Gin Eva aus Mallorca

Von Michael Brückner

Als Stefan Winterling und seine Ehefrau Eva Maier Gómez im Jahr 2011 "Eva's Distillery" gründeten, war ihnen eines klar: In Spanien, wo die vielleicht anspruchsvollsten Gin-Trinker Europas leben, musste es etwas ganz Besonderes sein. Wir besuchten Stefan Winterling zu Hause im Herzen von Palma de Mallorca und in seiner Brennerei in Llucmajor.

Die letzten hundert Meter der Fahrt führen über einen von Orangenbäumen gesäumten Weg durch die Zitrusplantage rund um die Finca Son Pos Nou. Die Früchte leuchten einladend. Es ist sonnig auf Mallorca - endlich mal wieder. Die Zitrusplantage ist nicht weit entfernt von Palma, und doch taucht man schon in eine ganz andere Welt ein, jenseits der Geschäftigkeit der quirligen Inselhauptstadt. Stefan Winterling ist öfter hier. Er schätzt die Zitrusfrüchte von dieser Plantage als wichtige Ingredienzien für seinen Gin Eva. "Besonders geeignet für die Gin-Herstellung sind noch nicht ganz gereifte, grüne Zitrusfrüchte, denn in diesem Reifestadium haben die Schalen ein besonders ausgeprägtes Aroma", verrät uns der Destillateur, der seit 2008 mit seiner Frau auf Mallorca lebt und arbeitet.

Auf der Plantage werden wir von Sebastian, den es aus dem südspanischen Murcia nach Mallorca verschlagen hat, und seinen drei Hunden begrüßt. Stefan Winterling kauft Orangen - für den persönlichen Bedarf, nicht für die Gin-Produktion. Doch die Botschaft ist klar: Winterling kauft seine Rohstoffe nur bei Adressen, die er schon lange kennt und denen er vertraut.

Gin mit dem Spirit von Mallorca

Wenn von "Mallorca Gin" die Rede ist, soll das nämlich nicht nur ein Marketing-Gag sein. Stefan Winterling verwendet viele Gewürze und Früchte mallorquinischer Herkunft, wie etwa Wacholder aus den Dünen von Es Trenc. "Diese Wacholderbeeren sind leicht salzig, wie das Meer", schwärmt Winterling. Dennoch: Etwa 90 Prozent der Wacholderbeeren kommen aus dem Piemont. Der mallorquinische Wacholder ist daher eher eine interessante Beimischung.

Vor dem Besuch in der Zitrusplantage hatte uns Stefan Winterling seine kleine Brennerei in Llucmajor im Süden Mallorcas gezeigt. Die Distillery ist in einer kleinen Halle in einem Gewerbegebiet untergebracht. Dort steht seine 150-Liter-Kupferbrennblase mit aufgesetzter Feinbrennerkolonne. Gebrannt wird in kleinen Mengen - pro Destillation gerade einmal 50 Flaschen.

Doch bevor uns der ehrgeizige Destillateur in die Geheimnisse von Gin Eva einführte, galt es zunächst, eine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte eines jungen Weinexperten, der aus einer traditionsreichen Winzerfamilie in der Pfalz entstammt, sich in Mallorca niederließ und irgendwann auf die Idee kam, seinen eigenen Gin zu brennen.

Alles begann dort, wo viele Winzerkarrieren ihren Anfang nehmen - in der Rheingau-Gemeinde Geisenheim, wo Stefan Winterling Weinbau studierte und seine heutige Frau kennenlernte. Später lebte seine Frau Eva wieder in Barcelona, Stefan Winterling blieb zunächst noch in Deutschland. Doch klar war auch: Eine Fernbeziehung sollte es auf Dauer nicht werden. "Ich suchte also eine Stelle in Spanien. Am Ende war es nicht Barcelona, sondern Mallorca. Aber inzwischen haben wir diese Insel lieben gelernt", sagt Stefan Winterling.

Er arbeitete zunächst für ein Weingut im Norden der Insel, später nahm er eine neue Aufgabe im Süden Mallorcas an. Stefan Winterling und Eva Maier Gómez wohnen seither im Herzen von Palma, mit einem traumhaften Blick auf die Kathedrale und den Hafen der Inselhauptstadt. Der Weinbau ist nach wie vor der Hauptjob des Deutschen auf Mallorca, doch schon immer faszinierte ihn die Herstellung von Destillaten. "Man hat beim Brennvorgang einfach mehr Freiheit, kann mehr experimentieren als im Weinbau", weiß Winterling. Weshalb aber gerade Gin?

Der "King" an spanischen Bars

Das hat vielleicht irgendwie mit dem neuen Standort Winterlings zu tun. Spanien erlebt seit einiger Zeit einen regelrechten Gin-Hype. Der typische Gin Tonic sei der absolute "King" an spanischen Bars, berichtete uns neulich Guiseppe Santamaria, Bar-Manager im Ohla Hotel Barcelona und World Class Best Bartender Spain 2012. "Sie finden endlose Arten der Zubereitung und viele Bars, die sich darauf spezialisiert haben. Und zwar überall in Spanien". Stefan Winterling kann das durchaus nachvollziehen: "Spanien ist für mich das einzige Land Europas, in dem man einen ordentlichen Gin Tonic bekommt".

Wer in einem Land anspruchsvoller Gin-Genießer reüssieren möchte, muss Top-Qualitäten bieten. Stefan Winterling investierte daher viel Zeit und Geduld in die Suche nach den nötigen Ingredienzien und in die Komposition der Aromen, die ein hochwertiges Destillat ausmachen. "Anfangs war ich vielleicht etwas übermotiviert. Ich dachte, je mehr Botanicals ich für meinen Gin verwende, desto besser wird das Ergebnis". Doch das Resultat stellte Winterling nicht zufrieden. Schnell kam er zu der Erkenntnis, dass mehr Botanicals eben nicht automatisch mehr Qualität bedeuten. Der Destillateur überarbeitete seine Rezeptur und verwendet für Gin Eva seither etwa zwanzig Früchte und Gewürze. Eine wichtige Rolle spielen neben dem obligatorischen Wacholder vor allem Zitrusfrüchte, Lavendel, Rosmarin, Koreander, Engelwurz, Kardamon und sogar etwas Hopfen. Dafür verzichtet Winterling seit einiger Zeit auf Pfeffer.

Auf die Mazeration kommt es an

"Wichtiger als eine möglichst große Zahl von Botanicals ist die Mazerationszeit", weiß Stefan Winterling. Je länger die Botanicals im Basis-Alkohol verbleiben, desto mehr Aromastoffe können sich lösen. Den Basis-Alkohol - ein Getreidebrand mit 96 % vol. - bezieht Winterling aus Barcelona. Er wird zum größten Teil zu Gin mit 45 % vol. weiterverarbeitet. Ein kleiner Teil des Alkohols wird in Eva's Distillery noch einmal gebrannt und kommt als Vodka Felipe auf den Markt.

Insgesamt fast 2000 Flaschen Gin Eva wurden im ersten Jahr verkauft - teils direkt in Spanien, teils in Deutschland. Den Vertrieb in der Bundesrepublik hat das elterliche Weingut Winterling in der Pfalz übernommen.