Grüne Woche mit Partner Niederlande

Von Nina C. Zimmermann

Manchmal hat Gejo Hoogeveen Appetit auf Hausmannskost. Dann kauft der gebürtige Niederländer in Berlin Grünkohl und bereitet ihn so zu, wie er es von Zuhause kennt: klein geschnitten, lange gekocht, mit Kartoffeln kombiniert. «Aber hier schmeckt er ganz anders», sagt der Wahlberliner. Das sei wohl eine Gefühlssache. Daheim in den Niederlanden wird das Gemüse Boerenkool genannt. Mit Heimatgefühl haben auch die Oliebollen zu tun, krapfenartiges Fettgebäck, das in seiner Heimat traditionell zu Neujahr gegessen wird. «Oliebollen bringe ich manchmal von Zuhause mit, um hier meine Freunde davon kosten zu lassen.»

Ob Boerenkool, Oliebollen oder bekanntere Dinge wie Gouda, Hering und Jenever: Wer Spezialitäten aus dem westlichen Nachbarland kennenlernen will, findet in diesem Jahr auf der Internationalen Grünen Woche (18. bis 27. Januar) in Berlin davon besonders viel. Die Niederlande sind das aktuelle Partnerland der weltgrößten Verbraucherschau und zum 60. Mal auf der Messe vertreten.

Über das Essen des kleinen Nachbarn ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hierzulande wenig bekannt. Kein Wunder, meint Christine Moser. Die Wissenschaftlerin und Kochbuchautorin lebt seit mehr als zehn Jahren in Amsterdam und bezeichnet die dortige Küche als «nicht sehr markant, nicht sehr charakteristisch». Zwar gebe es viele Sternerestaurants, die sehr avantgardistisch seien und sich dem auch in Deutschland anhaltenden Trend «zurück zur Natur und zur Region» verschrieben hätten. Aber der Durchschnittsniederländer pflege eine eher schlechte Esskultur, setze viel auf Fertigprodukte oder teilverarbeitete Zutaten in Form von vorgeschnittenem Gemüse und verlerne zusehends das Zubereiten traditioneller Gerichte.

Ein bisschen Ursprüngliches bewahren zumindest die Profis. So sagt Gert-Jan Hageman, einst Michelin-Sterne-Koch, jetzt Gemüsebauer und Inhaber des Restaurants «De Kas» in Amsterdam: «Natürlich sind wir von der niederländischen Küchentradition beeinflusst, wir sind schließlich damit aufgewachsen.» Unmengen frisches Gemüse, Früchte und Kräuter seien ein wichtiger Bestandteil seiner Speisekarte. Er beschreibt die heimische Küche als Wohlfühlkost und Essen für Arbeiter: «Klassisch sind Eintöpfe, gehaltvolle Gemüsesuppen und Nachspeisen aus Milchprodukten.» Die koloniale Vergangenheit des Landes spiegele sich im Gebrauch von Gewürzen wieder. Die Niederlande hatten lange Niederlassungen unter anderem in Indien und Indonesien. Auch zahlreiche chinesisch-indonesische Restaurants zeugen davon.

Ein typischer Eintopf (Stamppot) ist der Boerenkoolstamppot. Er wird Moser zufolge oft mit Rookworst, einer geräucherten Fleischwurst, gegessen. «Statt mit Rookworst mag ich es manchmal auch mit Schmorfleisch», sagt der Wahlberliner Hoogeveen. «Dann muss man das Ganze zwei bis drei Stunden langsam garen.» Sein Favorit zu Stamppot ist allerdings Verse Worst, eine bestimmte Art Bratwurst, die in Berlin gar nicht zu bekommen und selbst in den Niederlanden nicht überall erhältlich sei. «Die esse ich immer, wenn ich bei meiner Mutter in der Nähe von Nijmegen bin.»

Ebenfalls klassisch ist der Hutspot, ein Rührtopf, der auf die Zeit der spanischen Belagerung der Stadt Leiden im 16. Jahrhundert zurückgehen soll. Bohnen, Speck, Rinderbrust, Möhren, Zwiebeln und Pastinaken sind die ursprünglichen Bestandteile. Moser kennt auch Varianten, die mit Kartoffeln zubereitet und mit Kotelett oder Wurst und Soße kombiniert werden. Eine Mahlzeit ersetzen kann Snert, eine gebundene Erbsensuppe, die mit Schweinshaxe, Bauchspeck oder Rookworst gegessen wird.

Fisch und Meeresfrüchte spielen vor allem in den küstennahen Regionen eine große Rolle. Beispiele sind Zeeuwse Mosselen (Muscheln aus Zeeland), Austern, Hummer oder salziger Hering, bekannt als Hollandse Nieuwe oder Maatjesharing. Der Fisch darf nur so bezeichnet werden, wenn er zwischen Mitte Mai und Ende Juli gefangen wurde und mindestens 16 Prozent Fett enthält. «Essen Sie ihn im Brötchen mit Zwiebeln oder Essiggurken, oder wählen Sie die traditionelle Methode, bei der Sie den Fisch am Schwanz hochheben und dann abbeißen», heißt es auf der offiziellen Website der Niederlande holland.com.

Nicht täglich, aber immer gern gegessen werden Borrelhapjes. Die kleinen Snacks dienen dazu, «den Hunger bis zum Abendessen zu überbrücken», sagt Moser. Sie begleiten den kleinen Umtrunk nach Feierabend, zur sogenannten Borreltijd zwischen 16 und 17 Uhr. Das können Käsewürfel, Stücke schnittfeste Leberwurst oder Oliven sein. Meist handelt es sich aber um Bitterballen, kleine frittierte Kugeln aus Rinderragout. Bekannter und an jeder Imbissbude erhältlich ist die große Variante dieses Snacks: die Frikandel.

Auch an Süßspeisen und Desserts haben die Niederlande so einiges zu bieten. Vielen Deutschen nicht nur in der grenznahen Region bekannt sein dürften zum Beispiel Poffertjes, dicke kleine Pfannküchlein, die meist mit Puderzucker und Butter bedeckt gereicht werden. Hageman hebt auch Speculaas hervor, gewürzte Kekse, die vor allem rund um Sinterklaas, dem Pendant zum deutschen Weihnachtsmann, am 5. Dezember gegessen werden. Vla ist in Tetrapaks erhältlicher flüssiger Vanille- oder Schokopudding. Und Stroopwafels, mit Sirup getränkte flache Waffeln, passen der offiziellen Niederlande-Website zufolge am besten zu einer Tasse Tee oder Kaffee.

Apropos Kaffee: Mancher Niederländer trinkt ihn gern als Koffie Verkeerd, das heißt als Milchkaffee - mit mehr Milch als Kaffee. Und zu speziellen Anlässen darf es dann auch mal ein Oranjebitter sein. Der orange gefärbte Jenever werde besonders zu «patriotischen Gelegenheiten», wie Gejo Hoogeveen es nennt, getrunken - etwa zu Geburtstagsfeierlichkeiten der Königin (Koniginnedag) am 30. April. dpa

Grüne Woche als Schlemmerparadies und Expertenforum

Auf der Grünen Woche in Berlin erwartet die Besucher in diesem Jahr viel Show mit Köchen, Tänzern und lebenden Tiere auf 20 Bühnen. Zur weltgrößte Landwirtschaftsmesse vom 18. bis 27. Januar wollen mehr als 1600 Aussteller aus 60 Ländern kommen. Auf Kongressen und auf Podien diskutieren Fachleute und Politiker über gesunde Ernährung, die Zukunft des ländlichen Raums oder die Rolle von Biokraftstoffen. Landwirtschaftsminister aus aller Welt wollen sich auf einer Konferenz vom 17. bis 19. Januar mit den Spitzen der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Wissenschaftlern treffen. Es geht dabei um die Wege im Kampf gegen den Hunger.

Die Grüne Woche ist traditionell auch ein Treffpunkt für Gourmets. Präsentiert werden rund 100 000 Nahrungs- und Genussmittel. Das diesjährige Partnerland Niederlande will mit Gebäck, Käse, frischen Austern, Kalbfleisch und Bier die Münder wässrig machen. Zum Programm der Schau gehören auch Tausende Nutz- und Haustiere. So gibt es täglich Vorführungen mit Rassehunden und -Katzen.

Im vergangenen Jahr zog die Grüne Woche 420 000 Besucher an, davon waren 105 000 Fachbesucher. Auch diesmal erwartet die Messegesellschaft mehr als 400 000 Gäste. Am Eröffnungsmorgen ist ein Rundgang mit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und Bauernpräsident Joachim Rukwied geplant. Der Deutsche Bauernverband rechnet in diesem Jahr mit stabilen Umsätzen. Nach zwei Krisenjahren hat die Branche zwei gute Jahre in Folge gehabt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte am Donnerstag eine Abkehr von der massenhaften Fleischproduktion in der Landwirtschaft gefordert. «Neben der Energiewende brauchen wir eine überfällige Agrarwende», sagte der Vorsitzende Hubert Weiger. Anders ließen sich Probleme wie der Rückgang von Pflanzenarten, Grundwasserbelastungen und der massive Einsatz von Antibiotika in Großställen nicht lösen.

Messe Berlin, Messedamm 22, 14055 Berlin, gruenewoche.de