Von Hilke Segbers
Die Fremdenführerin stoppt im Gelben Salon von Prideaux Place in Cornwall und blickt in die Runde. «Keine Deutschen heute hier, richtig?» Sie räuspert sich. «Wahrscheinlich sagt Ihnen der Name Rosamunde Pilcher nichts. Aber in Deutschland kennt jeder ihre Bücher, sie werden für das Fernsehen verfilmt.» Die Dame senkt den Kopf und klingt ein wenig entrüstet: «Und deswegen kommen so viele Deutsche nach Cornwall - inzwischen reisen sie sogar in Bussen an!» Das ist wirklich so. Die liebevolle Schilderung des äußersten Südwestens Englands in den romantischen Büchern Pilchers wirkt wie ein Magnet - die Autorin gilt als Meisterin der Liebesschnulze.
Dass Rosamunde Pilcher in England keiner kennt, ist natürlich eine Untertreibung. Immerhin hat Pilcher weltweit rund 60 Millionen Bücher verkauft. Und sie bekam für ihre literarischen Erfolge den Titel Officer of the Order of the British Empire verliehen. Seit 2012 schreibt sie nicht mehr, «Wintersonne» hieß ihr letzter Roman. Ihren Landsleuten ist eine andere englische Schriftstellerin, deren Geschichten in Cornwall spielen, geläufiger: Daphne du Maurier (1907-1989), die vor allem durch ihre von Alfred Hitchcock verfilmten Romane «Rebecca», «Jamaica Inn» und «Die Vögel» über die Landesgrenzen hinaus berühmt geworden ist.
Rosamunde Pilcher wuchs in Cornwall auf, wo sie 1924 in Lelant geboren wurde. Mit 15 begann sie zu schreiben, 1987 gelang ihr der kommerzielle Durchbruch mit «Die Muschelsucher». Das ZDF verfilmte die Familiensaga an den Küsten Cornwalls, rund 100 Filme mit Titeln wie «Gewissheit des Herzens» und «Zauber der Liebe» folgten. Gedreht wird immer in romantischen Cottages, verwunschenen Gärten und prächtigen Herrenhäusern. Es gibt viele Küsse und Umarmungen im Wind am Meer oder auf den Klippen - und immer ein Happy End. Mitte der Neunziger setzte der Run auf Cornwall ein - die Touristen wollten das Pilcher-Feeling spüren. Aber das ist gar nicht so einfach.
Zwar ist die Küste wirklich ergreifend schön, und die Ortschaften sind so pittoresk wie die Straßen schmal. Aber das genau ist der Haken - Menschenmengen gehören nicht auf eine Halbinsel, deren Charme sich eigentlich erst in Einsamkeit und Weite erschließt. Gerade im Sommer, wenn auch die Briten in der Grafschaft Urlaub machen, wird es einfach überlaufen in Cornwall. Das Essen ist leider immer noch so reichhaltig, wie es einst zu Bergbauzeiten notwendig war. Und es ist teuer geworden in der immer noch ärmsten Region Großbritanniens. Der Besucher ist also hin- und hergerissen.
Auf den engen Straßen, gesäumt von Steinwällen und hohen Hecken, kommen die Autofahrer im Sommer kaum voran. Vor allem die Touristen vom Kontinent, ohnehin unsicher im Linksverkehr, gucken gestresst und suchen hektisch nach Ausweichbuchten am Straßenrand. Schrammen an den Karosserien zeugen davon, dass das nicht immer rechtzeitig klappt. Am besten bleibt man auf den weniger romantischen, aber dafür größeren Landstraßen, die zu den meisten Sehenswürdigkeiten und Orten führen. Auch wenn man auf den kleinen Wegen bei langsamer Fahrt durch die offenen Fenster Brombeeren pflücken kann. Es gibt sie in rauen Mengen, und sie sind köstlich.
An den Stränden von Cornwall ist man im Sommer ebenfalls nicht allein, egal ob am Ärmelkanal, an der Keltischen See oder am Atlantischen Ozean. Und das, obwohl die Wassertemperatur auch im Sommer selten über 18 Grad steigt. Dass das Klima in Cornwall zwar mild, aber die Sommer nicht zwingend warm sind, lässt nur die einheimischen Touristen kalt. Sie tragen auch bei 14 Grad immer T-Shirts und Shorts, und ins Wasser gehen sie eben im Neoprenanzug. Dafür sind Strände an der kornischen Küste lang, das Wasser klar und blaugrün, und der Sand schimmert in Goldgelbtönen. Und wer Glück hat, findet zu Füßen der Klippen Ammoniten, schneckenförmige Fossilien.
Cornwall ist immer eine eher arme Region gewesen, die Menschen lebten von Fischfang, Landwirtschaft und später Bergbau. Noch heute ragen die alten Fördertürme der Zinkminen aus der Landschaft, meistens malerisch verfallen. Manche Anlagen sind inzwischen zu besichtigen, wie die Minen von Levant oder Geevor. Die Städte im Landesinneren von Cornwall sind wenig aufsehenerregend. Die Hauptstadt Truro ist die einzige Stadt mit einer nennenswerten Zahl schöner Geschäfte für einen Shopping-Ausflug. Die Ortschaften an der Küste aber sind fast durchweg einen Ausflug wert.
Zu den eindrucksvollsten gehört St. Ives. Das Badeörtchen hat einen Hafen, der bei Ebbe weitläufig trocken fällt und dann fast schöner ist als bei Hochwasser. Hunderte Touristen sitzen bei Ebbe mit einer Tüte Fish and Chips oder einer Eiswaffel auf der Kaimauer oder spazieren im Sand des Hafenbeckens herum. In St. Ives findet sich auch ein Ableger der berühmten Londoner Tate Gallery. Wer Kunst nicht nur ansehen, sondern auch kaufen will, hat Auswahl. St. Ives mit seinem diffusem Licht galt schon Anfang des vorigen Jahrhunderts als Künstlerdorf. Auch heute noch finden sich zahlreiche Galerien mit Gemälden oder Töpferwaren.
In Newquay wiederum branden die Wellen an die Küste, was viele Surfer anzieht. Auf den Klippen über dem berühmten Fistral Beach steht das «Headland Hotel», Drehort für mehrere Pilcher-Verfilmungen. Trotz der imposanten viktorianischen Fassade - ein Luxushotel wie von außen zu vermuten ist es nicht. Das gilt für die meisten Hotels an der kornischen Küste: Man muss Abstriche machen, was Komfort und Service angeht. Was Kontinentaleuropäer abgewohnt finden, ist in England noch für lange Jahre gut. Und wer an der Bar seinen Wein innerhalb von 15 Minuten serviert haben möchte, gilt als sehr ungeduldig. Die Engländer stehen nicht nur vor Bussen geduldig Schlange.
Falmouth dagegen ist deutlich ruhiger, auch an den Stränden. Dafür gibt es schöne kleine Geschäfte. In einem knetet ein Konditor frischen Fudge, in einem weiteren dekoriert ein Bäcker sein Schaufenster mit den berühmten Pasteten, die früher die Bergleute mit unter Tage genommen haben. Im Hafen schaukeln zahlreiche Yachten. Auf den Hügeln rundum stehen gepflegte Villen, und an der Promenade gibt es hübsche Hotels. Aber auch hier Achtung: In der Hochsaison nimmt etwa das «St. Michaels» - beliebt bei Brautpaaren und ausgezeichnet für seine Küche - selbst für ein acht Quadratmeter großes Zimmer noch deutlich über 200 Euro pro Nacht.
Das Pfund kostet derzeit knapp 1,40 Euro (Stand: 24. April 2015). Das macht einen Urlaub in Cornwall leider teuer. Deswegen buchen Urlauber aus Europa auch lieber Bed & Breakfast. Diese Unterkünfte sind oft gepflegter als Hotelzimmer, der Service ist fast immer netter. Wer 50 Euro pro Nacht investiert, kann mit einem schönen Zimmer rechnen und einem Frühstück, was gleich wieder müde macht: «Full English» bedeutet Würstchen, Blutwurst, Spiegeleier, gegrillte Tomaten und gebratene Champignons. Natürlich mit Tee und Toast.
Wer in Cornwall Ruhe und Erholung sucht, sollte nicht nach Land's End fahren, auch wenn das so schön einsam klingt. Die Heidelandschaft dort ist zwar zauberhaft und der Blick von dort auf das Meer fantastisch. Aber der Rest rund um ein eigentlich ganz hübsches Hotel und Restaurant mutiert im Sommer zum Jahrmarkt, mit Kinderspielplatz, Imbissbuden, Getränkeausschank und Karussell. Landschaftlich ähnlich schön, aber ruhiger ist es auf der Halbinsel Lizard mit Lizard Point als südlichsten Punkt Englands. In den kleinen Ortschaften dort stehen auch noch ganz reizende reetgedeckte Fischerhäuschen.
Am friedlichsten auch in der Saison ist es noch am ehesten in einem der großen Gärten und Parks des Landes. Die dazugehörigen Landhäuser und Schlösschen, zumeist im georgianischen und viktorianischen Stil, können in der Regel besichtigt werden und bieten einen guten Einblick in den Lebensstil des Landadels und der Großgrundbesitzer vergangener Jahrhunderte. Es gibt in Cornwall Dutzende kleine und große Anwesen, die für Besucher zugänglich sind.
Am bekanntesten sind die Lost Gardens of Heligan in St. Austell. Wenn im Mai dort die baumhohen Rhododendren blühen, ist es in dem 400 Hektar großen Garten aus dem Ende des 19. Jahrhunderts am schönsten.
Auch Prideaux Place bei Padstow hat einen Park, aber hier lockt vor allem das 400 Jahre alte Gebäude. Sechs Privaträume der Familie sind zu besichtigen. Sie dienten dem Filmteam vom ZDF für Innenaufnahmen für über ein Dutzend Pilcher-Filme. Am tropischsten wirkt die kleine Anlage von Trebah Garden in der Nähe von Falmouth. Wenn man hier nach einem Spaziergang durch die Anlage zwei süchtig machende Scones mit Clotted Creme und Erdbeermarmelade genießt, dann stellt es sich spätestens ein - das Rosamunde-Pilcher-Feeling. dpa
Reise nach Cornwall
Reiseziel: Cornwall ist eine Grafschaft ganz im Südwesten von Großbritannien. Dort liegen gleichzeitig der westlichste und der südlichste Punkt Englands. Hauptstadt ist Truro.
Anreise: Am besten mit dem Flugzeug über London bis zum Flughafen von Newquay. Cornwall lässt sich am besten einem Mietwagen erkunden.
Reisezeit: Im Südwesten Englands herrscht ähnliches Klima wie in Mitteleuropa. Im Sommer sind die Temperaturen am wärmsten. Allerdings kann ein Besuch auch in der Nebensaison lohnen, wenn die Orte und Straßen nicht so überlaufen sind.
Informationen: Visit Cornwall, Pydar House, Pydar Street, Truro, TR1 1EA (Tel.: 01872 322900, E-Mail: visitcornwall@truro.gov.uk, www.visitcornwall.com).