Dagegen ist ein Kraut gewachsen - Würzen ohne Salz und Pfeffer

Von Heidemarie Pütz

Kräuter bringen Frische in das Essen. Mit ihren Aromen von anisartig bis zitronig geben sie vielen Gerichten den letzten Pfiff. Wer Abwechslung in seiner Küche wünscht, sollte sich wie die Spitzenköchin Cornelia Poletto aus Hamburg für eine «kräuterlastige Aromaküche» entscheiden. Auch einer gesunden Ernährung zuliebe: Kräuter können Salz, Pfeffer und Fett ersetzen.

In ihrer Kochschule zeigt eine über und über mit Kräutertöpfen bestückte Wand deutlich, welchen Stellenwert die grünen Aromenwunder für Poletto haben: «Sie sorgen immer für das letzte I-Tüpfelchen.» Sei es beim italienische Klassiker Caprese mit Tomaten und Mozzarella das Basilikum mit seinem «wunderbaren Eigengeschmack». Oder beim Lammbraten zum Schluss hinzugefügter frischer Rosmarin oder Thymian. Die Fernsehköchin schwärmt ebenso von einem Kräutersalat mit «Fromage blanc», einer Art Quark aus Frankreich. «Das ist frisch und sehr bekömmlich.»

«Bei Kräutern kann man in den letzten Jahren einen regelrechten Boom beobachten», sagt Daniel Rühlemann von der gleichnamigen Kräutergärtnerei in Horstedt bei Bremen. In deutschen Küchen sind inzwischen nicht nur Petersilie und Schnittlauch, sondern auch Varianten von Basilikum, Thymian, Minze und vieles mehr gefragt. Das Meiste gibt es im Topf für das Kräuterbeet im eigenen Garten, die heimische Fensterbank oder den Balkon, manches aber auch als Bundware oder eingeschweißt in Folie.

Das mittlerweile größere Angebot im Handel sieht Poletto als ein Indiz für bewussteres Kochen: «Die Leute wissen inzwischen, ich brauche keine Geschmacksverstärker. Sie wissen, dass sie mit Kräutern genügend Geschmack hineinbringen.» Mit ihrem Duft und Aroma verleihen Kräuter den Speisen eine individuelle Note. «Sie ersetzen nicht nur Salz und Pfeffer, sondern man kann auch auf Fett verzichten», erklärt Carola Reich vom Dr.-Oetker-Verlag in Bielefeld.

Bei der neuen Vielfalt stellt sich jedoch oft die Frage: Was passt wozu? «Nicht schrecken lassen, sondern ausprobieren», rät Reich. Im Prinzip sei alles möglich, sagt die Kochbuchautorin Karin Wittmann aus Schwangau bei Füssen: «Aber es gibt Kombinationen, die gut harmonieren und solche, die weniger gut zusammenpassen. Mein Tipp: Das Kraut erst mal solo verwenden, um seinen Geschmack kennenzulernen und dann mit seinen Favoriten kombinieren.»

Ausgesprochene Solisten sind für die Kräuterexpertin Christel Rosenfeld aus Valetta auf Malta Basilikum, Dill, Minze und Salbei. Vor allem Minze bringt Frische und Leichtigkeit ins Essen. Wer auf Empfehlung von Cornelia Poletto zum Schluss dem Spargelrisotto etwas klein gehackte Minze hinzufügt, der zaubert in die eher schwere Speise aus Reis, Brühe, Spargel, Parmesan und Butter eine überraschende Frische. Und ein Stängel Erdbeerminze, leicht angedrückt, sorgt bei Rühlemann für eine erfrischende Wirkung in der Wasserkaraffe.

Gute Teamspieler sind oft Gewächse aus derselben Region, zum Beispiel mediterrane Kräuter, erläutert Wittmann. Manches komme schon als Mischung in den Handel wie der Klassiker «Kräuter der Provence» aus Bohnenkraut, Majoran, Lavendel, Oregano, Rosmarin und Thymian. Die «Fines Herbes», eine Mix feiner Kräuter, bestehen traditionell aus Estragon, Kerbel, Petersilie und Schnittlauch.

Spitzenköche würzen mit den frischen, fein geschnittenen Blättern Soßen, Dips, Suppen, Eierspeisen und Gemüse. In die Frankfurter «Grie Soß» zu Spargel oder gekochtem Rindfleisch gehören Boretsch, Gartenkresse, Kerbel, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Es gibt aber auch Varianten mit Dill, Estragon und Zitronenmelisse.

In der Regel dienen Kräuter als feine Würze. Die Hauptrolle übernehmen sie nur selten - zum Beispiel beim cremigen Bärlauch- und Brunnenkressesüppchen. Grundsätzlich gilt: Kräuter sollten die Aromen der jeweiligen Hauptzutat nicht überdecken, sondern ergänzen. Gerade bei sehr aromatischen Exemplaren wie Lorbeer oder Rosmarin bestehe die Gefahr, dass es schnell zu viel wird, warnt Wittmann. Es sei denn, das Aroma soll im Vordergrund stehen, wie beispielsweise bei Lorbeer- oder Rosmarinkartoffeln aus dem Ofen.

Ob für die warme oder kalte Küche - die meisten Kräuter sind empfindliche Zeitgenossen. «Sie haben viele flüchtige ätherische Öle. Deshalb streut man sie zum Schluss am besten immer frisch darüber», empfiehlt Poletto. Zum Mitkochen eignen sich nur kräftige Arten wie Bohnenkraut, Lorbeer, Majoran, Salbei, Rosmarin oder Thymian. «Man sollte sie aber zum Schluss herausnehmen, weil sie unansehnlich werden und bitter schmecken.»

Kenner aromatisieren ihre Soßen oder Fonds mit einem «Bouquet Garni». In das Kräutersträußchen gehören klassisch drei Stängel glatte Petersilie, ein Thymianzweig und ein Lorbeerblatt. Manche Blättchen vertragen Hitze überaus gut. Poletto empfiehlt zum Beispiel: «Salbeiblätter in Olivenöl frittieren und die knusprigen Blätter zum Schluss über ein Pastagericht streuen.»

Vor dem Gebrauch gilt: Kräuter nur kurz mit Wasser abspülen, trocknen und erst unmittelbar vor dem Verwenden klein schneiden. «Und wirklich schneiden, nicht hacken. Sonst werden sie zerquetscht, und die ätherischen Öle gehen ins Schneidebrett statt ins Essen», betont Reich. Schnittlauch und Petersilie können auch sehr gut mit einer Küchenschere geschnitten werden. Die sollte aber scharf sein. dpa