Von Britta Schmeis
Früher war Kaffee einfach Kaffee. Heute stammt er von Fincas in Äthiopien, Kolumbien oder Kenia, heißt Breakfast Blend, Indriya oder Guatemala Grande und kommt in Kapseln, Pads oder puristisch gestalteten Tüten aus heimischen Manufakturen daher. Qualität ist gefragt, ebenso eine individuelle Zubereitung. Schließlich stecken in jeder Bohne bis zu 1000 Aromen, die es herauszukitzeln gilt.
"Lange waren die sehr dunklen, glänzenden Espressobohnen angesagt und damit ein sehr schokoladiger Geschmack und ordentlich Crema", erklärt Hannes Fendrich vom Gourmet- und Biokaffee-Händler Coffee Circle in Berlin. In jüngster Zeit seien hellere Röstungen im Kommen, eine Entwicklung, die sich in den USA und in Skandinavien schon länger zeige. "Die Bohnen werden einfach kürzer geröstet", sagt Fendrich, der für Einkauf und Röstungen zuständig ist.
Bei hochwertigen Kaffees kommt grundsätzlich das traditionelle und schonende Trommelröstverfahren zum Einsatz, das wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Heißröstverfahren für Industriekaffees. Es macht den Kaffee bekömmlicher. Zudem können sich die Aromen voll entfalten. "Wir rösten unsere Kaffees so lange, dass sich die Geschmacksaromen deutlich ausprägen und nur die feinen Fruchtsäuren erhalten bleiben", erklärt Fendrich. Je länger die Bohnen geröstet werden, desto mehr Säure wird ihnen entzogen. Soll der Kaffee fruchtiger werden, wird kürzer geröstet.
Für den Kaffeehändler und Sommelier Michael Gliss aus Köln ist das nichts Neues. "Filterkaffees werden schon immer kürzer geröstet", sagt er. Der Grund: Beim Espresso verbleibt das Wasser in der Regel nur 20 Sekunden im Pulver, bei der traditionellen Filtermethode sehr viel länger, da würde eine Espressoröstung zu einer Übermenge an Aromen führen. Den ganz hellen Röstungen kann er dennoch nichts abgewinnen. "Die Säure, die Kaffees magenunfreundlich machen, will man doch abbauen und stattdessen die Aromen auspacken", sagt Gliss.
Trotzdem haben sich einige Kaffeeanbieter den extrem hellen Röstungen nach den Vorbildern aus den USA und Skandinavien verschrieben. Denn seit einiger Zeit rückt der Kaffee als individuelles, vielfältiges Naturprodukt - auch wieder im Filter zubereitet - in den Vordergrund. "Man kann diese Vielfalt mit der von Wein vergleichen", erläutert Annika Poloczek von Green Cup Coffee, ebenfalls ein Anbieter von hellen Röstungen.
Kaffee-Sommelier Gliss teilt diese Einschätzung. "Bei Wein fragt man ja auch, aus welcher Region und von welchem Gut er stammt", sagt er. Und Kaffee aus Kenia schmecke nun mal anders als einer aus Guatemala, jede Ernte auch. In Deutschland sei die Filterzubereitung seit eh und je die am meisten verbreitete Methode. Sie erlebe derzeit nur eine Aufwertung. "Für die verschiedenen Filtermethoden, zum Beispiel Handfilter oder Stempelkanne, eignen sich vor allem kürzer geröstete, länderreine Kaffees hervorragend, die sogenannten Single-Estate-Coffees, weil die Aromen da besonders herauskommen.
"Das trifft insbesondere auf die extrem hellen Röstungen zu, die dann auch schon mal nach Zitrone oder Orange schmecken. "Im Grunde geht es um die Vielfalt und darum, das komplette Spektrum aufzuzeigen", sagt Poloczek. Alltagstauglich seien sie allerdings nicht unbedingt. Auch Fendrich sieht in den hellen Röstungen noch keine Massenware, sondern ein sehr spezielles Genussmittel, das man am besten pur und dann sehr bewusst genießt.
"Es ist einfach spannend, die verschiedenen Aromen zu entdecken", sagt Fendrich. Für die Zubereitung empfiehlt er eine Wassertemperatur zwischen 90 und 96 Grad. Außerdem könne man den Kaffee etwas quellen lassen. Das heißt: das Mehl erst anfeuchten und dann 30 Sekunden warten, bevor man weiter Wasser nachgießt. Und natürlich sei es am besten, die Bohnen frisch zu mahlen, da sich die Aromen verflüchtigten, sobald die Bohne geknackt ist.
Und so sind extrem helle Röstungen nur eine von vielen Möglichkeiten, die Vielfalt von Kaffee zu entdecken. "Entscheidend ist, dass die jeweilige Röstung der Bohne gerecht wird", betont Gliss. Wer Kaffee liebe, sollte neugierig bleiben und immer mal andere Röstungen, Sorten und Zubereitungsarten ausprobieren. dpa