Nur wenige Winzer sind in diesem Jahr das Risiko eingegangen und haben für den Eiswein Trauben in den Weinbergen hängen lassen. Sie werden nun belohnt: Bei eisigen Temperaturen von mehr als minus zehn Grad Celsius können sie nun die gefrorenen Beeren von den Stöcken schneiden und zu Eiswein verarbeiten. «Wir haben heute Morgen ganz kurzfristig entschieden, dass wir lesen werden», sagte Gerald Baldauf vom gleichnamigen Weingut in Ramsthal (Landkreis Bad Kissingen) am Montag.
Der Familienbetrieb hatte auf einer Fläche von rund 2500 Quadratmetern Silvanertrauben hängen lassen. Nach gut einer Stunde waren die geernteten Trauben auf der Presse. «Das dürfte so um die 300 Fläschchen Eiswein geben», erläuterte Baldauf. Mit rund 15 Helfern hatte er das Lesegut eingesammelt. «210 Grad Oechsle - das ist ein sehr gutes Ergebnis und die Krönung des fantastischen Frankenweinjahrgangs 2015.» Drei weitere Weingüter wollten ihre Trauben am Dienstag ernten.
Die Eiswein-Lese ist für die Winzer Jahr für Jahr ein Glücksspiel. Klimaveränderungen machen es ihnen schwer. 2013 etwa musste die Eisweinlese wegen der zu warmen Temperaturen in Franken komplett ausfallen. «Deshalb gehen nicht viele das Risiko ein. Denn wenn das Wetter bis Anfang Januar nicht mitspielt, ist es fraglich, ob es noch etwas mit dem Eiswein wird», erklärte der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes, Artur Steinmann. Nicht umsonst spreche man beim Eiswein auch vom Dreikönigswein.
Wenn die Winzer im Herbst ihre Trauben in den Weinbergen hängen lassen, hoffen sie auf Minusgrade möglichst noch im gleichen Jahr. Denn gesundes und bei mindestens minus acht Grad Celsius gefrorenes Lesegut ist eine Grundvoraussetzung für Eiswein. Die Beeren dürfen nur gefroren gepresst werden. Zudem muss ein Mostgewicht von mindestens 125 Grad Oechsle erreicht werden. Das Mostgewicht beschreibt vereinfacht gesagt den Zuckergehalt der Trauben. Je stärker die Beeren gefroren sind, desto höher sind Zucker und Säuren konzentriert.
2015 war für die bayerischen Winzer auch wegen des sehr trockenen Hitzesommers ein hervorragendes Weinjahr - die Trauben konnten ein kräftiges Aroma entwickeln. Das werde sich auch im Eiswein widerspiegeln, sagte Steinmann. dpa
Winzer an Rhein und Nahe ernten ersten Eiswein
Das lange Warten hat sich doch noch gelohnt: Winzer am Mittelrhein, an der Nahe und in der Pfalz haben in der Nacht zum Montag den ersten 2015er Eiswein gelesen. Trauben für die begehrte Kostbarkeit wurden allerdings nur in geringen Mengen gelesen, wie ein Sprecher des Deutschen Weininstituts in Mainz mitteilte.
Ursprünglich wurde in Rheinland-Pfalz zwar eine Wingert-Fläche von 110 Hektar für Eiswein angemeldet. Viele Winzer holten diese Trauben wegen der lange Zeit sehr milden Temperaturen allerdings schon früher von den Reben, um sie nicht verderben zu lassen.
Für Eiswein müssen die Trauben bei mindestens minus sieben Grad geerntet werden. Die gefrorenen Früchte ergeben einen hochkonzentrierten Most mit hohem Zuckergehalt, der Wein schmeckt dann besonders süß. dpa
Später Wintereinbruch rettet den Eiswein-Jahrgang 2015 im Südwesten
Die klirrende Kälte hat den Eiswein-Jahrgang 2015 im Südwesten gerade noch so gerettet. Die Winzergenossenschaft Glottertal (Breisgau-Hochschwarzwald) erntete am Montagmorgen bei minus elf Grad die gefrorenen Trauben, die noch am Rebstock hingen. «Das Warten hat sich gelohnt - wir haben bei dem Pokerspiel den längeren Atem gehabt», sagte der Chef der Genossenschaft, Udo Opel. «Wir sind überglücklich.» Es seien 180 Grad Öchsle - also 360 Gramm Fruchtzucker - gemessen worden, das sei «bombastisch gut».
Die Genossenschaft hatte Riesling-Trauben auf 0,3 Hektar (3000 Quadratmeter) stehenlassen. Daraus werden jetzt etwa 1100 Flaschen Eiswein gemacht werden, so Opel. Die Flaschen sollen Weihnachten 2016 verkauft werden. «Der Eiswein ist für uns das i-Tüpfelchen des Weinjahrgangs 2015.»
Unklar war, wo es sonst noch Eiswein-Lesen gab oder wo in den kommenden Tagen noch geerntet wird. Die meisten Weingärtner und Winzer im Südwesten hatten ihr Vorhaben in den vergangenen Wochen wegen der viel zu warmen Witterung abgebrochen und die Trauben im klassischen Leseverfahren als Trockenbeeren eingeholt, damit sie nicht verfaulen und gar nicht mehr zu gebrauchen sind.
Ein Beispiel: Die Winzergenossenschaft Oberbergen im Kaiserstuhl (Breisgau-Hochschwarzwald) - Ende 2015 wurden dort Trauben als Trockenbeeren eingeholt, die als Eiswein vorgesehen waren. «Es war zu warm», sagt Genossenschafts-Geschäftsführer Erwin Vogel. Anstatt 9,5 Grad minus seien es Ende Dezember 9,5 Grad plus gewesen. Aus Sorge, dass zu viel Traubenflüssigkeit verdunstet oder dass die Beeren faulen, habe man sie eingeholt.
Der Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg, Werner Bader, sagt: «Es gibt in diesem Jahr nicht viel Eiswein.» Dies gilt übrigens für alle deutschen Weinbaugebiete - ein Sprecher des Deutschen Weininstituts sagt, der Eisweinertrag sei sehr gering.
Eiswein ist eine Wein-Spezialität, die zumeist zum Dessert serviert wird. Die kleinen Flaschen (0,375 Liter) kosten häufig etwa 40 Euro. Für die Lese muss es mindestens minus sieben Grad kalt sein, die gefrorenen Beeren werden verpresst und ergeben einen süßen Saft. dpa