Von Monika Hillemacher
Das Essen im Restaurant war gut, jetzt quengeln die Kinder und wollen heim. Der Gast bittet um die Rechnung. Doch die lässt länger auf sich warten als die Mahlzeit dauerte. Darf er nun einfach gehen?
Kein Gast muss länger als 30 Minuten auf die Rechnung warten. Bevor er aber aufsteht und geht, sollte er in der Regel mindestens dreimal laut und vernehmlich danach gefragt haben und beim Aufbruch Name und Anschrift im Lokal hinterlegen. Dann schickt der Wirt die Rechnung nach. «Wenn der Kellner nicht kommt, befindet sich der Wirt juristisch gesehen im Annahmeverzug. Das befreit den Gast nicht von der Zahlung», erläutert Jürgen Benad vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Berlin. Verschwindet der Esser ohne seine Kontaktdaten auf den Tisch zu legen, wäre er - laienhaft formuliert - ein Zechpreller und rechtlich gesehen ein Betrüger.
Endlose Warterei aufs Essen kann das Portemonnaie schonen. Bei einem einfachen Mahl genügt etwa eine gute halbe Stunde, um 30 Prozent von der Rechnung abzuziehen. Mehrgängige Menüs schließen normalerweise eine längere Geduldsprobe ein. Bei Getränken halten Juristen eine Wartezeit von rund 20 Minuten für angemessen, um die Rechnung ebenfalls um 20 bis 30 Prozent zu kürzen (Landgericht Karlsruhe, Az.: 1 S 196/02, Amtsgericht Hamburg, Az.: 20 a C 275/73).
Für das Warten auf den reservierten Tisch können bis zu 30 Minuten zumutbar sein, bevor der Gast Schadenersatz - etwa für seine Anfahrt - verlangen kann. Umgekehrt darf ihn das Restaurant zur Kasse bitten, wenn er trotz Reservierung zu Hause bleibt. Der Wirt muss jedoch nachweisen, dass ihm ein Schaden entstanden ist. Zum Beispiel, weil der Tisch leer blieb oder er mehr Personal verpflichtet hatte (Landgericht Kiel, Az.: 8 S 160/97). Rechtlich ist das über den Bewirtungsvertrag abgedeckt. Den haben beide Seiten mit der Reservierung geschlossen.
Ungeduldige sollen wachsenden Durst, Appetit und Unmut deutlich machen, empfiehlt Jürgen Benand. Zum Beispiel mit der klaren Ansage «In zehn Minuten hätte ich gerne das Essen, sonst gehe ich.» Die Küche erhält damit eine angemessene Frist, doch noch zu Potte zu kommen. Gleichzeitig wird deutlich, «dass danach kein Interesse mehr an der Vertragserfüllung besteht.» Dieser Vertrag kam mit Annahme der Bestellung zustande. Weist Servicepersonal im Voraus auf eine Geduldsprobe hin, steht es Gästen frei, dem Lokal sofort den Rücken zu kehren.
Die Speisekarte kommt einer unverbindlichen Einladung nahe. Der Wirt hat aber keine Pflicht, jedes Gericht aufzutischen, das draufsteht. Vom Ärger abgesehen bleibt es folgenlos, wenn der Service bei der Bestellung mitteilt, dass es keine Steaks mehr gebe. Liegt statt des georderten Schnitzels jedoch eine Currywurst auf dem Teller, wurde das Falsche aufgetischt. Der Kunde hat - wie im Versandhandel - ein Recht auf Nachbesserung: zurückschicken, umtauschen. Wer die Currywurst widerspruchslos verputzt, akzeptiert die Falschlieferung und bezahlt sie.
Allgemein gilt in der Gastronomie der Grundsatz: Meckern nach gegessen gilt nicht. Unzufriedene Gäste sollten sich deshalb sofort beschweren, wenn sie das sprichwörtliche Haar in der Suppe entdecken. Zähes Fleisch, kalte Suppe, versalzene Kartoffeln, verbranntes Gemüse sind ein Sachmangel. Dem Gast steht ein Recht auf Beseitigung zu, stellt Christian Kotz, Anwalt aus Siegen, fest. Also: zurück in die Küche. So hat der Wirt die Chance nachzubessern; die kalte Suppe zu wärmen oder einen neuen Braten zu servieren. Selbstverständlich ohne Extrakosten für den Gast. Beim Haar in der Suppe entscheidet der Gast, ob er Preisminderung verlangt oder das Essen unbezahlt retour gehen lässt (Amtsgericht Auerbach, Az.: 3 C 883/01).
Restaurants sind nach Ansicht des Amtsgerichts Köln generell zum Servieren von Speisen verpflichtet, die ohne gesundheitliche Gefahr gegessen werden können. Das Gericht sprach einem Gast Schadenersatz und Schmerzensgeld zu, weil ihn nach dem Biss auf einen Fremdkörper der Kiefer schmerzte (Az.: 122 C 208/05). Die Richter fanden, der Wirt habe eine mangelhafte Ware geliefert.
Regional bedingte Küchenunterschiede sind kein Grund, eine Speise zurückzuweisen oder die Rechnung abzuspecken. Beispiel: Bestellt ein Bayer in Thüringen Leberkäse oder Weißwurst, sollte er einkalkulieren, dass sie anders schmecken als daheim. Sonst könnte er einem sogenannten Motivirrtum unterliegen, der rechtlich ohne Wert ist. Der Gast fragt am besten vor der Bestellung, wie das Gericht zubereitet wird. Bei reinen Geschmacksfragen hat der Gast schlechte Karten. «Wenn der vom Sommelier empfohlene Wein nicht schmeckt, ist das kein Mangel», so Kotz. Kommt statt des bestellten lieblichen ein trockener Tropfen, ist das hingegen reklamierbar.
Dass am Ende eines feucht-fröhlichen Abends der letzte für die offene Zeche anderer aufkommt, stimmt nicht. «Jeder einzelne muss nur das bezahlen, was er vorher konsumiert hat», sagt Claus Murken, Rechtsanwalt und Fachbuchautor in Kiel. Es sei Aufgabe des Wirts, das jedem Gast nachzuweisen, einzelne Rechnungen zu schreiben und zu kassieren. Andernfalls kann es eine teure Runde aufs Haus werden. In Kneipen und vor Gericht geht der Bierdeckel als Rechnungsurkunde durch. dpa