Von Ralf E. Krüger
Im «Rubis», der berühmten Pariser Weinbar in der Rue Du Marché Saint-Honoré, stehen die ersten Flaschen schon bereit. Traditionell wie an jedem dritten Donnerstag im November ist wieder «Beaujolais-Tag». Der Primeur wird ausgeschenkt, der erste Wein des neuen Jahrgangs aus der gleichnamigen Weinregion. Auch an anderen Orten wird weltweit in Weinschenken, Restaurants und Bars - oft zu nostalgischer Akkordeon-Folklore - wieder der junge Wein verkostet. Diesmal jährt sich das weinselige Gesellschaftsereignis zum 60. Mal. Ob es hoch her geht?
Hinterm Tresen des «Rubis» gibt sich der Kellner zum Jubiläum eher skeptisch: «Das ist vorbei. Früher war der Beaujolais Nouveau das Ereignis des Jahres, da wurde noch richtig gefeiert.» Wehmut liegt in der Stimme, denn die Zeiten haben sich geändert. Zwar stehen auch heute noch bauchige Weinfässer vor dem Bistro auf dem Bürgersteig.
Doch die Fans dürfen den süffigen, kühl servierten Jungwein nicht mehr draußen verkosten: restriktive Gesetze verbieten jeglichen Alkoholausschank im Freien. Auch die veränderten Konsumgewohnheiten der Verbraucher ließen die Nachfrage nach dem spritzigen Billigwein aus der Gamay-Traube weltweit arg schrumpfen.
Seit 1951 genießen die Winzer der Gegend bei Beaujeu und Lyon das Ausnahme-Recht, frisch gekelterten Rebsaft vorzeitig im November zu entkorken. Gerade mal ein paar Wochen alt war er zunächst nur für den Hausgebrauch der Winzer zum Anstoßen auf die erfolgreich beendete Traubenlese gedacht. Als ihn findige Händler in Paris anboten und sich ein Wettrennen um die zuerst eintreffenden Tropfen lieferten, war die Idee zur Vermarktung geboren. Trotz des Naserümpfens vieler Experten ob des «unfertigen» Weins wurde aus dem Ereignis schnell ein Verkaufsschlager.
Das oft belächelte typische Bananen-Aroma wegen eines speziellen Hefe-Zusatzes ist längst verschwunden. «Heute schmeckt er eher nach roten oder schwarzen Beeren. Der jetzt ausgeschenkte Jahrgang hat dank besonders günstiger klimatischer Bedingungen sogar den Geschmack von beiden», sagt Jean Bourjade vom Weinverband Interbeaujolais, der den Jubiläums-Jahrgang mit den Worten lobt: «Er hat diesmal ein sehr reichhaltiges, elegantes Aroma mit einer sehr intensiven Farbe.» Seit 1985 wurde der Beaujolais Nouveau dank viel Werbung zwischen Tokio und Düsseldorf zum Gesellschaftsphänomen.
1998 gingen 62 Millionen Flaschen über den Ladentisch. «Wir hatten damals unser goldenes Zeitalter, vor allem in den 1980er und 1990er Jahren. Seit Beginn dieses Jahrtausend gab es leider einen Rückgang, der sich erst in den vergangenen beiden Jahren wieder stabilisiert hat», sagt Bourjade. Er gibt zu, dass auch die einseitige Vermarktung des Jungweins den Blick aufs übrige Qualitätsangebot der Winzer verstellte. «Wir haben das in der Zwischenzeit korrigiert - der Beaujolais Nouveau hing wie ein Schatten über dem Gesamtangebot.»
In Japan sitzen außerhalb Frankreichs die weltweit größten Beaujolais-Fans, sagt Verbandssprecherin Melina Condy. Etwa die Hälfte der 15 Millionen Flaschen, die als Beaujolais Nouveau ins Ausland geschickt werden, gehen ins Land der aufgehenden Sonne. Deutschland ist nach den USA der drittgrößte Exportmarkt. «Dort waren wir sehr präsent, aber der Absatz sinkt», heißt es beim Winzerverband. Verbessertes Marketing soll es nun richten.
Besonderes Augenmerk richten die Beaujolais-Winzer auf die Schwellenländer. «Vor allem Brasilien und Russland sind groß im Kommen; China noch eher weniger, die setzen bisher vor allem auf Bordeaux», sagt Bourjade.
Insgesamt blieb die weltweite Weinproduktion im laufenden Jahr trotz gesunkener Anbaufläche nach Angaben des Internationalen Weinverbands OIV stabil. Frankreich belegt dabei erneut den ersten Platz als bedeutendster Weinproduzent. Im laufenden Jahr habe das Land 49,6 Millionen Hektoliter Wein produziert - neun Prozent mehr als im Vorjahr.
Italien kam auf 42,2 Millionen Hektoliter (minus 13 Prozent), Spanien auf 35,3 Millionen (minus 2 Prozent). Deutschland liegt nach den Schätzungen des Weinverbands in diesem Jahr mit 9 Millionen Hektolitern (plus 30 Prozent) europaweit auf Platz vier. dpa