Von Theresa Münch
Zu kaum einer Zeit wird in Europa mehr Bier verkauft als während einer Fußball-Weltmeisterschaft. Doch in Großbritannien und Norwegen schauen Pubs und Händler derzeit besorgt in ihre Lager. Denn in Nordeuropa ist das lebensmittelreine CO2 knapp. Die erste Brauerei hat deshalb die Produktion eingestellt.
«Wenn die Brauereien nicht am Wochenende beliefert werden, wird ihnen allen das CO2 ausgehen», warnte der Chef des norwegischen Brauereiverbands schon im dortigen Rundfunk. «Das werden wir in ein oder zwei Wochen in allen Lokalen und Geschäften spüren.» Auch in Großbritannien rechnet der dortige Pub- und Brauereiverband damit, dass Sorten ausgehen. Die größte britische Pub-Kette Wetherspoon kann laut BBC schon nicht mehr alle üblichen Biere und Cider anbieten.
Wie kommt es zu dem Engpass? Das flüssige CO2 fällt als Nebenprodukt der Ammoniak-Erzeugung für Düngemittel an. Da Düngemittel vor allem zwischen August und März produziert werden, laufen viele Anlagen im Sommer nicht. In diesem Jahr haben einige Hersteller laut Fachblatt «Gasworld» wegen niedriger Preise länger zu als gewohnt. Schlechtes Timing angesichts des guten Wetters und der Fußball-WM. Versorger Praxair musste in Norwegen Prioritäten setzen und beliefert zuerst «Kunden, die Leben, Gesundheit, Tierwohl und Sicherheit bewahren». Denn auch in Krankenhäusern wird CO2 gebraucht, die Brauereien müssen zurückstecken.
Bisher musste nur die nach eigenen Aussagen älteste norwegische Brauerei Aass vorläufig zumachen. Hier wird derzeit weder Bier noch die beliebte gelbe Limo produziert. «Es ist eine kritische Situation», sagte Direktor Christian Aass. «Glücklicherweise haben wir noch Waren auf Lager. Wir müssen jetzt sehr gut planen.»
Andere haben die Produktion runtergefahren, entscheiden von Tag zu Tag. Auch Norwegens größter Bierproduzent Ringnes musste Prioritäten setzen. «Bislang haben wir es aber geschafft, sowohl Softdrinks als auch Bier herzustellen», sagt ein Sprecher. An einen landesweiten Mangel glaube er deshalb nicht.
Die deutsche Radeberger-Gruppe spürt die Knappheit an Quell-Kohlensäure ebenfalls. «Es ist richtig, dass es Versorgungsengpässe im Markt gibt, die dank Wetter- und Weltmeisterschaftseffekten durch eine positive Absatzentwicklung im Bier- und Getränkemarkt weiter forciert werden», sagte eine Sprecherin. Radeberger könne das in den Brauereien und Mineralbrunnen aber bislang noch erfolgreich ausgleichen.
Der Deutsche Brauer-Bund verspricht: «Es ist genug Bier für alle durstigen Kehlen da.» Das Reinheitsgebot verbiete ohnehin den Zusatz von CO2, das Bier bekomme seinen Sprudel während der Gärung. Und das CO2, das beim Umfüllen in den Tanks gebraucht werde, falle in der Regel dabei auch noch mit ab. Die deutschen Brauereien kauften daher überhaupt nur geringe Mengen zu.
Auf CO2 angewiesen sind auch Softdrink-Hersteller wie Coca Cola. In Großbritannien seien Fertigungslinien kurzzeitig unterbrochen worden, teilte das Unternehmen mit. Bisher könne aber noch alles geliefert werden.
In etwa einer Woche könnte laut Aass wieder CO2 zu haben sein. Zwei britische Fabriken sollen bald wieder hochfahren, die norwegische möglicherweise am 12. Juli. Bis dahin, rät der britische Pub-Verband, müssten Bierliebhaber eben flexibel sein. «Das ist die ideale Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren, wenn dein normales Bier nicht zu haben ist.» dpa
Russland: Bierversorgung in WM-Städten ist nicht gefährdet
Beruhigende Nachrichten für Fußballfans bei der Weltmeisterschaft: Der Bier-Nachschub in den WM-Spielorten ist nach Angaben des russischen Brauereiverbandes sicher. Versorgungsprobleme seien nicht bekannt, teilte der Verband in Moskau mit. Bei Berichten über fehlendes Bier in einigen Kneipen handele es sich um Einzelfälle. Gaststätten in der russischen Hauptstadt und anderen Spielorten verzeichnen seit Beginn der WM einen ungewöhnlich starken Anstieg beim Bierverkauf.
Teilweise trinken die Fußballfans nach Darstellung einiger Gastronomen die Vorräte leer. «Es kommt in der ganzen Stadt vor», sagte der Besitzer des Moskauer Pubs Jim & Jack's der dpa. Die Produzenten könnten nicht schnell genug Nachschub liefern, kritisierte er. Der Marketingchef der russischen AB-Inbev-Tochter, Konstantin Tamirow, sagte der Zeitung «Kommersant», der Verkauf habe deutlich zugelegt. AB Inbev stellt auch das offizielle WM-Bier Bud her. Das Unternehmen sei darauf vorbereitet, im Notfall zusätzliche Mengen in den Verkauf zu bringen.
Der Verband der Bierbrauer hofft durch das Turnier auf einen Schub. Allerdings sei noch unklar, ob dies ausreichen würde, den negativen Trend zu stoppen. Allein 2017 war der Markt um 5 Prozent eingebrochen, auch wegen eines Verkaufsverbots von günstigen PET-Flaschen mit einem Volumen von 1,5 Litern oder mehr, die bei Russen sehr beliebt waren.