Bio-Lachs aus Norwegen Schafställe stoppen Siegel

Von Benedikt von Imhoff

Es klingt wie aus dem Lehrbuch für EU-Kritiker. Weil Schafställe in Norwegen zu viele Spalten im Boden aufweisen, darf das Land keinen Lachs mehr mit dem EU-Bio-Siegel in die Europäische Union exportieren. Dabei ist an dem Fisch selbst gar nichts auszusetzen. «Der Lachs wird so produziert, wie die EU das vorschreibt», betont Matthias Keller, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Fischindustrie. Das Problem trägt vielmehr die Bezeichnungen 834/2007 und 889/2008.

Norwegen hat - wie auch Island - diese EU-Regulierungen noch nicht in die Vereinbarung zum Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen, dem die beiden Nicht-EU-Mitglieder angehören. Die Vorschriften betreffen Aquakulturen wie beim Bio-Lachs, aber auch die Bedingungen in Schafställen. Und hier liegen EU und Norwegen deutlich auseinander.

Denn Brüssel schreibt vor, dass die Ställe aus Tierschutzgründen möglichst festen Boden haben und mit Stroh bedeckt sein sollen. Norwegen hingegen bevorzugt Spalten, damit die Exkremente hinabfallen können und weil wegen des eher kalten Klimas Getreide - und also auch Stroh - rar ist.

«Wir können und wollen bei diesen Regeln nicht nachgeben, denn Verbraucher in der EU verdienen volles Vertrauen in das, was auf ihren Tellern landet», sagt ein EU-Kommissionssprecher. «Die Richtlinie muss als Ganzes übernommen werden und nicht à la carte.» Er betont, die Kommission habe lange Zeit mit Norwegen - und dem EWR-Mitglied Island - über technische Anpassungen diskutiert. «Manche der Forderungen gehen jedoch über bloße technische Anpassungen hinaus.»

Was skurril klingt, hat für den deutschen Einzelhandel schon erste Auswirkungen. Die Discounter Lidl und Aldi Nord haben einen Lieferstopp für den umstrittenen Norwegen-Lachs verhängt, wie sie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch mitteilten. Eine Aldi-Sprecherin sagte, das Unternehmen suche nun andere Bezugsquellen für Bio-Lachs. Die vorhandene Ware dürfe aber nach Absprache mit den Bundesländern noch abverkauft werden.

Zwar hofft die Regierung in Oslo auf neue Ausnahmen. Allerdings räumte Fischereiminister Per Sandberg unlängst ein, dass die Bemühungen noch keinen Erfolg gehabt hätten: «Das ist eine unglückliche Situation, die mittelfristig signifikante Konsequenzen für Produzenten von Bio-Lachs in Norwegen haben kann.»

Fischexport ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in dem Land. Allein im August führte Norwegen Meeresfrüchte im Wert von 7,1 Milliarden Kronen (rund 775 Mio Euro) aus, ein Drittel mehr als im Vorjahresmonat. 5,3 Milliarden Kronen stammen aus dem Lachsverkauf.

«Norwegen ist der größte Lieferant von Bio-Lachs, und deshalb kann die Lücke momentan nicht geschlossen werden», sagte Martina Buck, Sprecherin des Fischverarbeiters Deutsche See, jüngst der «Tageszeitung» (taz). Rund 18 000 Tonnen des vor allem bei Gourmets beliebten Lebensmittels produziert das skandinavische Land jedes Jahr, mehr als die Hälfte geht nach Deutschland. Überhaupt ist Lachs hierzulande der beliebteste Speisefisch.

Das Brüsseler Verbot von Mitte Juli, dass die Ware kein Bio-Label tragen darf, führt auch innerhalb Deutschlands zu Chaos. So schreiben nun einige Bundesländer vor, die bereits verpackte norwegische Ware sofort vom Markt zu nehmen. Anderswo darf hingegen der Lagerbestand noch verkauft werden, oder es wird erst einmal abgewartet, ob sich in der Sache nicht doch noch etwas tut.

«Das ist eine Posse, die wir nicht gutheißen», meint Keller von der Fischereiindustrie. Notfalls, sagt er, müssten die Verbraucher auf Produkte aus Schottland und Irland ausweichen. Dann sei auch mit deutlich höheren Preisen zu rechnen. Doch so weit ist es noch nicht.

So hofft die Branche, dass ein Treffen des zuständigen EU-Kommissars Phil Hogan mit dem norwegischen Landwirtschaftsminister Ende September einen Fortschritt bringt. Und schließlich darf Lachs aus Norwegen weiterhin ohne Einschränkungen verkauft werden, wie auch die EU betont. Nur eben nicht mit dem begehrten Bio-Siegel. Die Versorgung sei also keinesfalls eingeschränkt, erklärt Keller. dpa