche fänden aber wieder Geschmack am klassischen Filterkaffee, sagt Nana Holthaus-Vehse, die Deutsche Baristameisterin von 2009. Deshalb gehöre er inzwischen auch zum Repertoire des Baristas. Filterkaffee entspreche viel eher dem deutschen Geschmacksbild als Espresso. Denn er habe im Gegensatz zum sehr intensiven italienischen Espresso einen leichten, klaren Geschmack. In einer Tasse Filterkaffee seien 1,2 bis 1,5 Prozent Kaffeesubstanz, im Espresso dagegen weit mehr als 11 Prozent. «Außerdem hat man vom Kaffee einfach länger was.»