Corona und Oktoberfest Absage beschlossen

Für mehr als sechs Millionen Menschen fällt mit dem Oktoberfest heuer eine große Gaudi aus - für das ohnehin schwer gebeutelte Gastgewerbe aber ist die Entscheidung eine weitere Hiobsbotschaft. Allein die Hotels nehmen in der Wiesnzeit eine halbe Milliarde Euro ein. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bezifferte den Wirtschaftswert des weltweit größten Volksfestes am Dienstag auf 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro und sagte: «Es ist emotional und auch ökonomisch ein schwieriger Moment für die Stadt.»

Die «Absage des Oktoberfestes darf nicht zum Totalschaden des Gastgewerbes führen», warnte der Geschäftsführer des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, Thomas Geppert. Durch die Corona-Krise kämpfen die meisten der 40 000 Betriebe im Freistaat inzwischen ums Überleben.

Die Absage sei «nicht nur für die Stadt, sondern weit darüber hinaus ein riesiger Verlust», es würden «weite Teile der Wirtschaft diesen Verlust deutlich spüren», sagte Geppert. Die Branche brauche einen reduzierten Umsatzsteuersatz und auch «einen Rettungsfonds», sonst «werden weite Teile des Gastgewerbes diese Krise nicht überstehen».

Und «damit würde die Branche als Grundvoraussetzung für die Leitökonomie Tourismus, aber auch als der regionale Wirtschaftsmotor schlechthin auf Dauer wegfallen».

In den vergangenen Jahren kamen rund zwei Millionen Besucher aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland zum Oktoberfest nach München und gaben allein für Übernachtungen 505 Millionen Euro aus, wie die Stadt mitteilte. In den Wiesn-Wochen sind die Hotels und Pensionen ausgebucht, trotz mitunter doppelt so hoher Zimmerpreise.

Etwa 13 000 Arbeitsplätze gibt es laut Wirtschaftsreferat auf dem Oktoberfest selbst. Dort werden nach Angaben der Stadt etwa 440 Millionen Euro umgesetzt. Die Festzelte dürften annähernd 300 Millionen Euro einnehmen, schätzte Ralf Zednik, Marktforscher bei Tourismus München vor der letzten Wiesn. Gut 7,3 Millionen Maß Bier wurden im vergangenen Jahr dort getrunken, dazu unzählige Hendl, Brezen und Schweinsbraten verspeist. Die Achterbahnen, Karussells und Verkaufsbuden auf der Wiesn dürften annähernd 140 Millionen Euro einnehmen. Alljährlich bewerben sich mehr als 1000 Schausteller und Marktkaufleute um einen Standplatz, nur die Hälfte wird zugelassen.

Sechs Münchner Traditionsbrauereien haben das Privileg, ihr eigens gebrautes Festbier auf der Wiesn auszuschenken. Der größte Teil wird zwar nicht dort, sondern kistenweise im Einzelhandel verkauft, in Biergärten und Gastwirtschaften oder ins Ausland exportiert. Aber das «Fest des Münchner Bieres», wie es nach einer Entscheidung des Landgerichts München offiziell heißt, ist für die Brauer eine unbezahlbare Werbung, ebenso wie für den bayerischen Tourismus insgesamt. Der Tourismus bringt München etwa acht Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Weltweit werden mehr als 2 000 «Oktoberfeste» veranstaltet.

Dem Einzelhandel dürften nach Schätzung des Handelsverbandes Bayern rund 200 Millionen Euro fehlen durch die Absage des Oktoberfests.

Ausländische Besucher nutzten den München-Trip gern zum Shoppen, sagte Geschäftsführer Bernd Ohlmann. Nicht nur in München würden heuer keine Trachten und Wiesn-Souvenirs verkauft, auch in der Region und im Online-Geschäft fehle der Umsatz, den Lebensmittelhändlern ein wichtiger Marketing-Faktor im Herbst und der Stadt eine Gelegenheit, sich weltweit als Einkaufsstadt und Reiseziel zu präsentieren. dpa

Brauer-Bund: Oktoberfest-Absage ist weitere Hiobsbotschaft

Die Absage des Oktoberfestes in München und die Terminprobleme für die Cranger Kirmes im Ruhrgebiet werden in der Bierbranche als weitere Hiobsbotschaften angesehen. Der Deutsche Brauer-Bund spricht von bundesweit bereits abgesagten Zehntausenden Veranstaltungen und Festen, die eigentlich ein Pfeiler der Branche seien. «Das ist auf Null», sagte Hauptgeschäftsführer Holger Eichele am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Auch der wichtige Pfeiler Gastronomie, mit dem üblicherweise etwa 20 Prozent des gesamten deutschen Bierabsatzes verbunden sind, sei derzeit weggebrochen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts herber Rückschläge im Exportgeschäft drohe der deutschen Braubranche nach aktuellem Stand ein zweistelliger Absatzrückgang im laufenden Jahr. «Es ist noch kein Licht am Ende des Tunnels im Sicht», verdeutlichte Eichele. Im Gastgewerbe verschärfe sich die Situation von Tag zu Tag und das habe in einem Dominoeffekt längst auf die Brauwirtschaft übergriffen.

Viele der bundesweit über 1500 Bierhersteller seien eng an die Gastronomie gebunden und Pachtausfälle träfen die Brauer hart. 

Der Bierabsatz im Einzelhandel, dem vierten Pfeiler der Branche neben Gastronomie, Veranstaltungen und Export, verlaufe aktuell schleppend.

Knapp 90 Prozent der Brauereien rechneten mit Kurzarbeit und knapp 20 Prozent mit Entlassungen. Der Verband forderte Bund und Bundesländer auf, die «drohende Pleitewelle im Gastgewerbe« zu stoppen. «Das Gebot der Stunde ist es, weiterhin wirksam die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, gleichzeitig aber aufseiten der Wirtschaft Insolvenzen mit all ihren Konsequenzen zu verhindern, unterstrich Eichele. dpa

Hintergrund: Vorab-Information zur Absage Oktoberfest

Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wollen heute über ihre Beratungen zu einer möglichen Absage informieren. Die Staatskanzlei kündigte eine Pressekonferenz für 9.00 Uhr an.

„Wir beide haben eine ähnliche Einschätzung, dass wir sehr skeptisch darüber sind, ob ein Fest in der Größe, mit der Internationalität und unter den Bedingungen überhaupt einen Sinn macht“, sagte Söder am Montag in seiner Regierungserklärung im Landtag. Reiter hatte vergangene Woche eine Entscheidung zum Oktoberfest noch im April angekündigt.

Auch andere Volksfeste wurden bereits abgesagt, darunter das Gäubodenvolksfest in Straubing. Es startet immer am zweiten Freitag im August und zählt mit rund 1,4 Millionen Gästen zu den größten Volksfesten in Bayern.

Am vergangenen Mittwoch hatten Bund und Länder beschlossen, Großveranstaltungen zunächst bis Ende August zu verbieten. Das Oktoberfest ist vom 19. September bis 4. Oktober geplant - demnach wäre die Wiesn zwar durchführbar. Allerdings sehen Experten bis dahin zu wenig Zeit, um Medikamente und Impfungen zu entwickeln.

Rund sechs Millionen Besucher aus aller Welt kommen alljährlich zur Wiesn nach München. In der Enge der oft bis auf den letzten Platz besetzten Bierzelte, aber auch im Gedränge der Gassen draußen wäre ein Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern kaum einzuhalten.

Noch Ende März hatte es geheißen, man wolle so spät wie möglich entscheiden - Ende Mai oder spätestens Anfang Juni. Dann hätten die Zulassungen für Wirte, Schausteller und Marktkaufleute durch die Stadt erteilt werden müssen. Anfang Juli hätte auf der Theresienwiese der Aufbau begonnen.

Schon im 19. Jahrhundert war das Oktoberfest wegen einer Seuche ausgefallen: Wegen der Cholera wurde das Fest 1854 und 1873 abgesagt. Auch zu Kriegszeiten gab es oft keine Oktoberfeste; während der Weltkriege wurde das Volksfest gestrichen, ebenso 1923 in der Phase der Hyperinflation. dpa