Von Petra Buch
Freund und Leid liegen bei den Winzern derzeit dicht beieinander. Während sich die einen über eine gute Eisweinernte freuen, hat sich die Arbeit im Weinberg mangels Frost anderswo nicht ausgezahlt. In der Winzervereinigung Freyburg (Burgenlandkreis) in Sachsen-Anhalt sind bereits alle Trauben für den Eiswein vom Stock. "Sehr schön fruchtbetont und frisch" werde der Jahrgang 2016 sein, verspricht der Chef der Genossenschaft, Hans Albrecht Zieger. Die 400 Winzer der Genossenschaft bewirtschaften 400 Hektar Rebfläche.
Mit Blick auf die Besonderheit des Weins sagt Zieger: "Für einen Kellermeister ist Eiswein die hohe Schule seiner Kunst". Theoretisch waren die Bedingungen für Eiswein in diesem Jahr gut. "Der Frost kam sehr früh und nicht erst mitten im Winter. Die Trauben sind deshalb noch sehr gesund, einfach super für Eiswein", erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) in Bodenheim bei Mainz (Rheinland-Pfalz). Denn: Je länger Trauben am Rebstock bei mildem Wetter am Stock bleiben, desto größer ist die Gefahr von Fäulnis.
Rund 500 Kilogramm Rieslingtrauben wurden in der Winzervereinigung Freyburg laut Zieger an einem Tag für Eiswein bei minus 8 Grad im Morgengrauen geerntet. Das Traubenmostgewicht lag bei 136 Grad Oechsle. "Zwischen 130 und 100 Liter Eiswein werden es am Ende wohl sein, das heißt, etwa 300 Flaschen", sagt der Weinexperte. Beim Mostgewicht müssen es laut DWI für Eiswein je nach Region mindestens 110 bis 128 Grad Oechsle sein.
Bundesweit ist die Eisweinernte noch nicht überall abgehakt. Je nach Klima werde auch in diesem Jahr nicht überall diese "sehr exquisite Rarität" gelingen, sagte Büscher. Etwa Ende Januar sei eine Erntebilanz der 13 deutschen Anbaugebiete zu erwarten.
Das Prozedere der Herstellung gleicht einem Kult. Die Winzer lassen nach der Ernte im Herbst ausgewählte Trauben an Rebstöcken für den Winter hängen. Sie warten dann für die Eisweinlese auf mindestens minus sieben Grad Kälte. Optimal sind laut DWI minus zehn bis minus zwölf Grad. Kellermeister hüten ihre Geheimnisse um die Herstellung des Eisweins, laut Zieger zumeist auch direkt in Flaschen statt in Weinfässern.
Bevor die Tropfen etwa zum Dessert serviert werden, dauert es. "Bei uns wird zur Sommersonnenwende der erste Eiswein 2016 ins Glas kommen", sagt Winzer Johannes Beyer aus Dorndorf/Laucha (Burgenlandkreis). Kenner greifen für Eiswein tief in die Tasche - 50 Euro und durchaus mehr als das Doppelte, für kleine Flaschen mit 0,375 Liter Inhalt, weiß Zieger.
Über einen Ertrag von 235 Liter Eiswein der Sorte Weißburgunder aus der Lage "Karsdorfer Hohe Gräte" kann sich aber der junge Weinbauer Beyer freuen. Gleich zwei Mal wurden die Trauben in diesem Jahr in dem Familienbetrieb - mit insgesamt vier Hektar Weinanbaufläche für acht Rebsorten - bei klirrender Kälte gelesen. "Das hätten wir in einem Durchgang gar nicht geschafft", sagte Beyer. Weniger Glück hatte das Thüringer Weingut Bad Sulza.
"Am 14. November haben wir einen Versuch zum Eiswein unternommen. Es war aber nicht kalt genug", sagt Geschäftsführer Andreas Clauß. Nach dem Motto - das Glas ist halb voll und nicht halb leer - fügt er hinzu: "Wir haben dafür eine Traminer Beerenauslese mit 129 Grad Oechsle bekommen. Auch ein schöner Erfolg zum Leseabschluss." Kein Glück mit Eiswein hatte auch Winzer René Schwalbe vom Weingut "Rollsdorfer Mühle" an der Weinstraße der Mansfelder Seen. "Wir hätten noch eine frostige Nacht gebraucht", sagt der Winzer mit dem eher sonnigen Gemüt. "Neues Weinjahr 2017 - neuer Versuch", pflichtet ihm der Thüringer Weinbauer Claus aus dem Anbaugebiet Saale-Unstrut bei.
Mit insgesamt 768 Hektar Flächen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg gehört die mehr als 1000 Jahre alte Weinregion zu den kleinen Weinproduzenten in Deutschland. Geprägt von terrassenförmigen Weinbergen und ursprünglicher Landschaft entlang der Flüsse, wachsen hier in 60 Weingütern die Trauben von 50 Rebsorten. Qualitätswein reift in Ostdeutschland zudem an den Hängen der Elbe in Sachsen.
Der Ertrag der Lese des Jahrgangs 2016 von Saale-Unstrut lag laut Weinbauverband bei 5,5 Millionen Liter Wein (2015: 5,3 Millionen Liter). Der Eisweinanteil betrug bei der Winzervereinigung Freyburg - dem nach eigenen Angaben größten Weinproduzenten im Anbaugebiet und im Osten Deutschlands - laut Zieger bei 0,005 Prozent. Laut DWI ist dieser bundesweit auch gering, um die Exklusivität dieses Weins zu wahren. So wurden von 740 Millionen Litern Qualitätswein im Jahr 2015 nur rund 400 000 Liter Eiswein in Deutschland erzeugt. dpa