Von Sid Astbury
Drei Viertel von ihnen haben in den vergangenen 40 Jahren dicht gemacht - doch das Verschwinden der britischen Tankstelle hat wohl noch keine Bürgerinitiative auf den Plan gerufen. Beim Pub hingegen, dieser urbritischen Institution, ist der Aufschrei groß: Derzeit machen im Schnitt jede Woche 25 von ihnen zu. So mancher Brite beklagt gar den Verlust eines kulturellen Erbes.
«Der Mist im Fernsehen, der hat dem Pub den Todesstoß versetzt», sagt Steve Bannister. Er betreibt mit seiner Frau den «Lamb Inn» im nordenglischen Dorf Rainton. «Die Leute besorgen sich Essen zum Mitnehmen, ein paar Dosen Bier und gucken eine Casting-Show.»
Viele Faktoren machen dem Pub zu schaffen: schärfere Alkoholkontrollen, Rauchverbote und billiger Alkohol aus dem Supermarkt. Aber auch sich verändernde Gewohnheiten - seit 2010 ist der britische Bierumsatz um ein Viertel gesunken, Wein erfreut sich dagegen größerer Beliebtheit. Als eine Reaktion auf die Pub-Krise hat die Regierung die Steuern auf Bier und Cider gesenkt. Es sind aber auch nicht-wirtschaftliche Gründe, die zum Abgesang des Pubs beitragen: Die althergebrachte Domäne des männlichen, weißen Briten, der leicht schäbige Eckpub, wirkt zunehmend verstaubt.
«Pubs müssen sich ändern, sie müssen etwas bieten, das man sonst nirgends bekommt», fordert David Brazier von der Initiative CAMRA, die sich dafür einsetzt, dass Pubs neben herkömmlichen Bieren auch Ales - also traditionelle obergärige Biere - ausschenken. So mancher der schätzungsweise 45 000 noch bestehenden Pubs hat diese Marktlücke erkannt und verkauft Bier aus örtlichen Kleinbrauereien. Andere konzentrieren sich auf das nicht-flüssige Angebot. Im «Lamb Inn» der Bannisters etwa gibt es auch Lebensmittel - und die 150 Einwohner Raintons erhalten regelmäßig Flugblätter mit den Menü-Specials.
Solchen Firlefanz wird man im «Steamboat» in South Shields nicht finden: Essen gibt es hier nicht, dafür gutes Bier. So will sich Betreiberin Kath Brain von der Konkurrenz abheben. «Wir sind eine richtige Kneipe», sagt sie. «Ich kenne jeden hier, und sie kennen mich. Wir kümmern uns hier umeinander.» Schlechtes Benehmen wird nicht geduldet. «Ich arbeite hier nicht, um mir Gefluche anzuhören.»
Eine ganz andere Antwort auf die Krise hat die Pub-Kette JD Wetherspoon. In den 900 Wetherspoon-Kneipen wird das billigste Bier der Stadt serviert - etwa 2,50 Pfund (3,40 Euro) für ein Pint - und oft auch das billigste Frühstück: mit Erfolg. Im Wetherspoon zu frühstücken, wird immer beliebter, das zeigen auch die Geschäftszahlen der Kette.
Mit der Diversifizierung kehre der Pub nun wieder zu seiner Ursprungsfunktion als sozialer Treffpunkt für alle zurück, sagt Historiker Mark Hailwood von der Universität Oxford. Musik, Essen, politische Debatten - all dies gehörte in der Vergangenheit dazu. «Der Pub hat sich auch früher den Bedürfnissen der Kundschaft angepasst», meint er. Für ihn ist der Überlebenskampf mancher Pubs auch ein positives Zeichen des gesellschaftlichen Wandels.
Für immer weniger Männer sei es nun in Ordnung oder wünschenswert, jeden Tag nach der Arbeit Stunden im Pub zu verbringen, während die Familie daheimsitze. «Männer wollen sich zunehmend in die Familie und Kindererziehung aktiv einbringen», argumentiert Hailwood. Für die Biere und Darts mit den Kumpels im Pub bleibt dann kaum mehr Zeit.
Pub-Betreiber Bannister sieht dieses für ihn «kontinentaleuropäische» Lebensgefühl weniger gelassen: «Jetzt haben alle Whirlpools und Grillpartys auf der Terrasse. Es sind nicht andere Pubs, die uns das Geschäft vermiesen, es ist die Party daheim.» dpa