Besuch im Hotel Waldorf Astoria in Berlin

Von Caroline Bock

Friedrich W. Niemann (50) hat das pralle Berliner Leben vor der Hoteltür. Schüler auf Klassenfahrt suchen nach Bubbletea-Läden, ein Pfandsammler fischt im Abfalleimer am Bahnhof Zoo nach Leergut. Niemann ist mit seinen 2,02 Meter und dem Nadelstreifenanzug nicht zu übersehen. Er ist Direktor des neuen Luxushotels Waldorf Astoria. Das erste «WA» in Deutschland liegt nicht weit vom glitzernden Kurfürstendamm, zwischen Gedächtniskirche, Zoo-Palast und Beate Uhse. Die Frage, ob ihn der Sexladen stört, kontert Niemann mit der Gegenfrage: «Stört es Sie?»

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Wer in Berlin Hotelier ist, braucht starke Nerven. Gerade wurde die Eröffnung erneut verschoben, nun soll es im Herbst soweit sein. Das Waldorf Astoria landete im Strudel der «In Berlin klappt nichts»-Schlagzeilen über missglückte Starts. Siehe Flughafen Schönefeld. Niemann bleibt ruhig und sagt: «Es ist nichts Ungewöhnliches bei Projekten dieser Größenordnung - ich spreche jetzt vom Waldorf Astoria Berlin - dass sie sich verschieben.» Jetzt sei das Gros der Zimmer fertig.

Beim Rundgang sieht es schon mehr nach Hotel als nach Baustelle aus. Das Waldorf Astoria hat weder die meisten Zimmer noch die größte Lobby in Berlin. Dafür ist es mit 118 Metern ein echtes Hochhaus. Die Innenarchitekten haben sich vom Art-Deco-Stil, für den das Mutterhaus in New York berühmt ist, inspirieren lassen. Das Ergebnis: eher modern als retro.

In der Wellness-Etage und bei der Aussicht von der Dachterrasse würde der Berliner sein Lob vergeben: Da kannst du nicht meckern. Im Restaurant wird Sternekoch Pierre Gagnaire auftischen - zum «casual fine dining», so nennt der Fachmann das edle Essengehen ohne Anzug und Abendkleid. Das «Romanische Café» soll an Berlins goldene Zeiten anknüpfen.

In einem der «Deluxe»-Zimmer nimmt sich Niemann Zeit fürs Interview. Einen Pressesprecher, der aufpasst, braucht er nicht. Der Berliner Markt ist hartumkämpft. 32 Hotels sollen gerade entstehen, war kürzlich zu lesen. Aber für die «Hotel-Legende» sieht Niemann nur eine Handvoll Konkurrenten.

Das Umfeld im alten Westen, der jahrelang im Schatten des mittlerweile feinen Ostens stand, sieht er nicht als Schmuddelecke. «Das ist nicht der Pariser Platz und nicht der Gendarmenmarkt - das ist echtes Großstadtflair.» Der Standort werde sich eh in den nächsten Jahren komplett wandeln. Gegenüber wird der Zoo-Palast renoviert, vor dem bald wieder ein roter Teppich für die Berlinale liegen könnte.

Im Waldorf Astoria in New York haben alle amerikanischen Präsidenten übernachtet. Vielleicht bekommt auch der Berliner Ableger einmal Besuch aus dem Weißen Haus? Niemann lässt sich dazu nichts entlocken. Und was ist mit der Urenkelin von Hotelgründer Conrad Hilton? «Paris Hilton kann gerne vorbeischauen.» In der Präsidentensuite in der 31. Etage wären 280 Quadratmeter Platz für Hündchen und Koffer. Die Suite kostet zwischen 6000 und 11 000 Euro, die Spanne bei den normalen Zimmern liegt zwischen 250 und 550 Euro.

Niemann, der aus Köln stammt, ist erfahrener Hotelier - geschickt platziert er die Vokabeln wie «True Waldorf Service» und «Better Than Home»: echter Waldorf Service, der Gast soll es schöner haben als Zuhause. Niemann arbeitet seit Jahren für die Marke Hilton, davor war er beim Kempinski. Seine letzten Stationen vor Berlin waren Bulgariens Hauptstadt Sofia und Bukarest. «Ein traumhaftes Land», sagt er über Rumänien.

Zwischen den verstaubten Bauarbeitern, die noch an den Türen schrauben, sticht Niemann heraus. Am Handgelenk blitzen Manschettenknöpfe von «Tiffany's», dazu trägt er einen Siegelring, ein Familienstück. Niemann wohnt in der Nähe, im Tiergarten, er ist kinderlos und Single. Und ein ruhiger Typ. «Ich werde sehr selten laut. Ich beobachte und analysiere sehr viel.»

Mit einem Freundeskreis, dem nicht nur Hoteliers angehören, und Fitness-Stunden mit Privat-Trainer schafft er sich Ausgleich zum Job. Man müsse darauf achten, es nicht persönlich zu nehmen, sagt Niemann zum Thema schwierige Gäste. Und: Promis oder wichtigen Politiker seien gar nicht so kapriziös. «Bundespräsident Rau wollte nach einem langen Tag einfach ein leckeres Schinkenbrot.» Seine Erlebnisse verarbeitet Niemann in einem Roman, eine Spielerei. «Viel weiter als Seite 90 bin ich nicht.» dpa

Waldorf-Astoria-Chef sieht «eine Handvoll» Konkurrenten in Berlin

Friedrich W. Niemann ist General Manager des ersten Waldorf Astoria in Deutschland. Gerade gab es unangenehme Schlagzeilen, weil sich die Eröffnung des Luxushotels erneut verzögert - bei den genauen Gründen dafür verweist das Hotel auf den Generalunternehmer.

Wann rechnen Sie mit der Eröffnung?

Niemann: «Die Eröffnung hängt davon ab, wann das Haus fertiggestellt ist. Wir übernehmen das Haus vom Investor, der es vom Generalunternehmer übernehmen wird. Die Frage nach dem exakten Termin kann ich nicht beantworten. Wir gehen vom Herbst aus.» (Anmerkung der GOURMETWELTEN: Das Waldorf Astoria nimmt derzeit erst Buchungen ab 2013 an. Wie beim Flughafen laufen die Wetten, dass beide erst spät in 2013 eröffnen.)

Wie haben Sie es verkraftet, dass Sie mit der Verschiebung in den Strudel der negativen Berlin-Nachrichten hineingekommen sind - siehe der missglückte Start des neuen Flughafens?

Niemann: «Es ist nichts Ungewöhnliches bei Projekten dieser Größenordnung - ich spreche jetzt vom Waldorf Astoria Berlin - dass sie sich verschieben. Einfach, weil es sehr komplex ist - und gerade beim Luxushotel geht es um eine perfekte Fertigstellung.»

Haben Sie schon Bahnchef Grube bestochen, dass die ICEs wieder am Bahnhof Zoo halten?

Niemann: «Jetzt verstehe ich das Verb, das Sie verwandt haben, in diesem Zusammenhang nicht so ganz (lacht) - das gibt es nicht in meinem Vokabular ... Mir persönlich ist wichtiger, dass der Bahnhof so interessant ist, dass auch wieder ein ICE dort hält. Ich würde das natürlich begrüßen - auch wenn unsere Gäste in der Regel nicht unbedingt mit dem Zug kommen.»

Ein Fachblatt berichtet, in Berlin entstünden gerade 32 Hotels. Macht Ihnen das Kopfzerbrechen?

Niemann: «Es ist ein gutes Zeichen dafür, dass der Berliner Markt nach wie vor interessant ist, sowohl für Investoren, Hotelbetreiber und in erster Linie für Reisende. Wenn ich mich auf unser Luxussegment konzentriere, gibt es in Berlin vielleicht eine Handvoll Hotels, die wir als Wettbewerber betrachten würden. Wir haben sicher ein Alleinstellungsmerkmal durch die Marke.»

Wie überzeugen Sie Gäste, nicht ins Adlon zu gehen, sondern ins Waldorf Astoria?

Niemann: «Es gibt in Berlin viele sehr gute Hotels. Das Waldorf Astoria jedoch ist eine Hotel-Legende. Und anspruchsvolle Reisende benötigen ein inspirierendes Umfeld und ein Gästezimmer, das den Standard des eigenen Heimes möglichst noch übertrifft.»

Was ist für Sie am persönlich schlimmsten: a) ein Tischmüllereimer im Restaurant, b) ein Raucherzimmer oder c) eine muffige Rezeptionistin?

Niemann: «Den Tischmülleimer kann ich wegstellen, ein Raucherzimmer wechseln. Eine muffige Rezeptionistin ist kurz vorm Super-Gau.»

Und was ist für Sie ein absolutes Tabu?

Niemann: «Das eine sind unprofessionelle, unfreundliche Mitarbeiter - weil keiner gezwungen ist, den Job, den er hat, zu machen. Sie nicht und ich auch nicht. Das zweite Thema ist grundsätzlich noch wichtiger: Wenn mit der Sicherheit der Menschen im Hotel schlampig umgegangen wird - wenn Notausgänge zugestellt sind, Feuerlöscher nicht funktionieren. Es gab schon Hotels, Restaurants oder Kneipen, aus denen ich rausgegangen bin, weil ich gesagt habe, hier bleibe ich nicht. Als Hotelier gucke ich schon mal hinter die grünen Schilder bei den Notausgängen - und dann ist da ein umgebautes Stuhllager!»

Was haben Sie sich aus der Biografie des legendären Hotelgründers Conrad Hilton abgeguckt oder was fanden Sie inspirierend?

Niemann: «Abgesehen von seinem bekanntesten Zitat zu den drei Gründen für ein erfolgreiches Hotel - «Location, Location, Location» (Lage, Lage, Lage) - auch seine Aussage, dass man 150 Prozent denken sollte, um 100 Prozent zu erreichen.»