Für sein mit Witz gekochtes Feuerwerk der Aromen kürt die französische Gourmet-Bibel Gault&Millau den aus London heimgekehrten Oliver Röder, 28, vom Restaurant Bembergs Häuschen in Euskirchen/Eifel in ihrer jetzt erscheinenden Ausgabe 2013 zur deutschen Entdeckung des Jahres. Die Tester loben: Immer ist die Küche herrlich unangestrengt, manchmal spielerisch, aber stets durchdacht. Hier will und wird sich einer nach oben kochen.
Für Gerichte wie Herrengedeck (Ochsenschwanzsuppe im Cognacschwenker, daneben eine Art gläserner Aschenbecher mit Asche aus Äpfeln und einer Zigarre aus in Teig gerollten, unglaublich saftigen Ochsenschwanzstücken) oder Schwarzfederhuhn mit Speck, süßem Selleriepüree, knackfrischem Apfel sowie Salbei als Würzblätter und Sorbet bekommt er vom Gault&Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 16 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für jene Klasse, in der nach dem Verständnis des Guides Kochen zur Kunst wird.
Dieselbe Note erreicht auch der aus der Essener Résidence ins neueröffnete Rincklage nach Harsewinkel bei Gütersloh gewechselte Henri Bach. Er schickte auf die feinst eingedeckten Tische eine großartige Variation von der Gelbflossenmakrele: frisch geräuchertes Filet und würziges, in die krosse Fischhaut eingewickeltes Tatar, dazu Pomelo, Koriandersorbet und eine Basilikum-Minze-Mischung. Das Ganze umrahmte und verband ein Saucenspiegel von pürierter und passierter roter Paprika.
Auf 16 Punkte verbessern sich Swen Bultmann von der Villa Leonhardt in Königswinter (Gewürzjoghurt verjüngt das irische Lamm mit Mais und Aubergine zum Lämmchen), Nico Kessler-Thönes von der Der alten Schlosserei in Engelskirchen bei Gummersbach (kluges Nebeneinander von Klassikern wie Wiener Schnitzel und Aufwendigerem wie Gänseleberparfait mit eingearbeitetem Dörrobstchutney ) sowie in Köln Nicolas von Auersperg vom Taku (faszinierende ostasiatische Geschmackswelten, deren exotische Würzfinessen europäische Gaumen nicht überfordern, aber den Reiz des Fremdartigen bewahren) und Michael Scherz vom Grubers (spielend gelungener Spagat zwischen traditioneller Wiener Küche und moderneren, aromenbetonten Zubereitungen).
Auf 15 Punkte steigern sich Franco Medaina vom LAccento in Köln (alles schmeckt wie schöne italienische Urlaubserinnerungen), Sven Nöthel vom Am Kamin in Mülheim/Ruhr (überraschend elegant die Terrine von der Gänsestopfleber mit gefüllter Kirsche, Schokolade und süßer Pfeffersauce), Emil Sickendiek jr. von der Alten Schenke in Versmold (sympathischer Mix aus westfälischen Klassikern und moderner Landhausküche), Karl-Nikolas Spitzner vom Am Aasee in Münster (herzhaft die Schweinspastete im 2 Traminermantel, edel der schlicht in Ochsenmark und Knoblauch gebratene Steinbutt) sowie in Düsseldorf Marcel Schiefer vom Schorn (altes Pilgerziel für Weinliebhaber mit moderner Küche) und Christoph Suhre vom Dvine (Gourmet-Gerichte ohne modischen Firlefanz).
Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault&Millau in NRW verteidigt seit 2008 souverän Joachim Wissler, der im Restaurant Vendôme in Bergisch Gladbach vormacht, wie eine eigenständige und selbstbewusste deutsche Küche des 21. Jahrhunderts aussehen kann. Seine experimentelle High-End-Küche setzt neue Trends und demonstriert, dass man auch mit hochklassigen heimischen Viktualien statt international gängiger Luxusprodukte in der Champions-League mithalten kann. So zündet Wissler mit Kalbskopf und Bries ein Aromenfeuerwerk, wenn sich eine als Raviolo geformte Kalbskopfscheibe über einem Mix aus Weißwursttatar und kleingewürfeltem Bries wölbt und frittierter Kalbskopf, als Lammellenrechteck geformt, die Unterlage für Chips vom Kalbsbries bildet, umgossen von einer würzigen Kesselfleischbouillon. Für solche Gerichte bekam er erneut 19,5 Punkte, die Höchstnote des Guides. Er zählt damit zu den 4 besten Köchen in Deutschland.
Den zweiten Rang sichert sich wieder Nils Henkel vom Gourmetrestaurant Lerbach in Bergisch Gladbach, der seine Bestimmung derzeit im pur nature genannten Küchenstil sieht: Hinwendung zu Kräutern, Gemüse und Gewürzaromen aus der Region in höchster Vollendung. Mit Gerichten wie Eismeer-Garnelen im Süßdoldensud mit grünem, weißem und wildem Spargel, pulverisierter Süßdolde und feiner Champignonmousse rechtfertigt er seine 19 Punkte.
Den beiden Spitzenköchen folgen mit je 18 Punkten
Rainer-Maria Halbedel von Halbedels Gasthaus in Bonn (der Fettmantel vom Lammrücken wird langsam abgebraten, so bleibt das Fleischaroma wunderbar erhalten, dann wird kross fertiggebraten und mit Auberginenmousse im Zucchinimantel sowie Bohnen serviert, ein Hochgenuss!),
Hans Horberth vom La Vision in Köln (vor Witz und Esprit funkelnde Kreationen wie Filet vom Schweizer Luma-Beef mit Krustentiersauce und geeistem Popcorn),
Dieter L. Kaufmann von der Traube in Grevenbroich (Gerichte, die in ihrer schlichten Einfachheit und steten Perfektion viel Furore machten, wie der in schönster Harmonie mit rheinischem Stielmus vereinte schottische Wildlachs),
Eric Menchon vom Le Moissonnier in Köln (eine der spannendsten und kreativsten französischen Küchen in Deutschland, für die man in Paris locker das Doppelte hinblättern müsste),
Frank Rosin vom Rosin in Dorsten (alles kühne, aber stimmig komponierte und bis ins Kleinste ausgearbeitete Gerichte wie marinierter Thunfisch und Brillat-Savarin-Käse mit Imperial-Kaviar),
Bernd Stollenwerk vom Gut Lärchenhof in Pulheim bei Köln (ein scheinbar wüstes, aber verblüffend köstlich Durcheinander bieten gebratener Saibling mit seinem Tatar und knusprig gebratenes Schweinekinn samt Bohnenkernen, Mandeln, Stachelbeeren, Champignons und einem mit Schweinebauchfarce gefüllten Raviolo).
Eins auf die Kochmütze bekommen die Chefs in 4 hochbewerteten Küchen. Von 18 auf 17 Punkte abgewertet werden:
Peter Nöthel und Peter Liesenfeld vom Hummerstübchen in Düsseldorf, weil die relativ schmalen kreativen Rahmen in den zwei noch verbliebenen Menüs vieles bieten, was man sehr lange kennt (das Restaurant schließt Ende 2012 3 und wird im Frühjahr nach Renovierung und Konzeptänderung unter neuem Namen wiedereröffnet).
Elmar Simon vom Balthasar in Paderborn, weil er auf klassische Edelprodukte ganz oder weitgehend verzichtet, da sie nach seiner Auffassung vom Wesentlichen ablenken, und lieber einen Schweizer Hartkäse als Trüffel über seine Gerichte hobelt).
Von 17 auf 16 Punkte sanken Enis Akisis vom Kult in Bergisch Glabach (optisch unspektakuläre Gerichte, nicht immer akzentuierende Aromen, zwar leichte, aber glanzlose Desserts) und die Gebrüder Alejandro und Christopher Wilbrand von der Post in Odenthal bei Leverkusen (die cremig gerührte Polenta zur saftigen Perlhuhnbrust mit Thymian-Jus und Blattspinat war mit künstlichem Trüffelöl zuparfümiert).
Dass in NRW nicht nur vortrefflich gekocht, sondern auch gastfreundlich bewirtet wird, demonstriert die Ehrung von Thomas Sommer vom Gourmetrestaurant Lerbach in Bergisch Gladbach als Sommelier des Jahres: Das Herz des gebürtigen Dresdners gehört dem deutschen Wein, vor allem großen Rieslingen, deren Entwicklungsprozesse er gekonnt vermittelt. Dabei bleibt er offen für junge Winzertalente und weltweite Trends.
Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 171 Restaurants in NRW. 145 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen müssen. Das schaffen auch die neu eröffneten oder erstmals bewerteten Lokale Justus K. in Aachen, Ulrichs Schifferbörse in Duisburg und Namaste in Essen mit jeweils 13 Punkten.
Für unterwegs gibt es den Gault&Millau auch als App fürs iPhone, iPad und bald auch für Android (7,99 ). Die App enthält den gesamten Inhalt der Buchausgabe und bietet Zusatzfunktionen zur Suche, Anfahrt und direkten Anwahl interessanter Restaurants. Gault&Millau Deutschland 2013 - Der Reiseführer für Genießer 30. Jahrgang, Jubiläums-Ausgabe, 808 Seiten, Euro 29,95 Christian Verlag München
Die besten Restaurants des Gault&Millau in NRW
19,5 Punkte Vendôme in Bergisch Gladbach
19 Punkte Gourmetrestaurant Lerbach in Bergisch Gladbach
18 Punkte Halbedels Gasthaus in Bonn Rosin in Dorsten Zur Traube in Grevenbroich La Vision und Le Moissonnier in Köln Gut Lärchenhof in Pulheim bei Köln
17 Punkte Hummer-Stübchen*, Im Schiffchen und Victorian in Düsseldorf Herbert Brockel in Erftstadt St. Jacques in Heinsberg Alfredo, La Poêle dor und Maître im Kuckuck in Köln Clara von Krüger in Wermelskirchen bei Köln Balthasar* in Paderborn
* Absteiger