Deutschlands größtes Hotelbuchungsportal Booking.com kann im Streit mit dem Bundeskartellamt möglicherweise auf Rückendeckung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf hoffen. Der Erste Kartellsenat des Gerichts signalisierte am Mittwoch in einer mündlichen Verhandlung Zweifel an der Entscheidung der Wettbewerbshüter, die Bestpreisklauseln in den Verträgen von Booking.com mit seinen Hotelpartnern als kartellrechtswidrig zu untersagen.
Der Hintergrund: Die Klausel von Booking.com sah vor, das der Zimmerpreis auf der hoteleigenen Website nicht niedriger sein durfte als das Angebot auf dem Buchungsportal. Das Bundeskartellamt sah darin eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs und untersagte die Regelung. Booking.com legte dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht ein.
Der Vorsitzende Richter des 1. Kartellsenat erklärte, das Gericht prüfe, ob es sich bei der Bestpreisklausel nicht um eine notwendige Nebenabrede in den Vereinbarungen mit den Hotelpartnern handele, um eine «illoyale Ausnutzung» der Vermittlungsleistung von Booking.com durch die Partnerhotels zu verhindern.
Ohne eine solche Regelung könnten Hotels quasi als Trittbrettfahrer die Online-Plattform nutzen, um von den Zimmersuchenden wahrgenommen zu werden - dann jedoch die Gäste zur Buchung mit günstigeren Preisen auf die eigene Website locken, sagte Kühnen. Die Lebenserfahrung zeige, dass in der Regel der Preis darüber entscheide, wo am Ende gebucht werde. Und die Hotel-Website sei nur einen Klick vom Booking.com-Angebot entfernt. Der Vorsitzende Richter betonte allerdings auch ausdrücklich, die Entscheidung des Gerichts sei noch offen.
Booking.com-Anwalt Ingo Brinker griff die Argumentation des Senats auf und betonte, ein Verbot der Bestpreisklausel gefährde wegen der Möglichkeit des Trittbrettfahrens das Geschäftsmodell von Booking.com.
Der Kartellamtsvertreter Jörg Nothdurft betonte dagegen, dass der Markt für Hotelbuchungsportale trotz der Untersagung der Bestpreisklauseln bei den Marktführern Booking.com und HRS weiter gewachsen sei. Dies spreche dafür, dass die Klauseln eben nicht notwendig seien und unnötig den Wettbewerb einschränkten. Die Wettbewerbsbehörde betonte, für die Zukunft der Hotels sei es wichtig, dass sie die Preishoheit auf ihren eigenen Websites behielten. Denn dieser Vertriebsweg werde für sie immer wichtiger. Außerdem sei es unverhältnismäßig, das Problem möglicher Trittbrettfahrer mithilfe einer Bestpreisklausel zu lösen und dabei die Gefahr von Einheitspreisen in Kauf zu nehmen.
Der Rechtsanwalt des Hotelverbandes Deutschland, Volker Soyez, warnte nachdrücklich vor einer Wiederzulassung der Bestpreisklausel von Booking.com: «Das wäre definitiv das Ende des Online-Direktvertriebs der Hotellerie.»
Eine Entscheidung traf das Gericht bei der Verhandlung noch nicht. Auch ein Termin für die Verkündung eines Urteils wurde noch nicht festgelegt. dpa
Ein Urteil dürfte auch für Kunden Folgen haben:
Worum geht es in dem Streit?
Im Mittelpunkt stehen die Bestpreisklauseln, mit denen sich viele Portale in der Vergangenheit bei ihren Hotelpartnern optimale Konditionen sicherten. Das Bundeskartellamt sieht darin eine Einschränkung des Wettbewerbs und verpflichtete Marktführer Booking.com im Dezember 2015, eine entsprechende Klausel aus allen Verträgen mit Hotels in Deutschland zu entfernen. Dagegen hat das Unternehmen Beschwerde eingelegt.
Was genau stand in den Verträgen von Booking.com?
Es handelte sich um eine enge Bestpreisklausel: Die Hotels durften ihre Zimmer laut Vertrag auf der eigenen Hotel-Website nicht günstiger anbieten als bei Booking.com. In der weiten Klausel müssen sich die Hotels verpflichten, dem Portal ohne Ausnahme den niedrigsten Zimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die günstigsten Buchungsbedingungen garantieren.
Was stört das Bundeskartellamt an der Regelung? Nach Einschätzung der Wettbewerbsbehörde sind die Bestpreisklauseln generell nur auf den ersten Blick vorteilhaft für den Verbraucher, in Wirklichkeit jedoch nachteilig. «Letztlich verhindern die Klauseln, dass an anderer Stelle niedrigere Hotelpreise angeboten werden können», warnt Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
Aber macht die Vertragsklausel wirklich so viel aus?
Ja, meint das Bundeskartellamt. Denn kaum ein Hotel wolle auf der eigenen Homepage schlechtere Preise offerieren, als auf einem Hotel-Portal. Schließlich würde dies den eigenen Online-Vertrieb empfindlich schwächen. Die Auswirkungen der Booking.com-Regelung seien deshalb letztlich ähnlich wie bei der weiten Bestpreisklausel.
Was sagt Booking.com dazu?
Das Online-Portal sieht die Sache natürlich anders. Eine Sprecherin verteidigt die umstrittene Vertragsklausel: «Die Raten-Parität, also gleiche Preise auf Booking.com und der Hotel-Website, ist von 27 Wettbewerbsbehörden weltweit akzeptiert worden. Sie ist auch in den meisten europäischen Ländern in Kraft und garantiert den Verbrauchern einen transparenten und einheitlichen Preisvergleich.»
Und was sagen die Hotelbetreiber?
Der Hotelverband Deutschland steht voll hinter dem Bundeskartellamt. Hauptgeschäftsführer Markus Luthe erhofft sich von dem Düsseldorfer Verfahren ein «Ende des Paritätenregimes in Deutschland». Für Luthe steht fest, «dass enge wie weite Meistbegünstigungsklauseln generell aus dem Geschäftsverkehr zu verbannen sind».
Ist das Verfahren gegen Booking.com ein Einzelfall?
Nein, im Gegenteil. Vor dem Verfahren gegen Booking.com hatte das Bundeskartellamt bereits dem Hotelportal HRS die Verwendung einer weiten Bestpreisklausel untersagt und dafür auch Rückendeckung des Oberlandesgerichts Düsseldorf erhalten. Außerdem läuft bei der Behörde ein Verfahren gegen das Reiseportal Expedia.
Müssen die Verbraucher befürchten, dass die Hotel-Portale deswegen bald die Bestpreisgarantien für Kunden streichen?
Eher nicht. Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen einer gerichtlichen Niederlage betonte die Booking-Sprecherin: «Wenn ein Kunde im Internet einen besseren Preis findet, werden wir auch weiterhin die Differenz erstatten. Das wird sich nie ändern.» Auch der Konkurrent HRS bietet weiter eine Bestpreis-Garantie für seine Kunden, obwohl er auf Druck des Kartellamtes die Bestpreisklauseln in seinen Verträgen mit den Hotels streichen musste.