Eine Liebe für ein ganzes Leben

Am Fenster der gemütlichen Lobby des Hotel Savoy mit den schweren Chesterfield-Sesseln steht ein kleiner Schreibtisch aus Mahagoni. Darüber hängt das hinlänglich bekannte und auffällige Bild mit der schwarzen Bulldogge Wilhelm der II. vor dunkelrotem Hintergrund von Alexander Friedmann-Hahn. Hinter dem Schreibtisch, unter Wilhelm der II. sitzt Bodo Wulfert und wenn nicht, beschleicht Stammgäste und Mitarbeiter des Traditionshotels in der Fasanenstraße das eindeutige Gefühl, das etwas ganz Entscheidendes fehlt.

Kein Wunder, denn der 73jährige sitzt seit nunmehr acht Jahren täglich an seinem kleinen Tisch, begrüßt die Gäste des Hauses, gibt als Guest Relations Manager wertvolle Tipps zum Berliner Kulturkalender, organisiert begehrte Theater- und Konzertkarten und kümmert sich mit gewohnter Sorgfalt um die große Vitrine des jüdischen Museums, die die Lobby flankiert. Bevor Bodo Wulfert 2005 für drei Stunden täglich an dem kleinen Mahagoni-Schreibisch Platz nahm war er 42 Jahre lang Empfangschef des Hotel Savoy.

Sein Karriereweg ist deshalb schnell erzählt: Der gebürtige Kasseler war schon immer ein Schöngeist und hätte sehr gerne Literaturwissenschaften studiert. Da dies dem Halbwaisen aus finanziellen Gründen nicht möglich war, entschied er sich nach der Mittleren Reife 1957 für eine Hotelausbildung und besuchte die Staatliche Hotelfachschule in Kassel. Mit dem Abschluss in der Tasche wechselte er 1959 als Hotelkaufmann in den Hans-Sachs-Hof in Pirmasens und später in das Hotel Grüner Hof in Wiesbaden. Es folgte die Bundeswehrzeit in Goslar und nach deren Ende 1963 hatte sich bei Bodo Wulfert die Abneigung gegen Uniformen derart manifestiert, dass für ihn nur ein Umzug nach Berlin in Frage kam, "um nie wieder Uniformen sehen zu müssen".

Er kam zunächst bei Freunden in Charlottenburg unter, die ihm empfahlen sich im Savoy, im Kempinski Bristol oder im Hotel am Zoo zu bewerben. Diese Reihenfolge einhaltend wurde Bodo Wulfert im Savoy vorstellig, vom Fleck weg ab 1. August 1963 als Journalführer und Empfangsherr eingestellt und wenig später zum Empfangschef befördert.

Bereits nach kurzer Zeit war der bekennende Opernfan Wulfert nach eigenen Aussagen "überwältigt" von den Gästen und der Atmosphäre des Hotel Savoy. Bedingt durch die unmittelbare Nähe zum Theater des Westens - bis 1961 die Spielstätte der Städtischen Oper Berlin - zur Deutschen Oper und zur Philharmonie, gingen Größen wie Herbert von Karajan, Pierre Fournier, Maria Callas, Martha Mödl oder Astrid Varney im Savoy ein und aus. Schon damals war Bodo Wulfert ein wahrer Kultur-Enthusiast und stand nicht selten stunden- oder gar nächtelang für die begehrten Eintrittskarten an den Kassen der großen Bühnen an. Dass sein beruflicher Alltag im Savoy zu einem erheblichen Teil aus dem Umgang mit den Stars dieser Inszenierungen bestand, bestätigte Bodo Wulfert immer wieder in seiner Entscheidung für dieses Haus.

Bis heute ist Bodo Wulfert beeindruckt von der Nahbarkeit und Umgänglichkeit, die die prominenten Stammgäste des Savoy auszeichnet und mit nicht wenigen entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte eine über das Berufliche hinausgehende Verbindung. Seine Belesenheit, seine riesige Allgemeinbildung und sein enormes Opern- und Theaterwissen kamen und kommen Bodo Wulfert hier seit Jahrzehnten zugute. Noch heute allerdings könnte er sich dafür ohrfeigen, dass er in seiner Anfangszeit im Savoy einem Gast verwehrte, ihm das ausschweifende Berliner Nachtleben zu zeigen: Der Gast war Henry Miller und nach ihm ist bis heute eine der schönsten Suiten des Hotels benannt.

Der Vater einer Tochter schätzt die Kontinuität, ist seit weit über 40 Jahren verheiratet, lebt seit 50 Jahren in der Mommsenstraße und genießt seit 50 Jahren seinen täglichen Spaziergang von der Mommsenstraße über den Savignyplatz in die Fasanenstraße, wodurch er zu einem beredten Zeitzeugen der Charlottenburger Kiezgeschichte geworden ist. Er ist seit langem angekommen in Berlin, in Charlottenburg, im Savoy. Bodo Wulfert liebt dieses kleine Hotel mit den vielen Geschichten und den ganz besonderen Gästen, von dem er selbst sagt, dass "hier die Zeit stehengeblieben ist". Es sind genau diese Gäste und das gute Betriebsklima, die ihn ohne jede Reue auf 50 Jahre Savoy und den Verzicht auf eine große Hotelkarriere zurück blicken lassen. "Ich war und bin glücklich hier. Das Savoy ist mein zweites Zuhause, meine zweite Liebe und ich habe nie etwas vermisst."

Hans Eilers - seit 34 Jahren Direktor des Hotels und damit dienstältester Hoteldirektor Berlins - weiß die Wichtigkeit eines so loyalen Mitarbeiters wie Bodo Wulfert mehr als zu schätzen: "Für ein Traditionshotel wie das Savoy ist er schlichtweg unentbehrlich. Schwere, ledergebundene Gästebücher haben viele Hotels, natürlich auch das Savoy. Aber eines, das jederzeit auskunftsbereit ist und sowohl interessierten Gästen als auch den jüngeren Kollegen die bewegte Geschichte des Hotels und natürlich auch der Stadt so spannend nahebringen kann, ist mit Sicherheit einzigartig."

Noch schöner beschreibt der niederländische Schriftsteller und Essayist Geert Mak in seinem vielbeachteten Buch "Was, wenn Europa scheitert" das symbiotische Verhältnis zwischen Bodo Wulfert und dem Hotel Savoy: "Ich sitze an einem Fenstertisch im alten Hotel Savoy in der Fasanenstraße, hypermodern im Jahr 1930 und sich seitdem immer treu geblieben, als sei in den Jahren danach nichts passiert. Henry Miller und Thomas Mann haben hier gewohnt, die Russen kämpften in den Straßen, die Briten hatten hier ihr Hauptquartier, und immer waren die Tische blütenweiß, die Servietten spitz gefaltet und die Schürzen der Zimmermädchen steif vor Stärke. So auch heute. Im Foyer sitzt Herr Wulfert wie ein Felsen hinter seinem Tresen, und er wird auch weiterhin all seine Gäste erkennen und begrüßen, bis in alle Ewigkeit. Das ist die sichere Welt, in der ich schreibe, die Welt des Savoy im Jahr 2011. Lange lebten wir in dem Glauben, dies sei unsere wirkliche Welt."

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