James Bond Goldeneye Resort Die jamaikanischen Wurzeln von 007

Von Nick Kaiser

Die Serpentinen zwischen den Blue Mountains und Jamaikas Nordküste sind schmal und stellenweise mit Schlaglöchern übersät. Manch ein Autofahrer rast durch die Kurven und macht sich hupend für etwaigen herankommenden Verkehr bemerkbar. Es verwundert nicht, dass sich in dieser Gegend Ian Fleming die halsbrecherischen Verfolgungsjagden seines Romanhelden James Bond ausdachte.

Eine solche gibt es auch gleich im ersten Bond-Buch, «Casino Royale», das vor 70 Jahren erschien. Wie auch die weiteren Romane um den Agenten 007 schrieb Fleming das Werk auf seinem Anwesen Goldeneye im jamaikanischen Ort Oracabessa, der damals nicht viel mehr als ein Bananenhafen war.

Als Offizier im Nachrichtendienst der britischen Marine hatte Fleming im Juli 1943 vier Tage auf Jamaika verbracht, wie er 1947 im Magazin «Horizon» schrieb. «Der Juli ist der Beginn der heißen Jahreszeit, und es regnete jeden Tag mittags in Strömen. Dennoch schwor ich mir, dass ich, wenn ich den Krieg überleben sollte, nach Jamaika zurückkehren, ein Stück Land kaufen, ein Haus bauen und darin leben würde, soweit wie es mein Job erlauben würde.»

Der Name Goldeneye stammte von einer Mission im Zweiten Weltkrieg, an deren Planung Fleming beteiligt war. Bevor es seins wurde, hieß das Grundstück «Providence» (Vorsehung), wie Penny Dyer der Deutschen Presse-Agentur erzählt. Es habe ihrem Großvater gehört, sagt die 81-Jährige, die auf dem Nachbargrundstück aufwuchs und dort heute, sonst in Kanada lebend, die Winter verbringt.

In der Familie erzähle man sich, der Großvater habe seiner Schwester Geld geschuldet. Als er und Fleming einmal zusammen tranken, habe ihr Großvater Fleming angeboten, diesem das Grundstück zu überlassen, wenn er der Schwester das Geld zahle. Das tat Fleming demnach.

Er baute ein bescheidenes Dreizimmerhaus, wie der teils auf Jamaika aufgewachsene britische Musikproduzent Chris Blackwell - Gründer von Island Records - in seinen vergangenes Jahr erschienenen Memoiren «The Islander» schreibt. Zusammen mit dem englischen Schriftsteller Noël Coward führte Fleming demnach eine kleine Gemeinde reicher Briten an, die auf Jamaika überwinterten. «Goldeneye und Jamaika selbst boten die Illusion, dass Großbritannien weiter eine imperiale Macht sei, und nicht ein schnell schrumpfendes Reich.»

Fleming schrieb bis zu seinem Tod 1964 laut Blackwell jeden Winter innerhalb von sechs Wochen ein Bond-Buch. Penny Dyer erinnert sich, als Kind öfter an einer Hütte am Wasser vorbeigekommen zu sein, in der Fleming geschrieben habe. «Wenn wir dort spielten, sagte man uns immer: Ihr dürft keinen Lärm machen, Mr. Fleming ist da.»

Blackwells Mutter Blanche war ihm zufolge Vorbild für die «Bond-Girls» Honey Rider - gespielt von Ursula Andress im ersten Bond-Film «007 jagt Dr. No» von 1962 - und Pussy Galore. Laut Nachrufen auf Blanche Blackwell etwa im «Guardian», als sie 2017 mit 104 Jahren starb, war sie Flemings Geliebte gewesen. Als nach dessen Tod 1964 auch sein Sohn gestorben war, bat Blanche Blackwell 1976 ihren Sohn Chris diesem zufolge, Goldeneye zu kaufen. Sie habe damit so viele Erinnerungen verbunden.

Blackwell empfing in Goldeneye prominente Freunde. Sting schrieb dort den Song «Every Breath You Take»; Apple-Gründer Steve Jobs feierte in Goldeneye seinen 29. Geburtstag. Blackwell schreibt, er habe dort ein Bond-Hotel am 07.07.2007 - passend zur Agentennummer 007 - eröffnen wollen. Es sei eine Bar namens «Shaken, Not Stirred» (Geschüttelt, nicht gerührt) mit Bond-Girls als Kellnerinnen geplant gewesen. Er habe dann aber entschieden, etwas eigenes aufzubauen. Heute ist das Grundstück ein Luxus-Resort mit mehreren Hütten und Villen, der Übernachtungspreis fängt bei 578 Dollar (526 Euro) an. Berühmtheiten wie Beyoncé und Elon Musk sind dort schon abgestiegen.

Oracabessa ist kein Bananenhafen mehr, ein großer Teil der gut 4000 Bewohner sind aber Arbeiter. Es gibt dort mindestens fünf Kirchen. An der Hauptstraße stehen ein paar Hähnchen-Restaurants, das vielleicht schickste Etablissement ist ein Smoothie-Laden.

Ein idyllischer, kleiner Abschnitt des Strandes neben Goldeneye - keine 30 Kilometer östlich des Laughing Waters Beach, wo die ikonische Szene von «Dr. No» gedreht wurde, in der Andress in einem Bikini mit Messerscheide aus dem Meer kommt - heißt heute James Bond Beach. Er ist derzeit zusammen mit der dort stehenden «Moonraker»-Bar für einen Umbau geschlossen, kann aber gegen ein «Trinkgeld» an einen Wächter noch besucht werden. Der daneben liegende Strand an einer Fischerboot-Anlegestelle wird allgemein ebenfalls James Bond Beach genannt. Schilder weisen den Ort als Privatgrundstück aus.

An einem Sonntag sitzen dort drei junge Bauarbeiter auf einer Mauer, rauchen Marihuana und trinken Rum mit dem Energy-Drink «Boom», während hinter ihnen eine kleine Gruppe US-Touristen im Meer badet. Wie viele andere Menschen hier wissen sie weder, warum der James Bond Beach so heißt, noch, wer Ian Fleming war - der 25-jährige Junior Panton weiß nur, dass ein nahe gelegene Flughafen nach ihm benannt ist. Über Blackwell weiß er mehr zu sagen. Dem gehöre der Strand, und er erlaube es allen, dort zu baden. «Blackwell ist ein guter Mann, er kümmert sich immer um die armen Leute», meint er.

Ein paar Hundert Meter entfernt sitzt der 52-jährige Fischer Milton Cole vor einer Hütte - geschützt vor der erbarmungslosen Sonne - und sieht zu, wie zwei Kollegen auf einem Schachbrett ein Spiel namens Draw mit Plastik-Flaschendeckeln spielen. Er habe als Kind Bond-Filme geguckt, sagt er. Dass es sich beim Helden um einen Agenten der ehemaligen Kolonialmacht handelt, störe ihn nicht. Der Bond-Ruhm sei positiv für Oracabessa: «Wir sind für etwas Gutes bekannt.» dpa

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