Hotelbewertungen im Netz skeptisch sehen

Von Tobias Schormann

Wenn andere Urlauber es gut finden, kann das Hotel ja nicht so schlecht sein - so denken viele im ersten Moment, wenn sie Bewertungen im Internet lesen. Doch wer genauer hinschaut, kommt schnell ins Grübeln. Denn auf den zweiten Blick zeigt sich oft, dass manche Bewertungen völlig einseitig sind. Und in anderen Beiträgen regen sich Leute über Dinge auf, die einen selbst nie im Leben im Hotel stören würden. Urlauber geben daher besser nicht zu viel auf Hotelbewertungen im Internet, warnen Experten auf der Reisemesse ITB in Berlin (noch bis 11. März).

Dabei werde immer noch viel manipuliert, sagt der Touristik-Experte Prof. Roland Conrady von der Fachhochschule Worms. «Das ist ein weit verbreitetes Phänomen.» Er schätzt, dass bis zu einem Drittel der abgegebenen Bewertungen «Fakes» seien - sie kommen also nur scheinbar von unabhängiger Seite. Die Noten in den Bewertungsportalen sollten Urlauber daher auf keinen Fall als alleinigen Maßstab nehmen.

Seine Studenten haben zur ITB mehr als 300 Hoteliers in Deutschland zu diesem Thema befragt. Ein Ergebnis: «Fast die Hälfte der Hoteliers hat schon Erfahrungen mit gefälschten Bewertungen gemacht.» Viele machen in solchen Fällen die Konkurrenz dafür verantwortlich. Auch bei negativen Bewertungen ist daher manchmal Skepsis angebracht: Will hier vielleicht nur ein Hotelier einen anderen schlechtmachen?

Zwar fischen die Betreiber von Bewertungsportalen ihrerseits Fälschungen wieder heraus. Aber es gebe immer noch genug Lücken in ihren Netzen. «Manche verlangen ja nicht einmal einen Nachweis für den Aufenthalt im Hotel.» Aber selbst wenn sie das tun, könne der Hotelier das umgehen, wenn er einen positiven Eintrag einschmuggeln will. «Dann stellt er eben dem Fälscher einen Nachweis aus.» Conradys Fazit lautet daher: «Es gibt keine absolute Fälschungssicherheit.»

Solche Einträge haben dennoch einen enormen Einfluss, wie Conradys Studenten ermittelt haben: Rund drei Viertel der befragten Hoteliers sagen, dass Online-Bewertungen für die Kaufentscheidung der Kunden eine große bis sehr große Bedeutung hat. Denn Bewertungen anderer Urlauber halten Nutzer für besonders glaubwürdig. «Das wirkt authentisch. Die Leute denken: Die bösen Unternehmen, die lügen das Blauen vom Himmel herunter, aber was die User schreiben, das stimmt.»

Das zeigt auch eine Studie der Privathochschule IUBH in Bad Honnef, die auf der ITB vorgestellt wurde. Von den mehr als 1000 Befragten sagen fast alle (95 Prozent), dass sie Online-Bewertungen für glaubwürdig oder sogar sehr glaubwürdig halten. Sechs von zehn (59 Prozent) lassen sich nach eigener Angabe bei der Wahl einer Unterkunft «sehr» von Bewertungen beeinflussen, mehr als jeder Dritte (37 Prozent) immerhin «etwas».

Gerade bei Bildern auf Bewertungsplattformen sollten Nutzer skeptisch sein. «Bilder können sehr irreführend sein», sagt Conrady. Das gelte etwa für ein Foto, das am Ende der Frühstückszeit vom Hotelbuffet geschossen wird. «Dann sieht jedes Buffet zerrupft aus.» Mit einem Foto ließen sich die Dinge aber auch extrem schönen. Der Blick vom Balkon aufs Meer sieht zunächst einmal immer hübsch aus. Dumm nur, wenn der Bildausschnitt dabei so gewählt war, dass man die Baustelle am Hotel nicht sehen konnte.

Beim Text sollten Nutzer etwa hellhörig werden, wenn Werbesprache benutzt wird, sagt Tim Schütrumpf von der Firma Tourismuszukunft, die Hotels und andere Unternehmen aus der Reisebranche berät. «'Großzügige Zimmer' sagt normalerweise zum Beispiel kein Mensch.»

Klar muss aber auch sein: Ob ein Hotel gefällt oder nicht, ist letztlich Geschmackssache: Was der eine mag, ist für den anderen ein No-go. «Es gibt daher nicht immer wahr oder falsch bei Bewertungen», sagt Schütrumpf.

Bewertungen könnten vielmehr zeigen, für wen das Hotel etwas ist. «Wenn jemand schreibt: In dem Hotel ist ständig Remmidemmi, finden Ältere das vielleicht negativ, ein 28-Jähriger dagegen vielleicht positiv», sagt Schütrumpf. «Der kann sich dann sagen: 'Mir doch egal, wenn es alten Leuten dort zu laut ist.'»

Auch dürften Urlauber nicht nur nach dem Ranking gehen, sondern müssten bei den Urteilen differenzieren. «Man muss sich fragen: Ist das relevant für mich?», sagt Conrady. Wenn jemand am Hotelrestaurant herummäkelt, kann das Urlaubern egal sein, die ohnehin lieber auswärts essen gehen wollen. dpa

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