Jim Jarmusch und The Dead Don't Die Weder Emails noch Computer

In «The Dead Don't Die» erzählt US-Regisseur Jim Jarmusch von der Apokalypse, in der Umweltzerstörung die Welt aus dem Gleichgewicht bringt und schließlich auch die Toten wieder auferstehen. Zum Interview im Garten eines Hotels im südfranzösischen Cannes kommt Jarmusch mit einer Tasse Kaffee an den Tisch - und imitiert erst einmal Iggy Pop, der in «The Dead Don't Die» einen koffeinsüchtigen Zombie spielt. «Coffeee!», krächzt Jarmusch lachend.

Sie haben schon den Vampirfilm «Only Lovers Left Alive» gedreht, nun wenden Sie sich Zombies zu. Haben Sie eine besondere Affinität zum Horrorgenre?

Nein, ehrlich gesagt bin ich kein großer Horrorfanatiker. Ich bin ein Filmfanatiker, also sind alle Genres für mich interessant. Ich bin mit Klassikern wie «Dracula» und «Frankenstein» aufgewachsen. (...) Und es gibt zeitgenössische Horror-Regisseure, die ich sehr mag. Sam Raimi zum Beispiel, ich liebe die «Evil Dead»-Filme, die haben ein gutes Gleichgewicht zwischen Komödie und gruseligem Mist. Ich mag einige Filme von Wes Craven, dann natürlich John Carpenter, Dario Argento und einige andere.

Und wie stehen Sie zu Zombies?

Unter den Horrorfilmen mag ich die Zombies am wenigsten. Ich bin kein großer Fan von Zombies. Ich habe zum Beispiel nie (die TV-Serie) «The Walking Dead» gesehen. Ich bin eher ein Vampir-Typ. Vampire sind so raffiniert und elegant, sie sind in gewisser Weise sexuell und sie können sich in eine Fledermaus oder einen Wolf verwandeln. Sie sind sehr intelligent und können einiges tun, um zu überleben. Zombies dagegen sind nur dumme Idioten, die herumlaufen. Dumme Wesen, Untote, die zurückkommen. Eigentlich sind sie also nicht so interessant für mich. Gleichzeitig ist es aber eine so aufgeladene Metapher, dass ich nicht widerstehen konnte.

Mögen Sie Zombies nach der Arbeit am Film jetzt mehr?

Ich hasse sie mehr, ich habe sie so satt! Zwei Jahre lang habe ich jeden Tag an diesem Film gearbeitet. Ich habe Zombies wirklich satt. Aber ich sehe sie immer noch überall, wo ich hingehe. (Er imitiert Menschen mit Smartphones vor dem Gesicht.) Ich habe es satt in New York herumzulaufen - und dann komme ich nicht an den Telefonzombies vorbei. Die wissen ja nicht einmal, dass andere Leute da sind. Die sind wie zombifiziert.

Haben Sie ein Smartphone?

Ja. Aber ich schreibe weder Emails und benutze auch keinen Computer. Ich schreibe immer noch alles von Hand, auch Briefe.

Was ist mit den Drehbüchern?

Die schreibe ich auch von Hand, in ein Notizbuch. Ich mag das, weil alles immer noch da ist. Wenn ich Kaffee verschüttet, wenn ich in einer anderen Farbe geschrieben oder wenn ich etwas durchgestrichen habe. Wenn ich etwas am Computer lösche, ist es weg. Manchmal ist es aber sehr hilfreich sich anzusehen, was man zwischendrin nicht mehr wollte. Ich schreibe gerne von Hand. Das dauert zwar länger, aber ich habe ja auch keine Email. Ich habe schon jetzt nicht genug Zeit, um zu lesen und zu schreiben, Musik zu machen, meine Arbeit zu erledigen und meine Freunde zu sehen. Ich möchte wirklich nicht drei Stunden am Tag Emails bearbeiten, das kann ich nicht.

Auch jetzt haben Sie ein Notizbuch dabei.

Ja immer. Ich trage mehrere mit mir herum. Die sind für Ideen, an denen ich arbeite. Das hier aber ist für Dinge, die für «The Dead Don't Die» wichtig sein können. Ich kann mich nicht an alles erinnern. Wenn jetzt zum Beispiel jemand wissen möchte, welche Musik ich gehört haben - herrje, dafür brauche ich Hilfe. Dafür habe ich mein buntes Büchlein (Jarmusch zeigt eine Seite mit verschiedenfarbigen Einträgen). Bei mir beziehen sich diese Antworten auf mögliche Fragen von Ihnen - im Gegensatz zu Tom Waits, dem für mich besten Interviewgeber. Der hat immer ein Buch mit Antworten parat, die nichts mit dem zu tun haben, was Sie fragen könnten. Das sind die besten Interviews aller Zeiten!

Viele Ihrer Stammschauspieler sind diesmal wieder mit dabei. Außerdem gibt es kleine Anspielungen und Querverweise auf andere Filme von Ihnen. Haben Sie die bewusst eingebaut?

Nein, überhaupt nicht. Klar, es sind Schauspieler dabei, mit denen ich vorher gearbeitet habe. Aber ich beziehe mich nie auf andere Filme von mir. Ich schaue mir meine vorherigen Filme nicht einmal mehr an. Ich gucke sie nur einmal im Kino mit einem zahlenden Publikum, das nicht weiß, dass ich dort bin. Und dann: nie wieder! Wenn ich den Film auf ein neues digitales Format aufrüsten muss, lasse ich den Ton ausschalten und schaue mir nur die Bilder an, ohne Ton. Oder früher mit Film-Rollen: Zeigt mir die Rollen nicht in der richtigen Reihenfolge! Zeigt mir nicht den ganzen Film hintereinander, den will ich nie wieder sehen.

Warum nicht?

Warum sollte ich? Ich habe Jahre damit verbracht, sie zu machen, sie sind fertig. Ich kann sie nicht ändern. Ich möchte nicht dasitzen und sehen, was ich früher gemacht habe. Das wäre so, als würde ich mich mit mir selbst vergleichen. Es ist vorbei, Vergangenheit. Wir haben nur die Gegenwart und können über neue Dinge nachdenken. Aber sich Gedanken über das Gute oder Schlechte von Vergangenem zu machen, ist nicht mein Ding.

Wir Journalisten interpretieren gerne Dinge in Ihre Filme hinein. Finden Sie das amüsant zu lesen? Bei diesem Film könnte man ja zum Beispiel einige Spitzen auf die USA und Präsident Donald Trump herauslesen.

Ja, das habe ich gehört. Aber mit Trump hat mein Film nichts zu tun. Das hier ist nicht meine Antwort darauf. Es geht mir um die Welt. Trump ist einer von vielen Menschen ohne Empathie. Narzissten, die auf der ganzen Welt an der Macht sind. Darauf reagiere ich.

Sie sprechen auch das Thema Umwelt und Umweltschutz an. Derzeit gibt es einige Menschen, die den Klimawandel leugnen. Wie wichtig war Ihnen dieser Aspekt?

Ich denke, dass das die wichtigste Sache ist, was unser menschliches Überleben angeht. Das ist doch offensichtlich. Das aber zu ignorieren oder es nicht anzusprechen, ist sehr besorgniserregend. Ich fühle mit den Jugendlichen des Sunrise Movement (Anm.: Bewegung gegen Klimakrise) mit. Meist sind es junge Leute, oft Teenager, die sagen «Das ist unsere Welt. Warum wird sie zerstört? Warum tut ihr nichts?» Ich bin einer der Mitschuldigen. Ich fahre ein Auto mit fossilen Brennstoffen, ich fliege mit dem Flugzeug, habe hier eine Plastikflasche Wasser stehen. Ich mache einen dummen Zombiefilm, ich bin kein Aktivist. Ich respektiere und bewundere aber diejenigen, die die Kraft und den Mut haben aufzustehen.

Die größte Krise für uns ist derzeit der Mangel an menschlichem Einfühlungsvermögen, insbesondere unter den Führungspersönlichkeiten. Unternehmensgier kontrolliert alles. Wir haben Führer, die nicht einfühlsam sind. Und das Ergebnis davon ist ein sterbender Planet. Die ökologische Krise, in der wir uns befinden, ist wirklich dramatisch. Es heißt, wenn wir jetzt nicht anfangen etwas zu tun, werden wir in zwölf Jahren eine Temperaturerhöhung um eineinhalb Grad haben. Weißt du, was das bedeutet? Das Ende der Arten, die wir kennen, das Ende unseres Ökosystems. Keine Insekten, keine Nahrung. Und trotzdem sagen die Leute: «Lasst uns fernsehen und gucken, was Trump heute gemacht hat». Mir ist Trump scheißegal, er ist ein Clown.

Besteht aus Ihrer Sicht noch Hoffnung?

Natürlich! Wir haben noch Zeit, diese Katastrophe abzuwenden, aber wir tun es nicht. Deswegen habe ich Angst. In meinem Film steckt allerdings noch eine andere Botschaft: Die Welt ist perfekt. Schätze die Details. Wenn mich das menschliche Verhalten enttäuscht und ich depressiv und angewidert bin, stoppe ich mich selbst. Ich praktiziere Tai Chi oder meditiere. Ich bin so dankbar, ein Bewusstsein zu haben, hier auf einem winzigen Planeten im Universum zu sein, mit einer Vielfalt von erstaunlichen, unglaublichen Dingen. Wenn wir uns das Universum anschauen, ist das Leben auf der Erde nur ein ...(er schnippst mit den Fingern). Jetzt aber sind wir noch da! Selbst wenn wir alles vermasseln, haben wir das Hier und Jetzt noch. Wenn Sie jeden Tag innehalten und dankbar sind, dass Sie einen Körper haben, dass Sie einen Verstand haben, dass Sie diese Brise spüren können - darin liegt Hoffnung. dpa

ZUR PERSON:

Jim Jarmusch, 66, zählt zu den bekanntesten Independentregisseuren der USA. Tilda Swinton, Bill Murray und Iggy Pop gehören zu den Schauspielern, mit denen er häufiger zusammenarbeitet. Beim Filmfest Cannes gewann er 1993 die Goldene Palme für den besten Kurzfilm für «Coffee and Cigarettes III» mit Iggy Pop und Tom Waits. Zu seinen weiteren Werken zählen Filme wie «Night on Earth», «Dead Man», «Broken Flowers» und «Only Lovers Left Alive».