update: Das sind die Ergebnisse des Gault Millau
Hat Corona den Erscheinungstermin für den Gault&Millau 2021 beeinflusst?
Bislang nicht. Wir hoffen, dass das auch so bleibt. Geplant ist die Vorstellung des Restaurant-Guides Ende November in Berlin.
Haben Sie überlegt, diese Ausgabe zu überspringen und erst Ende 2021 zu erscheinen?
Nein. Burda hat den Prozess der Neuaufstellung des Gault&Millau von Anfang an mit den nötigen Ressourcen unterlegt und dem Projekt hohe Priorität eingeräumt. Wir haben die Phase des Lockdowns intensiv genutzt und sind unmittelbar danach mit einem gut aufgestellten Team in die Testsaison gestartet.
Ist es überhaupt möglich, sich aktuell ein eindeutiges Bild zu verschaffen? Es gibt ja immer noch Restaurants, die noch nicht geöffnet haben.
Richtig. Und jedes irdische Urteil ist immer vorläufig. Gleichwohl gilt: Ein Restaurant, das für Gäste öffnet, kann auch getestet werden. Uns ist bewusst, dass die Krise Veränderungen erzwingt und den Gastronomen vieles abfordert – das berücksichtigen wir selbstverständlich. Das Talent eines Chefs, eine Sauce zu kochen, ändert sich aber nicht dadurch, dass im Restaurant drei Tische fehlen und der Service eine Maske trägt.
Haben Sie das Tester-Team völlig neu aufgestellt?
Weitgehend. Die Equipe ist heute deutlich jünger.
Welche Rolle spielt dabei Erfahrung?
Natürlich eine entscheidende. Allerdings sollte man Erfahrung nicht mit Lebensjahren verwechseln. Was passionierte Genießer heute als Reisende weltweit – aber dank der enormen Vielfalt auch in Städten wie Berlin, Hamburg oder München – an Urteilsfähigkeit erwerben können, steht der Expertise des klassischen Gourmets der 90er Jahre, der auf seinen Dienstreisen durch die Provinz deutsche Landgasthöfe ansteuerte, sicher in nichts nach.
Wird im Gault&Millau 2021 die gleiche Anzahl von Restaurants empfohlen wie im vergangenen Jahr?
Ja. Allerdings wird es eine wesentliche Veränderung geben. Wir sind der Ansicht, dass es inzwischen eine große Zahl individueller gastronomischer Konzepte gibt, zu deren Beurteilung die Anwendung des klassischen französischen Notensystems hierzulande nur begrenzt geeignet erscheint.
Was meinen Sie damit?
Ich meine die kantonesische Dim-Sum-Bude, die kleine Osteria, die täglich nur ein, zwei Teller hausgemachter Pasta anbietet, auch das einfache aber aufrichtige Wirtshaus. Muss man diese Adressen wirklich mit dem „Vendôme“ vergleichen, mit dem „Rutz“ oder dem „Schwarzen Adler“ in Oberbergen? Und dann gibt es die vielen Restaurants, bei denen man zwar seit Jahren gut isst – die aber gleichzeitig nicht zur absoluten Spitzenklasse gehören. Da stellt sich dann die Frage nach der Aussagekraft von 12 oder 13 Punkten, wenn diese ursprünglich sehr positiv gedachten Noten in Wirklichkeit längst nicht mehr als Kompliment verstanden werden, sondern von vielen als „gerade noch akzeptabel“. Damit ist niemandem geholfen.
Was heißt das für den Gault&Millau 2021 konkret?
Wir beschreiben und bewerten die 500 besten Restaurants Deutschlands nach dem traditionellen System. Darüber hinaus empfehlen wir zusätzlich weitere 500 Adressen – ohne sie zu bepunkten. Ich finde, Qualitätsgastronomie lässt sich mit einem Marathonlauf vergleichen, bei dem geht es ja auch um Leidenschaft, Hingabe, Ausdauer. Kleinlichkeit ist da ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr angebracht. Wer ganz vorne mitläuft, der hat es verdient, bis zur dritten Nachkommastelle mit der Stoppuhr bewertet zu werden. Ab dem 500. Platz wird ein Vergleich der Zieleinlaufzeiten dann aber doch etwas ermüdend.
Nicht für die Läufer.
Stimmt! Unser Fokus ist aber das interessierte Publikum. Unsere Leserinnen und Leser wollen wissen, welches die besten Restaurants des Landes sind – und wo darüber hinaus sonst noch auf hohem Niveau interessant gekocht wird. Eine Empfehlung durch den Gault&Millau bildet da eine zuverlässige Orientierungsmöglichkeit.
Warum zählen Sie genau 500 Restaurants zur Spitze?
Jede Grenze hat immer etwas Willkürliches. Heute könnten wir allein in Baden-Württemberg 500 Restaurants empfehlen, in denen man von „ordentlich“ bis „Weltklasse“ bekocht wird. Mir geht es beim Gault&Millau um den Nutzwert, um interessante Adressen – und die dürfen gerne auch häufiger mal wechseln. Diskussionen gibt’s natürlich immer und nächstes Jahr erscheint dann ein neuer Guide.
Was ändert sich noch?
Wir kümmern uns intensiv um die Digitalisierung. Der Gault&Millau muss ins Smartphone und deutlich alltagstauglicher werden.
Verkosten Sie eigentlich auch selbst oder überlassen Sie das Ihrem Team?
Selbstverständlich! Ich bin jeden Tag quer durch die Republik unterwegs, teste und höre den Köchen zu.
Der Gault&Millau hat sich in der Vergangenheit nicht nur Freunde gemacht.
Wer gelobt wird, schätzt den Gault&Millau, wer kritisiert wird, nicht. Daran wird sich nichts ändern. Mir ist aber auch nicht entgangen, dass manches einer Überprüfung bedurfte. Wir haben ein paar glasklare Regeln und die stehen so auch in jedem Tester-Vertrag: Wir testen anonym, zahlen unsere Rechnung und folgen journalistischen Standards. Wer sich als Gault&Millau-Tester zu erkennen gibt, der ist entweder keiner – oder er ist es die längste Zeit gewesen, sofern ich davon Kenntnis erhalte.
Gault&Millau war in der Vergangenheit berühmt-berüchtigt für seine teils sehr scharfen Kritiken...
Deutlichkeit ist nach Marcel Reich-Ranicki die Höflichkeit des Kritikers. Entscheidend ist die Nachvollziehbarkeit unserer Urteile. Eines ist aber auch klar: Wir sind nicht Partner der Gastronomie, wir wollen zuverlässige Lotsen für unsere Leser sein, die dann als hoffentlich gut informierte Gäste die Restaurantlandschaft in Deutschland positiv beeinflussen.
Machen Sie doch bitte unsere Leser neugierig: Wird es ein neues 19,5 oder gar 20 Punkte-Restaurant geben?
Eher verrät Ihnen Frau Merkel, wer ihr Favorit für den Posten des Kanzlerkandidaten der Union ist.