Gut gefüllte Einkaufswagen in den Supermärkten, aber gähnende Leere in den Reisebüros: Das Corona-Jahr 2020 hatte für den Handels- und Touristikkonzern Rewe zwei Gesichter. Am Ende überwog für die genossenschaftliche Gruppe aber doch das Positive. «Wir konnten unsere selbstgesteckten wirtschaftlichen Ziele letztlich erreichen, weil die positive Entwicklung in unserem Handelsgeschäft die schweren Belastungen unserer Touristik-Sparte ausgeglichen hat», sagte Rewe-Chef Lionel Souque in Köln.
Die Übernahme des Großhändlers Lekkerland bescherte dem Handelsriesen mitten in der Pandemie sogar einen Wachstumsschub. Die Umsätze stiegen 2020 gegenüber dem Vorjahr wechselkursbereinigt um 20,4 Prozent auf den neuen Rekordwert von 75,3 Milliarden Euro.
In seinem Kerngeschäft, dem Lebensmittelhandel, profitierte der Handelsriese davon, dass die Verbraucher in Deutschland angesichts geschlossener Restaurants und Kantinen und vieler im Homeoffice verbrachter Arbeitstage häufiger selber kochten und sich das auch gerne etwas kosten ließen. Im Supermarktgeschäft in Deutschland stiegen die Umsätze dadurch um mehr als 12 Prozent auf 26,5 Milliarden Euro. Besonders gut schlugen sich einmal mehr die selbstständigen Rewe-Kaufleute. Ihre Umsätze legten durchschnittlich sogar um mehr als 20 Prozent zu. Die konzerneigene Discount-Tochter Penny steigerte ihre Umsätze in Deutschland um 5,4 Prozent auf 8 Milliarden Euro. Auch im Ausland wuchs die Lebensmittelsparte.
Dass die Rewe-Supermärkte sich auf dem Heimatmarkt besser schlugen als die Discount-Tochter Penny, entspricht dem Branchentrend, wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens GfK zeigt. Danach konnten die Supermärkte in der Pandemie den Discountern branchenweit Marktanteile abnehmen. Experten führen diese Entwicklung darauf zurück, dass die Verbraucher in der Pandemie gerne alle Einkäufe in einem Laden erledigen, statt nacheinander zwei oder drei Geschäfte aufzusuchen und deshalb die Supermärkte mit ihrem großen Angebot bevorzugen.
Auch von dem Trend zum Onlinehandel profitierte die Rewe-Gruppe. Insgesamt setzte der Konzern 2020 mit dem Rewe-Online-Shop, dem Tierbedarfshändler Zooroyal und dem Shop Weinfreunde.de über eine halbe Milliarde Euro um, gut das Doppelte des Vorjahres. Mit einem Anteil von ungefähr zwei Prozent am Gesamtumsatz im Vollsortiment blieb die Bedeutung der Online-Sparte aber weiter überschaubar. Geld verdiente Rewe mit seinem Online-Angebot auch 2020 nicht. Das Online-Geschäft sein weiterhin eine Investition in die Zukunft.
Die wachsende Konkurrenz im Online-Lebensmittelhandel, wo derzeit mit Anbietern wie Gorillas, Flink oder Knuspr zahlreiche neue Wettbewerber auf den Markt drängen, die mit Lieferungen noch am selben Tag oder sogar innerhalb von 15 Minuten punkten wollen, sieht Souque gelassen. «Wir nehmen das sportlich», sagte er. Auch bei den Toom-Baumärkten profitierte Rewe 2020 von der Pandemie und steigerte die Umsätze um fast 20 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro.
Größtes Sorgenkind des genossenschaftlichen Unternehmens war in der Pandemie das Touristikgeschäft, wo Rewe mit Marken wie DER Touristik, ITS, Meiers Weltreisen und Kuoni unterwegs ist. Hier brachen die Umsätze pandemiebedingt um 73,9 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro ein. Trotz massiver Sparbemühungen musste die Sparte einen Verlust von rund 400 Millionen Euro ausweisen.
Doch steckte der Konzern dies aufgrund der Erfolge im Lebensmittelhandel erstaunlich gut weg. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) stieg sogar um rund 34 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis sank allerdings nicht zuletzt durch eine deutlich gestiegene Steuerlast um fast 20 Prozent auf 415 Millionen Euro. Hier wirkten sich Rewe zufolge unter anderem nicht verrechenbare Verluste der DER Touristik-Gruppe aus.
Der Zeit nach der Pandemie, wenn Restaurants wieder öffnen können und das Homeoffice wieder seltener genutzt werden dürfte, sieht Rewe-Chef Souque gelassen entgegen: «Klar werden wir ein bisschen weniger Umsatz machen. Aber ich glaube, die Lust am Kochen, dieser Trend wird nicht ganz weggehen.» dpa