Chefkoch burn out

Von Anja Sokolow

Lars Wilbrecht war Küchenchef auf der als «Traumschiff» bekannten MS Deutschland. Er kochte im Berliner Borchardts für Promis und arbeitete auf einem Luxus-Flusskreuzfahrtschiff. Von Dubai über Singapur bis New York hat er die ganze Welt gesehen. Jetzt bekocht Wilbrecht die Mitarbeiter der PCK Raffinerie Schwedt (Uckermark). Den Wechsel von der Luxusküche in die Betriebskantine und von den Meeren der Welt ins ländliche Brandenburg hat er noch keinen Tag bereut.

Blutwurst mit Sauerkraut und Brathähnchen mit Rotkohl stehen an diesem Tag unter anderem auf der Speisekarte in der PCK-Kantine. «Mittwoch ist unser rustikaler Tag», sagt Wilbrecht schmunzelnd. Die Kantine ist gut besucht. Mitarbeiter in Blaumännern lassen sich das deftige Essen schmecken.

In der Küche dekoriert der Chef ganz in Ruhe einen Teller mit Fischfilet, Salat und Balsamico-Dressing - auch in der Kantine ist es ihm wichtig, ein «ordentliches Produkt» zu servieren. Von Schnickschnack hält er aber nicht viel: «Ich bin immer bodenständig geblieben», sagt der in Schwedt geborene Koch, der seine Ausbildung im «Klub der Chemiearbeiter» absolviert hat.

Doch wie kommt ein Koch, der in der besten Schiffsküche der Welt am Herd stand, in eine Betriebskantine? «Ich lebe jetzt wieder», erklärt der 39-Jährige. Auf dem Schiff habe er zwischen 300 und 350 Stunden im Monat gearbeitet. «Das macht alles Spaß, aber alles zu seiner Zeit. Mit 35 hat es mir gereicht», sagt er. Seit vier Jahren kocht er nun schon in Schwedt. Seine Arbeitswoche dauert nun nur noch fünf Tage und er hat Zeit für Familie und Handballverein. Am Freitag um 13.00 Uhr ist Feierabend - im früheren Leben war das undenkbar.

Das Paket stimme einfach, erklärt Wilbrecht: «Es ist ja nicht nur die klassische Werksverpflegung, hier hängt mehr dran», erzählt er. Wilbrecht ist unter anderem auch für das Catering im Gästehaus, in dem oft hohe Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft absteigen, zuständig. Und dann darf es auch schon mal die gehobene Küche sein.

In der Kantine legt er Wert auf lokale Gerichte. Dazu zählen auch Hirsche, von denen auf dem riesigen Gelände der Raffinerie etwa 40 pro Jahr erlegt werden. Verändert habe er nur einige Dinge, wie etwa die Salatbar, mit einem nun abwechslungsreicheren Angebot.

Wechsel in eine Kantine seien nicht ungewöhnlich oder ehrenrührig, erklärt der Vizepräsident des Verbandes der Köche Deutschland, Andreas Rohde. «Der Druck in einer Sterneküche macht Spaß, aber nicht jeder hält ihn ein Leben lang durch», sagt er. Rohde ist selbst von Hotelküchen in eine Reha-Klinik nach Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin) gewechselt und genießt die 40-Stunden-Woche. «Hier konnte ich erstmals in Ruhe sitzend Mittag essen - eine neue Erfahrung bei der Arbeit», sagt Rohde.

Auch der Spitzenkoch Daniel Schade hat nach Stationen wie dem Neptun-Hotel in Warnemünde oder dem Kempinski Hotel Bristol in Berlin die bodenständige Variante gewählt. Der 27-Jährige arbeitet nun in einer Kantine der Suchthilfeeinrichtung Tannenhof in Berlin.

Da gibt es statt Kalbsbäckchen, Wachteln oder Trüffel einfache Gerichte wie Seelachsfilet mit Kräutersoße. Wegen der Pflegesätze muss der Koch kalkulieren. Auch für ihn sind die Arbeitszeiten nun wesentlich angenehmer. Die große Abwechslung, die die Kantine nicht bietet, holt er sich bei Kochwettbewerben. dpa