Ein Land im Teil-Lockdown Öffentliches Leben wird heruntergefahren

Bundesweit ist Gastronomen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen die Öffnung ihrer Etablissements nun weitestgehend untersagt. Auch für persönliche Treffen gelten strengere Regeln: In den meisten Bundesländern dürfen nur noch zwei Haushalte zusammenkommen - teils gilt das sogar für Treffen in den eigenen vier Wänden. Die Kontaktbeschränkungen sollen verhindern, dass Gesundheitsämter und das gesamte Gesundheitssystem überlastet werden, insbesondere die Intensivstationen.

Anders als im Frühjahr bleiben dieses Mal Kitas und Schulen sowie Geschäfte generell geöffnet. Schließen müssen dagegen Restaurants, Cafés, Bars und Kneipen, nur zum Mitnehmen dürfen sie noch Speisen und Getränke verkaufen. Auch für Kinos und Theater, Opern und Museen, Fitnessstudios, Schwimmbäder, Saunen und viele andere Einrichtungen gilt nun eine Zwangspause. Generell sollen die Menschen auf nicht unbedingt notwendige Reisen und Besuche verzichten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am vergangenen Mittwoch angesichts der schnell steigenden Infektionszahlen mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer auf die drastischen Schritte verständigt. Sie sollen zunächst bis Ende November dauern, nach zwei Wochen wollen Bund und Länder gemeinsam eine Bestandsaufnahme machen und gegebenenfalls nachsteuern. Die Länder setzen die Einschränkungen per Verordnung um, daher gibt es regional Unterschiede.

In der von der Corona-Krise besonders schwer getroffenen Veranstaltungs- und Kulturbranche sowie Gastronomie herrscht großer Unmut über die neuen Regeln. Viele bangen um ihre Existenz. Neben den bereits laufenden Wirtschaftshilfen soll ein zusätzliches Paket von bis zu zehn Milliarden Euro Umfang den Betrieben und Selbstständigen helfen, die nun im November keinen Umsatz machen können. Juristen rechnen dennoch mit einer Klagewelle.

Der Tourismusexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel Klinge, kritisierte die Schließung von Gaststätten und Hotels. «Mit der pauschalen Schließung der Gastronomie und dem Verbot von Übernachtungen im Inland wurde der Super-GAU für alle Anbieter von touristischen Leistungen wahr», sagte er der «Augsburger Allgemeinen» (Montag). Die neuen Corona-Hilfen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) seien «nichts anderes als Schweigegeld», damit die betroffenen Unternehmen die neuen scharfen Regel mittragen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verteidigte die strengeren Maßnahmen hingegen. «Die Alternative wäre, es laufen zu lassen», sagte der CSU-Chef am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Anne Will». Das würde aber einen enormen Anstieg der Infektionen und eine Überlastung der Krankenhäuser bedeuten, letztlich somit auch hohe Totenzahlen. «Es gibt auf der ganzen Welt kein anderes Konzept als das Reduzieren von Kontakten, um auf Corona zu reagieren», so Söder. «Wenn es ein besseres, leichteres gäbe, würden wir es ja sofort anwenden.» Außerdem sei der jetzige Teil-Lockdown nicht ganz so umfassend wie im Frühjahr und in anderen europäischen Ländern.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schwor die Deutschen auf «Monate der Einschränkungen und des Verzichts» ein. Selbst wenn das öffentliche Leben in einigen Wochen wieder hochfahre, könnten danach erneut strenge Beschränkungen drohen. «Niemand kann ausschließen, dass es nicht irgendwann in der Folge wieder dazu kommt», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend im ZDF-«heute-journal». Deutschland befinde sich wegen der Corona-Krise in einer «Jahrhundert-Situation».

Kanzleramtsminister Helge Braun ließ wenig Hoffnung erkennen, dass der Teil-Lockdown schon in Kürze wieder entschärft werden könnte. «Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass wir in zwei Wochen schon Maßnahmen lockern können», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Anne Will». «Ich gehe fest davon aus, dass sich das Infektionsgeschehen mit den Maßnahmen, die wir jetzt beschlossen haben, wirklich deutlich bremst.» Aber der Gesamterfolg hänge vom Willen jedes Einzelnen ab. Den Geist, der im März geherrscht habe, brauche man auch in diesem Winter wieder.

Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, rechnet unterdessen mit einem neuen Höchststand an Intensivpatienten während der Corona-Pandemie. «In zwei bis drei Wochen werden wir die Höchstzahl der Intensivpatienten aus dem April übertreffen - und das können wir gar nicht mehr verhindern. Wer bei uns in drei Wochen ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist heute schon infiziert», sagte er der «Bild»-Zeitung (Montag). Er kündigte an, auch Pflegepersonal aus nicht-intensivmedizinischen Bereichen auf den Intensivstationen einzusetzen. «Das ist natürlich nicht optimal, aber in einer solchen Ausnahmesituation zu rechtfertigen.»

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, warnte vor dramatischen Entwicklungen. «Viele Intensivpfleger arbeiten schon heute am Limit, und zu Recht warnen sie vor einer Verschlimmerung», sagte er der «Bild»-Zeitung. Nur ein ganzes Bündel von Maßnahmen könne «eine Katastrophe verhindern» - dazu gehöre zum Beispiel, planbare Operationen nötigenfalls zu verschieben. dpa

Wie die Bundesländer den Teil-Lockdown umsetzen

Die Bundesländer haben die meisten Bund-Länder-Beschlüsse eins zu eins übernommen. Es gibt aber auch feine Unterschiede zwischen den Ländern. Hier ein Überblick.

KONTAKTE: In der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch Angehörige von zwei Haushalten treffen - maximal zehn Personen. Feiern in Wohnungen und privaten Einrichtungen werden als «inakzeptabel» bezeichnet.

- BAYERN: In Bayern gelten diese Regeln explizit auch für Treffen im privaten Raum.

- BADEN-WÜRTTEMBERG: Die Beschränkung auf zwei Haushalte und maximal zehn Personen im privaten Raum gilt auch in Baden-Württemberg.

- BERLIN: Kinder bis zwölf Jahren sind von der Regel, dass sich nur noch Angehörige von zwei Haushalten und maximal zehn Personen treffen dürfen, ausgenommen.

- BREMEN: Außerhalb der eigenen Wohnung dürfen sich maximal fünf Personen treffen, ausgenommen sind Zusammenkünfte von Personen aus zwei Haushalten.

- HAMBURG: Ausnahmen bei der Zahl der Haushalte gibt es nur für sogenannte Patchwork-Familien und für Kinder unter zwölf Jahren.

- SACHSEN: Es dürfen sich Angehörige von zwei Haushalten treffen oder ein Hausstand und fünf weitere Personen - auch aus verschiedenen Hausständen.

GASTRONOMIE: Restaurants, Bars, Clubs, Diskotheken und Kneipen werden geschlossen. Erlaubt sind weiter Lieferdienste und Essen zum Mitnehmen. Auch Kantinen dürfen öffnen.

FREIZEIT: Freizeiteinrichtungen werden geschlossen. Dazu gehören Theater, Opern, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks, Saunen, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen, Tanzschulen und Bordelle. Alle Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt.

- BAYERN: Veranstaltungen aller Art werden untersagt. Ausgenommen sind lediglich Gottesdienste und Demonstrationen.

- BERLIN: Außenanlagen von Zoos oder Tierparks bleiben geöffnet.

- NORDRHEIN-WESTFALEN: Zoos und Tierparks bleiben bis Ende November geschlossen. Auch Martinsumzüge sind verboten.

- SACHSEN-ANHALT: Tierparks, Zoos und Botanische Gärten sollen im November weiter besucht werden können.

- THÜRINGEN: Zoos und Tierparks können noch Besucher empfangen - allerdings nur in den Außenbereichen. Eine Sonderregelung gibt es auch für Museen, die zumindest für entgeltfreie, bildungsbezogene Angebote öffnen können.

SPORT: Fitnessstudios, Schwimm- und Spaßbäder werden geschlossen. Der Amateursportbetrieb wird eingestellt, Vereine dürfen also nicht mehr trainieren. Individualsport, also etwa alleine oder zu zweit joggen, ist weiter erlaubt. Profisport wie die Fußball-Bundesliga ist nur ohne Zuschauer zugelassen.

- BERLIN: Für Kinder bis zwölf Jahren ist weiter Training an der frischen Luft in festen Gruppen von bis zu zehn Personen möglich.

- MECKLENBURG-VORPOMMERN: Kinder und Jugendliche dürfen grundsätzlich weiter trainieren. Die Entscheidung dazu soll auf kommunaler Ebene je nach Infektionsgeschehen getroffen werden.

- THÜRINGEN: Bäder werden zwar geschlossen, allerdings darf weiter Schulschwimmunterricht gegeben werden.

REISEN und HOTELS: Die Bürger sollen auf private Reisen, Tagesausflüge und Verwandtenbesuche verzichten - auch im Inland. Hotels und Pensionen dürfen keine Touristen mehr aufnehmen.

- BAYERN: Touristen müssen Hotels in Bayern spätestens am Vormittag des 2. November verlassen.

- BRANDENBURG: Es dürfen ab kommenden Montag keine Touristen mehr aufgenommen werden. Touristen, die sich bereits in Hotels in aufhalten, müssen bis kommenden Mittwoch abreisen.

- MECKLENBURG-VORPOMMERN: Touristen müssen spätestens bis zum 5. November aus Mecklenburg-Vorpommern abreisen. Grundsätzlich dürfen vom 2. November an für den restlichen Monat keine Gäste mehr für touristische Zwecke aufgenommen werden.

- NIEDERSACHSEN: Urlauber, die bereits vor dem 2.11. angereist sind, müssen ihren Aufenthalt nicht abbrechen.

- SCHLESWIG-HOLSTEIN: Touristen müssen bis spätestens Montag abreisen. Für Inseln und Halligen gilt eine Frist bis zum 5.11.

- SCHLESWIG-HOLSTEIN: Touristen, die vor dem 2. November angereist sind, müssen nicht abreisen. Eine Verlängerung der ursprünglichen gebuchten Zeit ist aber nicht erlaubt.

DIENSTLEISTUNGEN: Kosmetikstudios, Massagepraxen und Tattoo-Studios werden geschlossen, weil hier der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Medizinisch notwendige Behandlungen etwa beim Physiotherapeuten oder Fußpflege sind weiter möglich. Auch Friseure bleiben geöffnet.

- SACHSEN-ANHALT: Alle Dienstleistungsbetriebe der Körperpflege sollen offen bleiben, auch Kosmetiker und Sonnenstudios.

- THÜRINGEN: Nicht nur Friseursalons, sondern auch Kosmetik- und Nagelstudios dürfen bei Einhaltung der Hygienekonzepte weiter öffnen.

SUPERMÄRKTE: Der Einzelhandel bleibt geöffnet - eingelassen werden darf aber nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche.

SCHULEN und KINDERGÄRTEN: Schulen und Kindergärten bleiben offen. Genauso Einrichtungen der Sozial- und Jugendhilfe.

- BERLIN: In Berlin sollen Bibliotheken sowie Musikschulen geöffnet bleiben. Die Bezirke entscheiden, ob auch Spielplätze offen bleiben.

- SACHSEN: Bibliotheken sollen offen bleiben.

- SACHSEN-ANHALT: In Sachsen-Anhalt sollen auch etwa Bibliotheken, Archive, Volkshochschulen, Fahrschulen und Musikschulen offen bleiben.

- THÜRINGEN: Auch in Thüringen bleiben Volkshochschulen, Fahrschulen, Musik- und Jugendkunstschulen sowie Bibliotheken weiter offen.

- NORDRHEIN-WESTFALEN: Konzerte und Aufführungen sind verboten. Der zur Berufsausübung zählende Probebetrieb ist aber weiterhin zulässig.

ARBEIT: Überall, wo das möglich ist, soll wieder von zu Hause gearbeitet werden.

FIRMEN: Betriebe, Selbstständige und Vereine, die von den neuen Corona-Regeln besonders betroffen sind, bekommen große Teile ihres Umsatzausfalls ersetzt. Bei Firmen mit maximal 50 Mitarbeitern gleicht der Bund 75 Prozent aus, bei größeren wird nach EU-Beihilferecht entschieden.

RISIKOGRUPPEN: In Krankenhäusern, Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen sollen zügig Schnelltests eingesetzt werden. dpa