Es heißt, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Genau das plant Berthold Bühler. "Die ersten Monate als selbständiger Koch waren die schwierigsten und die letzten werden die buntesten!", so hat er es sich fest vorgenommen. Ende des Jahres wird er nach 32 Jahren sein Hotel-Restaurant Résidence schließen. Im Februar wird er 65. Neuer Eigentümer der Immobilie ist Architekt Sven van Gelder. Der Geschäftsführer der Arsatec GmbH hat sich in die Jugendstilvilla verliebt. Einziehen wird er jedoch nicht, denn er und seine Familie bewohnen bereits einen sehr schönen, selbstrenovierten Altbau. "Meine Résidence weiß ich bei ihm in guten Händen", sagt Bühler, und dass er aus jedem verbleibenden Tag bis Silvester einen Festtag machen will. Für sich selbst, für seine Mitarbeiter und für Gäste.
Im Auftrag der Landesregierung NRW hat er die Queen bekocht, im Auftrag des Bundes einen EU-Gipfel ausgerichtet. Weltstars wie Cliff Richards und Vanessa Redgrave kehrten in seiner Résidence ein. "Dabei dachte ich nach dem ersten Monat, wir halten höchstens noch zwei durch, dann sind wir pleite." Doch die Résidence startet durch, zählt bald zu den besten Restaurants in Deutschland, gewinnt internationale Gäste - und erhöht die Mitarbeiterzahl von 16 auf über 30. Für den Chef sind 70-Stunden-Wochen bis heute normal.
Eigentlich wollte Berthold Bühler, als er vor 35 Jahren in Essen ankam, nur zwei oder drei Jahre bleiben und dann in seine Heimat am Bodensee zurückkehren. Doch mit Übernahme der Résidence 1984 änderte sich alles. Das Ruhrgebiet wächst ihm ans Herz. Wird seine Heimat. Und sie erhebt ihn 2014 "für sein kulinarisch-kulturelles Engagement mit leuchtender Strahl- und Anziehungskraft für die Region" zum "Bürger des Ruhrgebiets". Diese Ehrung bedeutet dem gebürtigen Badener viel.
"Verrückte Feste haben wir in der Résidence gefeiert, doch die verrücktesten kommen noch", verrät der Patron. "Einmal wollte ein Gast vierzig Düsseldorfer "weiße Mäuse" mieten. Doch die polizeiliche Motorradequipe für Staatsbesuche kann man natürlich nicht so einfach buchen. Der Gast wollte sie als Eskorte für seine Gäste, die er in zehn weißen Stretchlimousinen zu uns chauffieren ließ. Doch selbst der Königin von England stehen laut Protokoll so viele Polizei-Krafträder nicht zur Verfügung. Also haben wir dem Gastgeber eine Steigerung geboten", grinst Bühler. 40 rockige Harley Davidson- Lederjacken lotsten den weißen Tross von Düsseldorf nach Kettwig.
0815 ist nicht sein Ding. Das Überzeugen, Neues auszuprobieren, sei oft die größte Herausforderung bei der Planung hochkarätiger Events gewesen. "Gastgeber, die uns engagieren, wollen das Überraschende, das ganz Besondere - aber am liebsten risikofrei und bewährt." Auch beim EU-Gipfel musste Bühler für sein Service-Konzept seine ganze Überzeugungskraft aufbringen. Es bereitete dem Protokoll im Vorfeld ziemliches Bauchweh. Und dann griff die BILD-Zeitung den möglichen "Stein des Anstoßes" auch prompt auf und titelte in etwa "Weiblich, bildhübsch und jung serviert alten Herren".
Doch sie lobten die mutige Entscheidung - alles in Butter, die Verantwortlichen konnten sich auf die Schulter klopfen. Dem Bundeskanzleramt, den Regierungschefs und den Außenministern hat das Résidence-EU-Debut so gut gefallen, dass kurzerhand beim Hauptgang beschlossen wurde, das für den nächsten Tag geplante Mittagessen abzusagen und Bühler und seinem Résidence-Team zu übertragen.
Bis Dezember steht nun ein abwechslungsreiches Fine Dining-Programm mit "Das-kann-sich-jeder-leisten"-Abenden bis zum "Das Beste vom Besten" auf dem Spielplan. Einmal im Monat wird es ein verrücktes Bühler-Special geben. "Gartenparty in Schneeweiß und Sonnengelb", "Meine Verbeugung vor der Politik" oder "Pop-Lack und Borsalino." Knistern wie bei Frischverliebten ist das Motto der bleibenden Monate. Glücksgefühle und Gänsehaut sollen den Abschied von der Résidence begleiten. Besonders bei Chef-Sommelier Alfred Voigt und Hausdame Margret Reker, die beide an die 30 Jahre dabei sind. Und auch seine Assistentin Katrin Lohmann, "Sie sieht jünger aus, als die Zeitspanne lang ist, die wir zusammenarbeiten", Restaurantleiter Sebastian Furgol, ebenfalls schon über eine Dekade Résidence-Mitglied und Küchenchef Eric Werner, der jüngste 2-Sterne-Koch im Land, sollen mit Stolz, Wehmut und Freude im Herzen auf ihre Résidence-Zeit zurückschauen können. In Bühlers Kopfkino läuft schon ein Film. Sein persönliches Thanks-Giving an sein Team. "Wir sind wie eine große Familie und bleiben es hoffentlich bis zum letzten Öffnungstag", ist sein größter Wunsch. "Für unsere Auszubildenden, die ihre Ausbildung woanders beenden werden, ist das für die berufliche Karriere kein Nachteil, sondern eher von Vorteil, in zwei guten Häusern gelernt zu haben", stellt er sachlich fest. Und auch, dass jeder seiner Mitarbeiter ein Sechser im Lotto sei, und er sich für jeden persönlich einsetzen werde, nahtlos einen hervorragenden Arbeitsplatz zu finden.
Und er selbst? Will er tatsächlich die Hände in den Schoß legen? Bühler grinst. "Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Diesen Höhepunkt habe ich jetzt gesetzt. Ganz bewusst mit Eintritt ins offizielle Rentenalter - auch als Signal an Kollegen." Natürlich habe er Pläne. Er plane ein Buch zu schreiben mit den schillernden Erlebnissen der letzten 30 Jahre, vom Teamgeist und davon, wie großartig es sein kann, in der Spitzengastronomie zu arbeiten. Vor allem, um damit Augen zu öffnen, "wie die Politik mit unsinnige Paragraphen das Herzblut der Gastronomie abzapft und viel Lebensfreude im Land erstickt."