«Wir haben Bier vernichtet», sagt Brau- und Malzmeister Leopold Volk. Volk betreibt mit Bruder und Eltern das Wiernsheimer Adler-Bräu. 1500 Liter Bier ließen sie in die Biogasanlage Mühlacker kippen. So konnte laut Volk wenigstens noch umweltfreundlicher Strom daraus erzeugt werden. Indem sie es für den Verzehr unbrauchbar machten, bekommt die Familienbrauerei im Enzkreis zumindest die Biersteuer zurück.
Bei dem so vernichteten Bier handelt es sich um Fassbier. Die Adler-Brauerei hat es nach eigener Angabe aus Kulanz von ihren Gastronomie-Partnern zurückgenommen, weil diese es wegen der Corona-Verordnungen nicht ausschenken konnten. Für später lagern?
Unmöglich. «Unser Fassbier ist ein absolutes Frischeprodukt, weder filtriert noch pasteurisiert», erläutert Volk. Es sei nur wenige Wochen haltbar. Verschenken war auch keine Option. Weil Partys nicht gestattet sind, könnten Privathaushalte so ein 50-Liter-Fass auch nicht rasch genug leeren.
Die Aktion von Adler-Bräu ist laut Baden-Württembergischem Brauerbund kein Einzelfall. Die Corona-Pandemie habe dramatische Auswirkungen für die 210 vorwiegend mittelständischen Brauereien im Land, sagte ein Sprecher des Brauerbundes in Stuttgart. Manche von ihnen hätten vor der Krise bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes über das nun ruhende Gastronomie-Geschäft erzielt. Umsatz, der fehle.
Auch Zwiefalter Klosterbräu hat sein abgelaufenes Fassbier schon umgewidmet. Die Brauerei auf der Schwäbischen Alb übergab es einem Schnapsbrenner, der daraus Desinfektionsmittel für die Apotheken der Region herstellt. «Wie alle Brauereien verkaufen wir sehr saisonlastig», sagt Zwiefalter-Geschäftsführer Peter Baader. Mai, Juni und Juli sind im Jahresverlauf die entscheidenden Monate.
Diesmal fallen Veranstaltungen aus, Biergärten mussten geschlossen bleiben, Menschen laden nicht zu Grillfesten, es gibt keine Hocks und Feste zu beliefern, keine Jubiläumsfeiern und keine Vereinsfußballer, die sich nach dem Training oder dem Spiel treffen. Für den Chef der Lokalbrauerei ist das auch ein Verlust an Geselligkeitskultur. «Uns fehlt nicht nur der Absatz, sondern auch das Zwischenmenschliche», sagt Baader.
In Stuttgart gehört die Debatte um den Maß-Preis zum jährlichen Ritual des Cannstatter Wasens. 2020 nicht. Sowohl Frühlings- als auch Volksfest im Herbst wurden abgesagt. «Das schmerzt», sagt Bernhard Schwarz, Geschäftsführer von Dinkelacker-Schwaben-Bräu. Die Brauerei in Stuttgart stellt zwei der vier großen Brauereizelte auf dem Traditionsjahrmarkt. Den Anteil des dortigen Bierausschanks im Jahresabsatz schätzt Schwarz allerdings auf gerade 1,5 Prozent. Bleibende Einbußen in der Gastronomie bis zum Jahresende wären für ihn viel schlimmer.
Zumindest in Flaschen können sich Fans den Kirmesgeschmack aufs Sofa holen: Ein Volksfestbier für den Herbst will Dinkelacker trotz der Wasen-Absage brauen, das Frühlingsfestbier laufe aktuell sehr gut. Auch wenn die Fassbierabfüllung in der Krise steckt, ist bei dem Stuttgarter Unternehmen die Flaschenbier-Nachfrage im Einzelhandel im April im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, sagt Schwarz.
Auf der Ostalb sieht es anders aus. Bei der Hirschbrauerei Heubach schwächelt auch das Flaschenbiergeschäft. Umsatzeinbußen? Laut Geschäftsführer Alexander Caliz 50 Prozent. Gebraut wird seit März nur noch im Wochenrhythmus, Außendienstmitarbeiter und Schanktechniker haben derzeit nichts zu tun.
Caliz mutmaßt, dass die Bindung zu regionalen Herstellern weniger ausgeprägt ist und Kunden deshalb weniger Solidaritätskäufe unternehmen als anderswo: «Der Schwabe hat nicht diese Heimatverbundenheit wie der Allgäuer oder Oberbayer.» Er hat wenig Hoffnung, dass auf das düstere Frühjahr für seine Branche ein goldenes Jahresende folgt. «Der typische Bierkonsum findet in engen Stammtischkneipen statt. Wer weiß, wann das wieder normal laufen kann - und ob es bis dahin die Pächter und Wirte noch gibt.» dpa