Hotel HOHENHAUS Wenn Nachhaltigkeit auf Luxus trifft

Dass es sich bei dieser luxuriösen Idylle nicht um ein x-beliebiges 5-Sterne-Hotel handelt, wird spätestens bei den Willkommensworten von Schlossherr Peter Niemann deutlich. Mit den Worten: „Bitte nicht zu nah herantreten, ich komme gerade aus der Wildkammer“ bittet er um Abstand - und demonstriert aufs Überzeugendste, dass es ihm ernst ist mit dem „farm-to-table“-Konzept. Welche Begrüßung könnte für Genussmenschen aus der Großstadt anregender sein - wir, für die der Einkauf auf dem Wochenmarkt das Höchstmaß an regionalem Bewusstsein darstellt.

Dieses Aufeinanderprallen zweier Welten - Sterne-Luxus auf der einen und radikale, authentische Nachhaltigkeit auf der anderen Seite - ziehen sich wie ein roter Faden durch unseren Besuch. Eine solche Haltung umfasst nicht nur den Respekt vor der Natur, sondern auch vor den Menschen, die Hohenhaus in seiner Einmaligkeit erst möglich machen. „Wir möchten Wertschätzung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ betont Peter Niemann. „Gerade in Deutschland fehlt oft die Bereitschaft, Service auch entsprechend zu entlohnen.“

Dem allgegenwärtigen Personalmangel wirkt er entgegen, indem er seinem Team nicht nur Respekt entgegenbringt, sondern es auch mit Angeboten wie einer hauseigenen Kindergärtnerin unterstützt - und die kommt auch zu Zeiten zum Einsatz, wenn der örtliche Kindergarten längst geschlossen hat. Berufe in der Gastronomie haben angesichts langer Arbeitszeiten und schlechter Bezahlung einen schlechten Ruf. Dennoch hat Niemann es geschafft, das Rad zu drehen und auf Hohenhaus neue Wege einzuschlagen.

Für seinen verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource Mensch erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Sonderpreis der Hessisch- Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung für die vorbildliche Azubi-Arbeit und das soziale Engagement während der Ausbildung, den Sozialpreis 2018 des Werra-Meissner-Kreises für das besondere Engagement in Sachen Familienfreundlichkeit und das GreenSpoon Siegel des Restaurantportals schlemmer-atlas.de, das gastronomische Betriebe für ihr verantwortungsbewusstes Wirtschaften und zukunftsorientiertes Handeln auszeichnet.

Gastgeber Niemann weiß, wovon er spricht. Dass seine Frau weiterhin als Ärztin arbeiten kann und ihm Zeit für seine zwei Kinder bleibt, war einer der Gründe dafür, dass er sich seit dem 1. Februar die Position des Küchenchefs mit Denis Jahn teilt. Ebenfalls Familienvater, hat Jahn das Gesamtkonzept Hohenhaus voll überzeugt: “Meine Frau und ich haben den Fehler gesucht, ihn aber bis heute nicht gefunden.“

Dabei wäre Denis Jahn mit seiner Vita in jedem Sterne-Haus mit Kusshand genommen worden. Der 42-jährige hat in den vergangenen 15 Jahren als Sous Chef in dem mit drei Michelin Sternen ausgezeichneten Restaurant Vendôme unter Joachim Wissler gearbeitet und in den fünf Jahren zuvor als Commis de Cuisine und später Sous Chef im ebenfalls mit drei Michelin Sternen ausgezeichneten Restaurant Schwarzwaldstube.

Weitere hochkarätige Neuzugänge sind die beiden Sous Chefs, Marceau Wißkirchen und Lars Pfister, die unter anderem in der Schwarzwaldstube beziehungsweise im Louis C. Jacob ihre Erfahrungen sammelten. Neu im Team ist auch Patissier Andreas Lindner. Der gebürtige Starnberger hatte zuvor die gleiche Position im Restaurant Vendôme inne, nachdem er im Hotel Andaz München Schwabinger Tor, in der Confiserie Neubach und Schwalber sowie im Werneckhof München unter Tohru Nakamura tätig war. 

Die geballte kulinarische Expertise schlägt sich im 11-Gänge-Menü „PENN AR BED“ (bretonisch für „Der Anfang von allem“) im Restaurant La Vallée Verte aufs Schönste nieder. Es führt die kulinarische Qualität der Bretagne (Peter Niemanns Urgroßeltern stammen von dort) und des Ringgaus zusammen – große französische Gourmettradition und Korrektheit der Produktion gehen Hand in Hand. Dies zeigen bereits die ersten Amuse Bouches auf aufsehenerregende Art und Weise: Am brennenden Kamin in der erweiterten Hotellobby starten wir mit formidablen Häppchen wie Tarte Oignon de Roscoff und Wachtelei, Holunder-Trinkessig und Tatar vom deutschen Bioland Angus. Dazu reicht Peter Niemann, der sich den Gästen süffisant als „Hausmeister“ vorstellt, nicht etwa Champagner, sondern besten gealterten Cidre aus der Bretagne.

Einzig die Ausführungen des Hausherrn zu den massiven Preis-Steigerungen und zum Klimawandel trüben das Glück ein wenig. Wir verstehen jetzt, in welchem Ausmaß die gerade überstandene pandemische Zwangspause Spuren hinterlassen hat und der Blick in die Zukunft gerade für Gastronomen beunruhigend ist: Kaum jemand kann Veranstaltungspreise länger als ein paar Wochen garantieren, zu unsicher ist die Lage auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt. Natürlich und gerade deshalb geben Niemann und sein Team alles. Inzwischen am Tisch des Fine-Dining-Restaurants platziert, können wir in einem versiegelten Umschlag aus Büttenpapier das Konzept nachlesen: mit mehr Stil könnte man ein fast politisch anmutendes Manifest kaum präsentieren.

Mit Ausnahme der Fische und Meeresfrüchte aus Concarneau, Tégunc in der Bretagne und Skagen in Dänemark stammen die Produkte aus eigenem Anbau oder von persönlich bekannten Produzent*innen, die sich im Umkreis von maximal 20 Kilometern befinden. Während inzwischen jeder von Regionalität spricht und damit meist den nahen Discounter meint, lebt Hohenhaus diesen Ansatz radikal und als Statement für Achtsamkeit und gegen gedankenlosen Konsum. Ebenso wichtig ist die kompromisslos hohe Qualität der Produkte, die Basis für ein aufregendes Spiel der intensiven Aromen bilden.

Peter Niemanns legendäre Schwarzwurzel macht den Anfang. So veredelt könnten wir sie täglich vernaschen, es ist eine Wonne wie ein Gang durch den morgendlich-unberührten Wald mit entzückendem Frühtau. Der Langustino ist sensationell, mit der Gabel zu zerteilen, eine helle Freude. Die Forelle ist ein Gedicht, die Moldau klingt nach. Es versteht sich von selbst, dass die Forelle ganz regional korrekt aus dem Weiher von Johannes Nölker in der Nachbarschaft stammt.

Der Steinbutt ist eine Offenbarung, wann hatten wir das letzte Mal solch ein herrliches Produkt. Auch das Masthähnchen lässt den Genießer vor Freude in die Hände klatschen. Als süß-saurer Zwischengang begeistert die fermentierte Pflaume, ebenso gelungen ist das Spiel zwischen salzig und süß beim Blauschimmel-Schokoladen-Dessert. Die folgende „Farandole de desserts“ bringt uns an die Grenze der Ess-Kapazität, was angesichts der Bravour von Andreas Lindner ausgesprochen bedauerlich ist - für seine Desserts würde man Umwege fahren.

Die Weinbegleitung von Vanessa Lieser verlässt - wie schon beim Cidre-Apéritif zu erahnen - ausgetretene Pfade und kredenzt uns Weine, die im Gedächtnis bleiben. Wie ihre Service-Kollegin Paulina Gercken darf sie auf Hohenhaus ihre Persönlichkeit entfalten - beide zeigen auf eindrucksvolle Weise, was leidenschaftlicher, bestens ausgebildeter Service für das Wohlfühlerlebnis des Gastes bedeutet.

Wie schön, dass Peter Niemann bei der allgemein geringen Wertschätzung des Berufes eine rühmliche Ausnahme bildet. So kann er unerzogene Gäste schon Mal des Hauses verweisen.  Auch für die von ihm als „Lifestyle-Allergiker“ betitelten Selektiv-Esser hat er wenig Verständnis – wer tierische Produkte ablehnt, möge dann bitte in einem veganen Szenerestaurant essen.

Das intime Restaurant kann solch einer kulinarisch-önologischen Symphonie nur bedingt als Rahmen dienen, aber die Auflösung folgt: Ab dem kommenden Jahr soll das La Vallée Verte vis-à-vis im Schloss eine Bühne finden. Dann wird kongenial genossen.

Wer es etwas unkomplizierter (und günstiger) möchte, wählt als Restaurant den Hohenhaus-Grill. Hier stehen überwiegend traditionelle, von der Region geprägte Gerichte auf der Karte, die zeitgemäß interpretiert werden und zum Großteil mit Produkten aus der unmittelbaren Umgebung oder aus Eigenproduktion zubereitet werden. Wie der Rücken vom braunen Bergschaf aus eigener Herde oder geeistes Ringgauer Obst mit Markershausener Haselnuss und Hohenhäuser Himbeere.

Hier erleben wir eine Überraschung: Die Speisen sind zwar einfacher, aber ebenfalls herrlich komponiert. Eine einfache Avocado mit Kirsch-Tomaten, aber so herzhaft gewürzt, dass es wir ein Sterne-Gang mundet, dann ein Tatar, das wir ehrfurchtsvoll getrennt essen und nicht auf dem Teller mischen, so exzellent sind die einzelnen Zutaten. Sehr fein und dezent aromatisiert die darauffolgende Forelle mit Graupen-Risotto. Bei der Mousse au chocolat zeigt sich erneut der Perfektionismus des Patissiers: Sie wird aus feiner, in einem Schweizer Dorf entdeckten Felchlin Chocolat Grand Cru zubereitet, am Tisch in Nocken abgestochen und stilecht französisch mit Crème fraîche serviert und überzeugt selbst Schokoladen-Skeptiker.

Auf der herrlichen Sonnenterrasse mit Blick über das Tal lassen wir entspannt die Augen schweifen und geben uns unseren Träumen hin - der Zauber von Hohenhaus hat uns auf ganzer Linie in seinen Bann gezogen.

 

Hotel HOHENHAUS

Hohenhaus 1
37293 Herleshausen OT Holzhausen

Telefon: +4956549870
Fax: +4956541303

E-Mail: info@hohenhaus.de

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